Wenige Wochen vor der Abstimmung über die sogenannte Hornkuh-Initiative sind die Meinungen auch unter den Bauern geteilt. swissinfo.ch hat sich im Kuhstall eines Befürworters und eines Gegners umgesehen.

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Ein wesentliches Merkmal erhalten oder Verletzungen vermeiden? Die Volksinitiative "Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere" (Hornkuh-Initiative), über die am 25. November abgestimmt wird, spaltet auch die bäuerliche Gemeinschaft. Das Volksbegehren fordert die Einführung von Subventionen in der Verfassung für Züchter, die ihren Kühen die Hörner nicht entfernen lassen.

Der Schweizerische Bauernverband hat keine Abstimmungsparole gefasst. Der Westschweizer Bauernverband AGORA fordert die Ablehnung der Vorlage, die Kleinbauern-Vereinigung und Bio Suisse empfehlen die Annahme. swissinfo.ch hat zwei Bauern getroffen, die unterschiedliche Vorstellungen vom Tierschutz haben.

"Ich lasse die Hörner meiner Tiere entfernen, um gebrochene Hörner und Verletzungen zu vermeiden." Laurent Tornay bewirtschaftet mit seinen Söhnen ein Gut oberhalb von Orsières im Wallis. Um La Rosière, einen Weiler auf einer Höhe von 1100 Metern über Meer, zu erreichen, muss man einer kurvenreichen Strasse folgen und sich nicht allzu sehr von den immer steiler werdenden Hängen und der atemberaubenden Aussicht ablenken lassen.

Tornays Hof steht auf einem Hügel. "Es ist unmöglich, hier einen grossen Stall zu bauen", sagt er. Wenn seine 20 Kühe nicht auf der Weide grasen, sind sie im Stall angebunden. Die Milchkühe haben keine Hörner.

Die sechs Eringer-Kühe tragen hingegen prächtige Hörner: "Eine Eringer-Kuh ohne Hörner ist keine Kuh". Tornay erklärt, dass diese Rasse verwendet wird, um auf natürliche Weise zu kämpfen, um eine Hierarchie aufzubauen, aber dass Verletzungen selten seien. "Es sind sehr sanfte, ruhige Kühe, die auch mit Hörnern leicht zu handhaben sind."

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Tornay ist Präsident des Westschweizer Bauernverbands AGORA, der sich gegen die Initiative ausgesprochen hat, "weil es nichts mit der Verfassung zu tun hat". "Es ist die Freiheit aller, wir dürfen in dieser Frage keine Gesetze erlassen", sagt Tornay. AGORA stört sich auch am Finanzierungsmodell, das die Initiative vorsieht. Gemäss Text soll das Agrarbudget des Bundes nicht erhöht werden, so dass Mittel zur Unterstützung von Hornvieh-Züchtern aus anderen Subventionen für Landwirte entnommen werden müssten.

Banane oder Fortuna: In La Rosière hat jede Kuh einen Namen. Tornay liebt seine Tiere und er fühlt mit ihnen, wenn eine seiner Kühe verletzt wird. Deshalb beschloss er vor fast 20 Jahren, die Hörner der Tiere entfernen zu lassen. In diesem Sommer musste er den Tierarzt beiziehen, weil eine seiner Kühe, die mit gehörnten Kühen anderer Besitzer grast, an der Körperseite aufgeschlitzt wurde.

"Wir mussten nähen, acht Stiche. Es berührt mich, die Tiere sind mir ans Herz gewachsen", sagt Tornay. "Ohne Hörner sind die Kühe sanfter, das Verletzungsrisiko für sie und uns geringer. Trotzdem entwickelt sich aufgrund des Gebarens eine Hierarchie in der Herde, die durch Kopfstösse durchgesetzt wird." Kälber werden in den ersten Wochen enthornt. "Sie entwickeln sich auch ohne dieses Attribut normal".

Entscheidend sei, wie man mit den Kühen umgehe. "Hier werden sie verwöhnt. Im Stall werden sie täglich gebürstet", sagt Tornay.

"Hörner gehören zu den Säulen der Landwirtschaft"

"Für das Funktionieren einer Kuh spielen Hörner eine wesentliche Rolle", sagt Ueli Hurter, einer der Pioniere, die in der Schweiz die Zucht von Hornkühen im Laufstall entwickelten. 1989 übernahm er den Bauernhof "L'Aubier" in Montézillon im Kanton Neuenburg. Wenn sie nicht auf der Weide sind, bewegen sich seine 24 Kühe frei in einem grossen Innen- und Aussenbereich.


Sie gehen morgens und abends nacheinander und nach Lust und Laune in den Melkstand. Hurter führt den Betrieb wie einen "landwirtschaftlichen Organismus" gemäss den Grundsätzen der Biodynamik des Anthroposophen Rudolf Steiner. "Der Betrieb ist eine lebendige Einheit, mit einem Gleichgewicht zwischen der verfügbaren Fläche und der Anzahl Rinder", sagt Hurter.

Das Futter wird von den Tieren gefressen, wiedergekäut, verdaut und in Gülle umgewandelt, die auf die Felder gebracht wird, um die Pflanzen zu düngen. "Es ist ein geschlossener Kreislauf", sagt Hurter. "Die Erde verarmt nicht, sondern wird bereichert, dank der Gülle, die ihr Kraft verleiht."

Die Kuh ist eine der Säulen dieser Landwirtschaft, und ihre Hörner auch. Hurter nähert sich einem wiederkäuenden Tier: "Sie kaut konzentriert und mit Intensität, als ob sie ihr Futter degustieren würde". Der Züchter erklärt, dass durch das Wiederkäuen Gase in der Kuh freigesetzt werden, die in deren Nase und Stirn gelangen.

Hurter nimmt ein Horn aus der Tasche, um dessen Inneres zu zeigen: "Das Horn ist wie ein Knochen mit grossen Nebenhöhlen und intensiver Durchblutung. Weil die Hörner dicht sind, können die Gase nicht entweichen und gelangen mit dem Blut in Verbindung. Diese Lebenskraft wird vom Blut in die Verdauung transportiert und setzt sich schliesslich im Mist fest. Deshalb ist dieses Material so kraftvoll."

Diese Vision ist wissenschaftlich nicht belegt, gibt Hurter zu. Aber er ist überzeugt, dass Hörner wichtig sind, nicht nur für die Verdauung, sondern auch für die Kommunikation, damit die Tiere eine Hierarchie aufbauen können.

Das Halten von Kühen in Freilaufställen ist möglich, "aber man muss es wollen", sagt Hurter. "Man muss die Ställe anders einrichten, aufmerksamer sein, sich die Zeit nehmen, um in der Herde ein soziales Klima aufzubauen, den Rhythmus zu steuern."

Der Züchter kann Verletzungen nicht hundertprozentig vermeiden. Aber er versucht, diese zu begrenzen, indem er die Herde gut betreut und die Spitzen der Hörner einiger Kühe "wie bei der Pediküre" feilt. "Wenn man die Hörner entfernt, entfernt man einen Teil der Lebensweise, wie die Kuh mit der Aussenwelt in Kontakt steht. Sie stirbt langsam ab."


(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)  © swissinfo.ch

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