Teiche wirken vielleicht nicht so bezaubernd wie rauschende Flüsse oder majestätische Seen, aber für die biologische Vielfalt und die Gesundheit der Ökosysteme sind sie unverzichtbar. In der Schweiz sind natürliche Teiche in Folge der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft fast verschwunden.

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Nur zwölf Kilometer östlich der geschäftigen Stadt Genf, an der Gartenbauschule Lullier in Jussy, fügt sich ein mit Rohrkolben ummantelter Teich, perfekt in die idyllische Umgebung ein.

Aber dieser Teich sei nicht nur Teil der Landschaft, sondern auch strategisch günstig gelegen, um einen natürlichen Bachlauf zu schützen, der durch einen der Obstgärten der Schule fliesst, erklärt Beat Oertli, Professor für Gewässerökologie an der Fachhochschule Westschweiz (HESSO).

"Der Teich sieht nicht besonders schön aus, aber das ist auch nicht seine Funktion", sagt Oertli. "Wir haben ihn zum Schutz des Baches gebaut, weil wir hier in unserer Schule Dünger verwenden. Das gesamte Regenwasser fliesst zuerst in den Teich, wo es auf natürliche Weise gefiltert wird. Untersuchungen haben ergeben, dass Teiche wie dieser etwa 70 Prozent der Pestizide, die innerhalb eines Jahres in den Teich gelangen, abfangen und abbauen können."

Die Wasseraufbereitung und -filtration ist nur eine von sehr vielen Funktionen, die Teiche sowohl für den Menschen als auch für die Umwelt erfüllen: vom Hochwasser- und Erosionsschutz über den Lebensraum für gefährdete Arten bis hin zur Aufnahme des Treibhausgases Kohlendioxid.

"Wir haben geschätzt, dass ein Teich so viel Kohlenstoff binden kann, wie ein Auto in einem Jahr produziert", sagt Oertli.

Aber diese "Dienstleistungen" drohen zu verschwinden: In den letzten 200 Jahren sind 90 Prozent der Teiche in der Schweiz ausgetrocknet oder zerstört worden, als Folge des Siedlungsdrucks und vor allem der Intensivierung der Landwirtschaft.

Lebenswichtige Netzwerke

Der ökologische Beitrag von Teichen wird oft unterschätzt, weil diese Feuchtgebiete im Vergleich zu grösseren Süsswasser-Ressourcen wie Seen und Flüsse klein sind. Der grösste ökologische Nutzen der Teiche sei das Kollektiv, sagt Oertli. Jedes kleine Gewässer spiele eine Schlüsselrolle in einem grösseren Netzwerk.

"Zusammengefasst enthalten die kleinen Teiche in einer bestimmten Region mehr Arten als Seen und Flüsse. Das liegt daran, dass die Teiche sehr unterschiedlich sind. Wie Menschen: Man kann nicht zwei Teiche finden, die gleich sind."

Die Teiche und deren Uferzonen sind nicht nur Lebensraum von Fröschen, sondern auch von Biber, Spitzmäusen, Wühlmäusen, Fledermäusen, Blutegel, Libellen und Bestäubern wie Bienen oder Schwebfliegen.

Auch einzelne Teiche sind wertvoll, vor allem im urbanen Umfeld, auf das sich Oertli in Lullier konzentriert. Selbst ein künstlicher Teich mitten in einer Stadt kann eine Vielfalt von Arten beherbergen und wichtige Dienste für den Menschen leisten.

"Die Verstädterung nimmt zu. Teiche sind ein gutes Beispiel für Systeme, die viele Dienstleistungen bieten, für die Landschaftsgestaltung, den Hochwasserschutz, die Ausbildung von Schülern und Kindern, das Einfangen von Schadstoffen und die Reinigung von Gewässern, die durch die Stadt fliessen", erklärt Oertli.

"Städtische Teiche können ausserdem ein wichtiges Reservoir für die Bewässerung von Parks und Gärten oder für die Brandbekämpfung sein."

Nahrung versus Wasser

Laut Oertli gibt es in der Schweiz heute rund 32'000 Teiche und andere kleine Gewässer von mindestens 100 Quadratmetern. Das entspricht dem hundertfachen aller Seen im Land.

Angesichts der geschätzten Anzahl Teiche von über 3 Millionen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ist diese Fläche ernüchternd klein. Und nicht nur in der Schweiz: Der Abwärtstrend ist auch in anderen urbanisierten Ländern in ganz Europa und in den USA zu beobachten.

Verkehrskorridore, Verstädterung und Industrialisierung spielen eine Rolle bei der Verringerung der Teichbestände, aber für den Löwenanteil des Rückgangs ist die Landwirtschaft verantwortlich.

Um Platz für die landwirtschaftliche Nutzung zu schaffen, wurden Feuchtgebiete oft trockengelegt durch sogenannte Drainagen, Bäche wurden kanalisiert oder unterirdisch abgeleitet.

Ein weiterer negativer Faktor sind Düngemittel: Überschüssige Nährstoffe in Düngemitteln wie Phosphor können einen ungesunden Überwuchs von Algen und Pflanzen (Eutrophierung) zur Folge haben.

Obwohl Teiche die Pestizide filtern, kann eine starke Verunreinigung mit diesen Chemikalien deren Ökosystem negativ beeinflussen und sie für Pflanzen und Tiere unwirtlich machen.

Obwohl jeder Teich irgendwann im Rahmen seines natürlichen Lebenszyklus austrocknet, wird der Klimawandel laut Oertli diesen Prozess vermutlich noch beschleunigen, weil die Lebensdauer der Teiche unter wärmeren und nährstoffreicheren Bedingungen kürzer ist.

Wie löst man den Konflikt?

Oertli ist der Meinung, dass die Bürgerinnen und Bürger ihren Teil zur Verbesserung des Teichproblems beitragen könnten.

Er plädiert für einen zweigleisigen Ansatz: den Schutz der bestehenden Teiche in der Schweiz und den Bau neuer Teiche. Dazu gehörten auch die Erhaltung und Schaffung gesunder Lebensräume und Vegetationszonen in den Uferzonen der Teiche.

"In der Schweiz gibt es auf einem Quadratkilometer ein oder zwei Teiche – das reicht nicht aus. Wir schätzen, dass die Anzahl Teiche zwei- bis dreimal so hoch sein sollte, um die Biodiversität zu erhalten. Das Konzept der Vernetzung ist für den Teichschutz sehr wichtig: In der Schweiz sind einige Teiche geschützt, aber wir müssen weitere Teiche bestimmen, die für die Vernetzung wichtig sind und die wir schützen müssen", sagt er.

Laut Oertli ist der Bau von künstlichen Teichen relativ einfach und nicht sehr teuer – unter guten Bedingungen kann ein kleiner Teich für rund 5.000 Franken gebaut werden, schätzt er. Aber auch ein Quadratmeter grosser Mini-Teich auf einem privaten Dach kann ein ökologischer Gewinn sein.

"Wir sollten alle Arten von Teichen haben – kleine und grosse – damit jeder etwas tun kann", sagt er.  © swissinfo.ch

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