Die Lust der Deutschen an Bio-Lebensmitteln wächst. Inzwischen haben sogar Discounter Öko-Produkte für sich entdeckt. Aber ist es gut, wenn Öko zum billigen Massenprodukt wird? In der Branche ist man zwiegespalten.

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Als der Discounter Lidl im Herbst sein Bio-Sortiment auf Bioland-Qualität umstellte, war die Überraschung gross: Der erste Billiganbieter verkauft seither Lebensmittel mit dem strengen Siegel des Anbauverbands, das sogar über die EU-Kriterien für den ökologischen Landbau hinausgeht. Aber verträgt sich die Niedrigpreis-Strategie der Discounter mit den Bio-Idealen von einer nachhaltigen, umweltschonenden Produktion?

Fakt ist: Die Deutschen kaufen immer mehr Bio-Produkte, die Branche floriert. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) meldet vor Beginn der Biofach-Messe in Nürnberg an diesem Mittwoch für das vergangene Jahr einen Branchenumsatz von insgesamt 3,46 Milliarden Euro - ein Plus im Vergleich zum Vorjahr von 5,2 Prozent.

Kunden sind bereit, mehr zu zahlen

Ähnlich gewachsen sein dürfte das Geschäft von Deutschlands Ökolandbau-Betrieben. Sie erwirtschafteten nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) im Jahr 2017 erstmals mehr als zehn Milliarden Euro. "Immer mehr Kunden entscheiden sich an der Ladenkasse für immer mehr Bio", bilanziert der Verband. Und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) betont: "Verbraucherinnen und Verbraucher legen Wert auf Tierwohl, Regionalität und Nachhaltigkeit – beim Einkauf, aber auch dem Restaurantbesuch. Und sie sind bereit, dafür auch mehr zu zahlen."

Der Wandel der Bio-Waren vom Nischen- zum Massenprodukt wird von manch einem Branchenvertreter durchaus gerne gesehen. "Wir müssen in die Breite gehen, wenn wir das bewirken wollen, wofür wir angetreten sind", sagt BÖLW-Vorsitzender Felix Prinz zu Löwenstein. Der ökologische Landbau dürfe nicht als ein Nischenprojekt begriffen werden. Immer mehr Bauern stellten auf Ökolandbau um, da sei es positiv, wenn im Handel mehr Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln entstehe. Mit grösseren Produktionsmengen sänken dann auch die Preise. Eine existenzielle Bedrohung für den klassischen Naturkosthandel sieht er nicht. Die Naturkosthändler hätten weiter eine Zukunft, weil sie dem Kunden eine grössere Produktauswahl und eine bessere Beratung böten.

Bauern noch stärker unter Druck

BNN-Verbandschefin Elke Röder sieht die Entwicklung dagegen eher kritisch. Zwar würden die Verbraucher für das Thema Nachhaltigkeit und umweltverträgliche Produktion sensibilisiert, andererseits werde aber auch das falsche Signal gesendet, dass Bio billig sei und Lebensmittel einen beliebig senkbaren Preis hätten.

Es könnte ein gegenteiliger Effekt entstehen: Auf der einen Seite kämen laut Röder mehr Biolebensmittel in den klassischen Handel. Auf der anderen Seite werde der Preiswettbewerb verstärkt und die Bauern würden noch stärker unter Druck gesetzt, so dass sie nicht auf Pestizide und Nitratdünger verzichten könnten. Dies gehe dann zu Lasten des Grundwassers und der Biovielfalt in der Natur - Gemeinschaftsgüter, die die Kunden mit ihrem Bio-Einkauf eigentlich schützen wollten.

Der Lebensmittel-Blogger Peer Schader sieht das Mitmischen von Discountern beim Bio-Trend als Herausforderung für die reinen Bio-Märkte: "Es ist ein deutliches Signal an den Bio-Fachhandel, endlich die Scheuklappen abzulegen." Noch könnten die Biomärkte mit einer grösseren Auswahl punkten. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieser Vorteil von der Konkurrenz gekapert werde.

(dpa/af)

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