• Ein Kuss unter dem Mistelzweig soll Paaren einem alten Brauch zufolge Glück bringen.
  • Deutsche Naturschützer schlagen aber aktuell Alarm, weil die Pflanze zunehmend zum Problem wird.
  • Das Thema betrifft auch die Schweiz.

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Sind Ihnen schon einmal die kugelförmigen Gewächse in vielen Bäumen aufgefallen? Was viele nicht wissen: Dabei handelt es sich um Misteln. Ihre wunderschönen Zweige sind nicht nur eine beliebte Weihnachtsdeko, wir kennen sie auch als diversen Weihnachtsfilmen: Wer unter einem Mistelzweig steht, möge sich doch bitteschön küssen, wird da häufig eine alte Tradition aufgegriffen.

"Die Laubholz-Mistel hat allerdings wenig Romantisches an sich. Deutschlandweit ist sie stark auf dem Vormarsch, für Obstbäume wird sie zunehmend zur Gefahr", warnt aktuell der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV).

Die Pflanzen saugen sich am Baum fest und entziehen ihm als Halbschmarotzer mit ihren Saugwurzeln Wasser und Nährstoffe. "Besonders gefährlich wird es für Bäume, die nicht regelmässig gepflegt werden", warnen die Experten. "Für einige Gegenden, insbesondere in Süd- und Mitteldeutschland, sind Misteln darum inzwischen zum massiven Problem geworden."

Auch in Liechtenstein warnte bereits das Amt für Umwelt vor Misteln. Sie hätten sich in den letzten Jahren verbreitet und würden Streuobstbestände gefährden. Betroffen ist seit Jahren auch die Ostschweiz: "Im Kanton St. Gallen ist sie vor allem im Rheintal, Sarganserland und im Linthgebiet verbreitet", zitiert das "Tagblatt" Richard Hollenstein vom Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen.

Vögel helfen Mistel bei massiver Ausbreitung

So wunderschön sind Mistelzweige: Die Blüten- und Beerenreife beginnt etwa Mitte Januar und endet Anfang April. © Getty Images/iStockphoto/Oskanov

Die Weissbeerige Mistel (Viscum album) ist eine von 1.400 weltweit vorkommenden Mistelarten und wächst auf Laubgehölzen wie Pappeln, Weiden, Weissdorn, Birken, Hasel, Robinien, Linden, Ahorn, Hainbuche und Apfelbäumen.

Was ihr laut LBV bei ihrer Ausbreitung hilft: "Ihre weissen Früchte sind sehr klebrig. Viele Vögel naschen gern an den Beeren. Ein Teil der Früchte bleibt dabei an ihren Schnäbeln haften. Wetzen die Vögel den Schnabel an einem Zweig oder hinterlassen dort ihren Kot, kleben die Mistelsamen an der Rinde des künftigen Wirtsbaumes fest." So könne sich die Mistel über viele Kilometer verbreiten.

Auch das "Tropfen" der Mistelsamen spiele eine grosse Rolle, ergänzt der Naturschutzbund NABU (Stadtverband Münster): Die Pflanzen infizieren die unter ihnen liegenden Äste des Baumes. "Geschwächte und nur sporadisch gepflegte Obstbestände können stark befallen und geschädigt werden. Dichter Mistelbefall führt zu verminderter Wuchsleistung des Baumes und im Extremfall zum Absterben", warnen die Naturschützer.

Pflege von Bäumen äusserst wichtig: So geht's

Vor allem aber würden Streuobstbestände zu unregelmässig gepflegt. Was laut LBV und NABU hilft, wenn der Baum noch nicht zu stark befallen ist:

  • Alle vier Jahre im Spätwinter und zeitigen Frühjahr befallene Obstbäume konsequent beschneiden. Dabei sollten Äste mit Mistelbefall mindestens 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz zurück abgesägt werden.
  • Dafür eignet sich am besten die "blattlose" Zeit, in der die Misteln gut sichtbar sind
  • Zwischen dem 1.11. und dem 1.3. beeinträchtigt man mit dem Beschnitt am wenigsten das Nisten der Vögel.
  • Wird die Baumpflege regelmässig durchgeführt, reicht es, die Mistel abzubrechen.

Ein Irrglaube ist, man dürfe die Mistel nicht beseitigen. Sie steht zwar unter allgemeinem Artenschutz, aber unter keinem besonderen Schutz. Sie können also bedenkenlos von Obstbäumen entfernt werden, "und das sollten sie auch", betont man beim LBV.

In nordischen Göttersagen ist der Mistelzweig die heilige Pflanze der Liebesgöttin Frigga. © Getty Images/SolStock

Bis in die 80er Jahre habe es in einigen Ländern sogar eine Verordnung zur Mistelbekämpfung gegeben, ergänzt der NABU. "Und noch vor 60 Jahren wurden Obstbaumbesitzer bestraft, wenn die Halbschmarotzer in ihren Streuobstbeständen gefunden wurden."

In diesen Regionen "käme man aus dem Küssen nicht mehr heraus"

Streuobstwiesen gelten als artenreichster Lebensraum Mitteleuropas. Der NABU-Bundesfachausschuss Streuobst schlägt deshalb Alarm. Besonders massiv - lokal teils sogar bestandsgefährdend - sei der Mistelbefall in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz.

"Hielte man sich an den alten englischen Brauch, käme man in diesen Streuobstwiesen aus dem Küssen gar nicht mehr heraus", sagen die Naturschützer. Ausdrücklich gehe es nicht darum, die Mistel grundsätzlich auszurotten: "Sondern sie dort in Schach zu halten, wo sie einen artenreichen Lebensraum bedroht."

Verwendete Quellen:

  • Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV): "Misteln bringen Streuobstwiesen kein Glück"; 29.11.2022
  • NABU (Stadtverband Münster): "Die Mistel - ein Parasit auf dem Vormarsch, Streuobstwiesen bedroht!"
  • Tagblatt.ch: Misteln bereiten Ostschweizer Obstbauern Arbeit - dabei ist die Schmarotzerin auch nützlich
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