Das Schuppentier ist den meisten wohl unbekannt - gleichzeitig aber das meistgehandelte Tier der Welt. Auf der Artenschutzkonferenz in Johannesburg sind die Tiere in den Fokus gerückt. Dort wurde der internationale Handel mit Schuppentieren aller Art verboten. Wir haben mit einem Ökologen vom WWF Deutschland über die Tiere und den illegalen Handel mit ihnen gesprochen.

Ein Interview

Herr Köhncke, Schuppentiere sind vielen noch immer unbekannt. Was zeichnet sie aus?

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Arnulf Köhncke: Es sind sehr faszinierende Tiere. Denn sie sind die einzigen Säugetiere mit Schuppen. Äusserlich erinnern sie an einen Tannenzapfen. Sie sind zudem einzigartig in ihrer Spezialisierung. Sie haben eine sehr lange Zunge, fressen Termiten und haben keine Zähne. Sie sind einfach sehr besondere Säugetiere.

Das Schuppentier, auch Pangolin genannt, ist das meistgehandelte Tier der Welt. Warum besteht so eine grosse Nachfrage nach ihm?

Die Tiere werden einerseits benutzt, weil ihnen eine medizinische Wirkung zugeschrieben wird. Da geht es vor allem um die getrockneten Schuppen. Diese werden in der traditionellen Medizin in Ost- und Südostasien verwendet, vor allem in China und Vietnam. Andererseits wird auch das Fleisch konsumiert. Es gilt in Teilen Asiens als besonders wohlschmeckend.

Die grösste Nachfrage kommt daher auch aus Asien. Sie hat dazu geführt, dass die Population der asiatischen Schuppentierarten zuerst stark zurückgegangen ist, weil sie illegal gehandelt wurden.

Dann waren die asiatischen Arten so weit dezimiert, dass es sich für die Wilderer mehr gelohnt hat, auf die afrikanischen Arten auszuweichen. So wurden diese im grossen Stil gewildert und dann über den Indischen Ozean nach Asien geschmuggelt und dort verkauft.

Auf der Weltartenschutzkonferenz in Johannesburg wurde das Handelsverbot für alle Pangolin-Arten beschlossen. Wie gross sind Ihre Hoffnungen, dass sich wirklich etwas ändern wird?

Der Beschluss, dass jetzt der Handel mit allen acht Schuppentierarten weltweit verboten ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das macht es für uns Naturschützer und für die Kollegen und Kolleginnen bei den Strafverfolgungsbehörden, also beispielsweise dem Zoll und der Polizei, einfacher, gegen den illegalen Handel mit Schuppentieren vorzugehen.

Man muss jetzt nicht mehr nachweisen, um welche Art von Schuppentier es sich handelt. Alle Arten sind im Handel verboten. Aber es wird wichtig sein, weiter konsequent gegen den illegalen Handel effektiv vorzugehen. Denn der Weltartenschutz kann nur den legalen Handel verbieten – der illegale besteht leider weiterhin.

Wie kann man da vorgehen?

Man muss weiter intensiv vor Ort daran arbeiten, dass weniger Tiere gewildert werden. Das geschieht vor allem durch effektive Patrouillenarbeit der Ranger und gute Strafverfolgung durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

Und es geht darum, die Nachfrage in Asien nach den Tieren zu verringern. Es war dort beispielsweise so, dass Schuppentierprodukte teilweise von der staatlichen Krankenkasse bezahlt wurden. Das ist jetzt nicht mehr möglich.

Wir haben also schon Hoffnung, dass der Beschluss etwas ändern wird. Ich war selbst auch bei der Konferenz vor Ort. Dort hat man gemerkt, wie stark Schuppentiere ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Können Sie beschreiben, wie der illegale Handel mit den Tieren abläuft?

Das wissen wir aus Ostasien ganz gut. Die Tiere werden in ihren natürlichen Lebensräumen eingesammelt. Das ist ja leider relativ einfach, denn sie haben nicht mal Zähne. Man muss sie also nur in einen Sack stecken und mitnehmen. Dann werden sie an Mittelsmänner verkauft, die dann grössere Mengen dieser Tiere anhäufen. Anschliessend werden sie an die Endabnehmer verkauft.

Zum einen an Restaurants, zum anderen an Menschen, die mit den Schuppen arbeiten. Teilweise werden sie tiefgekühlt gehandelt, teilweise werden die Schuppen noch vor dem Schmuggel vor Ort entfernt und getrocknet. In Asien werden sie teilweise lebendig gehandelt, weil man dann höhere Preise erzielen kann. Erst vor ein paar Tagen gab es die Nachricht, dass in Vietnam 149 Schuppentiere lebendig gerettet werden konnten.

Wie schlimm steht es um den Bestand der Tiere in Asien und in Afrika?

Über die Bestände aller Schuppentierarten ist leider nichts Genaues bekannt, ausser dass sie durch intensive Wilderei massiv abgenommen haben. Aber alle acht Arten stehen inzwischen als bedroht auf der Internationalen Roten Liste, zwei davon sogar als vom Aussterben bedroht.

Von welchen Grössenordnungen sprechen wir da?

Sie werden tonnenweise geschmuggelt. Wenn man wie im Juni diesen Jahres in Hongkong mehr als vier Tonnen getrocknete Schuppen findet, dann sind das pro Tier einer afrikanischen Art zwischen 600 Gramm und 3,6 Kilogramm Schuppen. Die Tiere sind nämlich je nach Art sehr unterschiedlich gross. Das heisst, vier Tonnen Schuppen sind bis zu 6.000 tote Schuppentiere.

Warum sind die Tiere so schützenswert?

Es wäre ein riesiger Verlust, wenn man sie nicht mehr hätte. Wegen der Menschen sind die Schuppentierbestände eingebrochen. Also liegt es auch in der Verantwortung der Menschen, alles Mögliche dafür zu tun, dass diese Tiere nicht verschwinden.

Und natürlich hat es auch aus ökologischer Sicht unabsehbare Folgen, wenn eine Art ausstirbt. Man weiss einfach zu wenig über die ökologische Rolle der Schuppentiere, beispielsweise als Insektenfresser. Man kann also nicht vorhersagen, was passiert, wenn es keine Schuppentiere mehr gibt.

Arnulf Köhncke ist Ökologe und Artenschutz-Experte beim WWF Deutschland.
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