Wenn man am Tag nach einem lauen Sommerabend durch den Park läuft, wird das Phänomen besonders deutlich: Menschen werfen ihren Abfall auf den Boden und lassen ihn einfach liegen. "Littering" ist der Fachausdruck für diese Vermüllung des öffentlichen Raums. Warum machen Menschen das? Wir haben mit einem Umweltpsychologen darüber gesprochen.

Ein Interview

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Herr Schahn, Warum werfen so viele Leute ihren Abfall einfach in den öffentlichen Raum?

Joachim Schahn: Das ist recht trivial. Man nimmt irgendwelche Dinge mit, zum Beispiel Getränke in Dosen oder verpacktes Essen. In dem Moment, in dem die Dose leer und das Essen gegessen ist, ist die Verpackung überflüssig.

Und überflüssige Dinge wirft man in unserer Wegwerfgesellschaft eben weg. Das Bequemste ist, sie einfach da hinzuwerfen, wo man geht und steht, wenn es keine Norm gibt, die sagt, dass man das nicht tun soll.

Gibt es nicht eine Norm, die besagt, man soll Abfall in den Mülleimer werfen?

Früher war das der Fall. Vor 30 oder 40 Jahren, da gab es eine Verhaltensvorschrift, dass man Abfall nicht einfach auf den Boden wirft. Diese Norm hat im Laufe der Jahrzehnte ihre Wirkungskraft eingebüsst, deswegen kommt es jetzt deutlich öfter vor als früher.

Wie kommt es, dass diese Verhaltensvorschrift heute nicht mehr gilt?

Da kann ich nur spekulieren. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, man ist heute selbstbezogener. Man schaut weniger auf die Gemeinschaft, sondern eher darauf, welche Bedürfnisse man im Moment hat und trachtet danach, diese zu befriedigen.

Darauf, welche Probleme oder Schäden durch die eigene Bedürfniserfüllung für andere entstehen, achtet man nicht. Aber wie gesagt, das ist Spekulation.

Ich kann eher etwas sagen zu der Frage, woher die Normen kommen und daraus ergibt sich indirekt eine Antwort.

Gerne.

Normen werden vermittelt durch Erziehung und Vorbild. Das heisst, wenn den Kindern von den Eltern oder auch in der Schule vermittelt wird, dass man das nicht tut, dann wird das eher befolgt.

Es gibt Leute, die haben durchaus noch diese Normen und die werfen auch nichts weg im öffentlichen Raum.

Dann gibt es Leute, die haben sozusagen die Gegennorm: Da ist es ok, dass man das macht, es ist sogar gut. An die kommt man ganz schwer heran. Das ist aber nur eine kleine Gruppe.

Und dann gibt es noch einen grossen Mittelbereich von Personen, bei denen hängt es davon ab, wie die Situation oder die soziale Umwelt aussieht - ob da zum Beispiel jemand Druck macht, dass man nichts auf den Boden wirft.

Gibt es noch andere Gründe für das "Littering"?

Ja, die einfache Frage: Habe ich überhaupt die Möglichkeit, meinen Müll in einen Abfalleimer zu werfen? Hier hat sich auch etwas verändert in den letzten Jahrzehnten. Früher gab es nämlich viel mehr Mülleimer in öffentlichen Räumen.

Wenn irgendwo eine Bank stand, dann stand normalerweise ein Abfalleimer daneben. Die sind grösstenteils abgebaut worden. Der Grund dafür ist, dass das eine kostenintensive Sache ist für die Kommunen. Die brauchen Personal, um die Mülleimer zu leeren und auch die Müllgebühren sind deutlich gestiegen.

Deswegen hat man gesagt: Die Dinger werden abgebaut, da muss nichts mehr geleert werden, es entstehen keine Kosten und die Leute sollen ihren Müll zu Hause entsorgen. Und das ist genau das, was nicht klappt.

Viele Dinge sind ja auch doppelt und dreifach verpackt, zum Beispiel Essen, das man sich unterwegs kauft.

Ja, das ist ein weiterer Aspekt. Die Verpackungen und deren Umfang haben über die Jahre zugenommen. Man denke nur an diese Coffee-to-go-Becher, die gab es ja vor 20 Jahren überhaupt nicht.

Klar, wenn so was vom Handel angeboten wird und die Leute das kaufen, dann wird in dem Bereich auch mehr weggeworfen.

Wie kann man "Littering" dann verhindern oder zumindest begrenzen?

Es ist sehr schwierig, da einzugreifen. Strebt man einen dauerhaften Erfolg an, dann muss man die Norm wieder verändern auf ein Level, wo sie früher einmal war.

Das bedeutet, man müsste mit Erziehung und mit Vorbildern arbeiten. Die Leute, die Abfall wegwerfen, müssten sozialem Druck ausgesetzt werden, man müsste rechtliche Massnahmen ergreifen, Kontrollen, Strafen und ähnliches.

Das ist schwer durchzusetzen und auch kostenintensiv. Das wäre eine langfristige Lösung, aber kurzfristig ist das nicht wirksam.

Kurzfristig kann man das eher begrenzen, indem man etwas an der Situation verändert, also zum Beispiel wieder an verschiedenen Orten Abfalleimer aufstellt.

Und was ganz wichtig ist: Es ist nachgewiesen, dass in bereits vermüllten Umgebungen mehr Müll hingeworfen wird als in sauberen. Das heisst, wenn man diese vermüllten Bereiche sauber hält, kann man einer weiteren Vermüllung entgegenwirken.

Dr. Joachim Schahn von der Universität Heidelberg forscht in den Bereichen "Umweltbewusstsein und Umweltverhalten" sowie "Entschuldigungen und Rechtfertigungen für Normverletzungen".
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