Christoph Schulz bereist als digitaler Nomade die Welt und säubert Strände von Plastikmüll, der aus dem Meer kommt. Wir haben mit ihm über seine Arbeit gesprochen.
Herr Schulz, warum machen Sie das?
Christoph Schulz: Das Thema Plastikmüll im Meer wird noch unterschätzt und steht nicht genügend im Fokus. Ich möchte mit meinen Aktionen zeigen, dass es ganz einfach ist, seinen eigenen Beitrag zu leisten. Ich kann nicht alleine die Meere sauber halten, aber ich kann andere dafür begeistern.
Es ist ausserdem ein guter Weg, mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen und gemeinsam etwas zu bewegen. Ich möchte etwas in Gang setzen, einen Mehrwert schaffen für Leben und Umwelt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich habe eines Tages Bilder von Tieren gesehen, die aufgrund des Plastikmülls verendet sind. Pro Jahr sterben daran 100.000 Meeressäuger und eine Million Seevögel. Dieser Anblick hat mich nicht mehr losgelassen.
Wo haben Sie schon überall gesammelt?
2016 habe ich in Genua (Italien) den Strand gereinigt. 80 Prozent des Plastikmülls in den Meeren kommt jedoch aus den südostasiatischen Ländern.
Deswegen war ich auch einen Monat auf Sri Lanka. Dort habe ich gemerkt, dass ich viele Leute dafür begeistern kann, etwas gegen den Plastikmüll zu tun.
Jetzt muss sich natürlich nur noch zeigen, ob sich durch die Einsätze auch langfristig etwas verändert.
Ich kann erst seit etwa einem dreiviertel Jahr diese Aktionen finanzieren. Dafür habe ich meine Webseite "www.careelite.de", auf der ich Tipps zum plastikfreien Leben gebe und Produkte verkaufe. Da geht jeder Cent in die Reise- und Projektkasse.
Wie läuft so eine Aktion ab?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann einfach an den Strand gehen und anfangen, Müll zu sammeln. In Indonesien wird viel Reis angebaut, da kann man zum Beispiel die allgegenwärtigen Reissäcke als Mülltüten nehmen, die halten einiges aus. Oder man kauft einfach Mülltüten und legt los.
Häufig schliessen sich automatisch Leute an. Man wird relativ schnell als Tourist erkannt und die Einheimischen finden es meist sehr interessant, wenn jemand von ausserhalb den Strand aufräumt. So kommt man schnell ins Gespräch und bekommt Unterstützung.
Die zweite Möglichkeit braucht etwas Planung, macht aber noch mehr Spass. Am Strand gibt es meistens Surf-Schulen. Kommt man mit denen in Kontakt, unterstützen Mitarbeiter und Surf-Schüler einen gerne beim Aufräumen. Vielen Einheimischen fällt der Müll am Strand gar nicht mehr so sehr auf oder er wird einfach akzeptiert.
Ich stelle dann auch eine Facebook-Veranstaltung ins Internet, das zieht noch mehr Menschen an.
Zum Start der Aktion stecken wir ein Gebiet ab und hängen vielleicht noch ein Schild auf. Das lockt Leute an, die sich am Strand aufhalten.
Es funktioniert gut, wenn es eine Art gemeinsames Event ist. Die Leute schliessen sich an, sind auch stolz, dass sie dabei waren und teilen anschliessend Bilder im Internet. So erreicht man viele Leute.
Wo wird der Müll dann vor Ort entsorgt?
Das war in Sri Lanka tatsächlich sehr schwierig. Die Einwohner wussten nicht, wohin mit dem Müll. An den Stränden gab es keine Mülleimer, es gibt auch kein Pfandsystem. Den Bewohnern fehlt die Motivation, ihren Müll irgendwohin zu bringen.
Wir haben herumgesucht und schliesslich eine Stelle gefunden, an die ein Trecker kommt und Müllsäcke einlädt. Nach zwei Tagen wurde unser gesammelter Müll dann auch abgeholt.
Die Abfälle werden zu einer Recycling-Anlage gefahren. Die kann man aber nicht mit unseren vergleichen, der Müll wird hoch gestapelt, da die Anlagen einfach bei der Masse des Unrats nicht hinterher kommen.
Wie reagieren die Bewohner?
Bisher habe ich noch keine negativen Reaktionen erlebt. Die meisten sagen: "Cool, was du da machst". Es gibt aber auch viele, die uns nur zugucken und nicht selbst helfen - vermutlich, weil sie den Sinn dahinter nicht verstehen.
Da kommt das Bildungsproblem ins Spiel. Ich erkläre dann, warum wir das machen und versuche sie zu überzeugen, auch Müll zu sammeln.
Die Menschen in den Surf-Schulen und Bars verstehen meistens sofort, worum es geht und helfen gerne.
Was war das Schlimmste, das Sie bisher gesehen haben?
Der Strand in Weligama, Sri Lanka. Dort lag so viel Müll herum. Der kam auch direkt aus dem Fluss, der dort ins Meer mündet. Durch die Wellen gelangt der Abfall wieder an den Strand. Wir haben auf zwanzig Metern Strand ungefähr sechs Säcke Müll aufgesammelt.
Während wir das gemacht haben, kam ein Fischerboot vom Meer herein. Die Fischer haben ihre Trinkflaschen einfach auf den Boden geworfen. Ein Zeichen dafür, dass sie die Problematik nicht verstanden haben. Das war eine ziemlich prägende Erfahrung.
Haben Sie jemals den Mut verloren?
Nein, gar nicht. Ich will Menschen erreichen und ihnen klar machen, worin das Problem besteht. Neben dem Klimawandel ist Plastikmüll unser grösstes Umweltproblem.
Aber das Grundziel ist schwer messbar, deswegen kann ich auch schwer enttäuscht werden.
Ich bin aber glücklicherweise nicht der Einzige, der etwas gegen den Plastikmüll im Meer unternimmt. Solche Probleme können wir Menschen nur gemeinsam lösen.
Deswegen lasse ich mich davon auch nicht abbringen, auch wenn ich weiss, dass es noch sehr lange dauert, bis kein Plastik mehr ins Meer gelangt. Das ist ein ewiger Prozess. Aber je mehr Leute man erreicht, desto weniger Müll kommt ins Meer. Und das motiviert mich.
Welches Projekt steht als Nächstes auf Ihrem Plan?
Ab voraussichtlich September bin ich drei Monate in Indonesien. Das ist ein absoluter Herd für Müll - da gibt es viel zu tun.
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