Ein Erdbeben erschütterte die Mittelmeerküste. Verletzt wurde niemand - auch deshalb, weil dem Beben kein Tsunami folgte. Doch ist das Entstehen einer grossen Flutwelle im Mittelmeer überhaupt möglich? Ein Experte gibt Antwort.

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Ein starkes Erdbeben hat die spanische und marokkanische Mittelmeerküste erschüttert. Nach Angaben des Nationalen Geografie-Instituts in Spanien hatte das Beben eine Stärke von 6,3. Das Nachbeben wies eine Stärke von 5,3 auf. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS lag das Erdbeben 62 Kilometer nördlich der marokkanischen Stadt Al Hoceima - also mitten im Mittelmeer. Verletzt wurde dabei niemand. Auch, weil das Erdbeben keinen Tsunami nach sich zog.

Doch die Gefahr von Tsunamis im Mittelmeer sei durchaus real, wie der Geophysiker Prof. Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum Potsdam im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. "Alle Erdbeben, die unterseeisch auftreten, können grundsätzlich einen Tsunami auslösen. Jedoch müssen diese Erdbeben auch eine gewisse Stärke erreichen", sagt der Sektionsleiter für Erdbeben- und Vulkanphysik. "Ein Erdbeben von der Stärke 6,3 löst in aller Regel keinen starken Tsunami aus."

Wie entstehen Tsunamis?

Doch nicht nur durch Erdbeben allein können Tsunamis entstehen, sondern auch durch Hangrutschungen infolge von Erdbeben. Insbesondere da, wo die Meeresbodentopografie steil sei. Auch Vulkanausbrüche könnten zu Tsunamis führen. "All das ist im Mittelmeer schon aufgetreten", schildert er. "Dort, wo jetzt das Erdbeben war, ist die Meeresbodentopografie recht rau, sprich, Hangrutschungen sind wahrscheinlich."

Wie stark muss ein Erdbeben sein, um zu einer Katastrophe zu führen, wie in Südostasien im Dezember 2004? "Das Tsunamibeben vor Indonesien hatte eine Stärke gegen 9. Generell kann aber auch schon ein Erdbeben von der Stärke 8 einen Tsunami nach sich ziehen", erklärt Dahm. Manche Erdbeben könnten ganz effizient Tsunamis anregen, sogenannte tsunamigene Erdbeben. "Es kommt darauf an, ob der Erdbebenbruch bis zum Meeresboden läuft und diesen anhebt. Es hängt ganz entscheidend davon ab, ob sich der Meeresboden nach oben bewegt."

Tsunamis im Mittelmeer sind möglich

Es gibt viele mögliche Ursachen, doch wo ist die Gefahr am grössten? Dahms Antwort: in sogenannten Subduktionszonen. Also dort, wo ozeanische Erdkruste unter den Erdmantel abtaucht. Das sei zum Beispiel vor Japan, Südamerika, aber auch vor Indonesien der Fall. "Das sind alles sehr grosse Subduktionszonen, wo es starke Tsunamis gegeben hat", erzählt er. "Aber auch im Mittelmeer gibt es Subduktionszonen. Das Mittelmeer ist durchaus gefährdet."

Im Gegensatz zum Pazifik und Indischen Ozean gebe es dort aber kein operatives Tsunami-Frühwarnsystem. "Im Mittelmeer ist die Herausforderung grösser, weil die Vorwarnzeiten kleiner sind", sagt er. Hier werde laut Dahm auch die Entwicklung eines operativen Tsunami-Frühwarnsystems diskutiert. Und einzelne Länder implementieren Systeme, "das umfasst aber bisher nicht den gesamten Mittelmeerraum". Die Gefahr von Tsunamis im Mittelmeer ist also real, wenn auch bei Weitem nicht so gross wie vor den Küsten Südostasiens.

Der Geophysiker Prof. Torsten Dahm ist Sektionsleiter für Erdbeben- und Vulkanphysik am Geoforschungszentrum Potsdam. Dahm unterrichtete vor seiner Arbeit an der Universität in Potsdam unter anderem als Professor für Seismologie an der Universität in Hamburg und war zwischen 2005 und 2012 Chefredakteur des Journals für Seismologie.
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