Normalerweise ist die botanische und zoologische Nomenklatur (Namensgebung für Pflanzen und Tiere) ein ziemlich ödes Geschäft. Es gibt ein exaktes Regelwerk mit 90 Artikeln, das die Benennung neuer Arten strikt festlegt. Es existieren aber auch skurrile Ausnahmen neben den trockenen, manchmal auch überlangen Bezeichnungen wie Gammara- canthuskytodermogammarus loricatobaicalensis. Und eben diese lustigen Tiernamen wollen wir Ihnen nicht vorenthalten.
Der Vorschlag Gammara- canthuskytodermogammarus loricatobaicalensis wurde übrigens von der Nomenklaturkommission in London für ungültig erklärt, weil er viel zu lang ist.
Bodybuilder, Filmheld und Gouverneur
Wegen ihres futuristisch wirkenden Tastorgans gaben die Forscher einer Spinne nach einer Schwarzenegger-Rolle die Bezeichnung Hortipes terminator. Ein Käfer heisst Agra schwarzeneggeri, weil sein Entdecker Terry L. Erwin folgende Ähnlichkeiten sah: "Der Familienname des Schauspielers Arnold Schwarzenegger ist eine Anspielung auf das aussergewöhnlich entwickelte (bizeps-artige) mittlere Schenkelglied der Männchen dieser Art."
Als "slime mold beetles" (zu deutsch: schleimig-schimmelige Käfer) beschrieben die beiden Forscher Quentin Wheeler und Kelly Miller ihre 65 entdeckten Arten. Seitdem heissen drei der Krabbeltiere Agathidium bushi, Agathidium cheneyi und Agathidium rumsfeldi.
Kurz nachdem Wheeler und Miller die Namen 2005 veröffentlicht hatten, warfen Zoologen ihren Kollegen prominente Unterstützung für Bush und seine Regierung vor. Wheeler wollte von einem möglichen politischen Bekenntnis nichts wissen, schliesslich habe er auch eine Art nach seiner Frau und eine andere nach "Star Wars"-Bösewicht Darth Vader benannt.
Für Oscar Scheibel war seine Widmung dagegen 1937 ein klares politisches Bekenntnis zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte: Er nannte einen in Slowenien vorkommenden Höhlenkäfer Anophthalmus hitleri (zu deutsch: augenloser Hitler). Oscar Scheibel bezeichnete sich zudem in seiner Erstbeschreibung als ergebener Nationalsozialist. Der Name des kleinen, braunen und blinden Käfers brachte diesem jedoch kein Glück. Sammler jagen den Käfer und zahlen bis zu 1000 Euro für das seltene Exemplar.
Grünen-Politiker Joschka Fischer ist Namensgeber für ein versteinertes Fossil: Der Frankfurter Stephan Schaal verlieh einer 47 Millionen Jahre alten Schlange die Bezeichnung Palaeopython fischeri. Damit wollte der Forscher Joschka Fischer danken, dass er 1991 als hessischer Umweltminister die Umwandlung der Grube Messel in eine Mülldeponie verhinderte.
Der Münchner Biologe Manfred Parth gab sich 1996 als Tennis-Fan zu erkennen. Er taufte eine Meeresschnecke auf den Namen Bufonaria borisbeckeri. "Ich widme die neue Art Boris Becker, dem meines Erachtens grössten deutschen Einzelsportler aller Zeiten", schrieb Parth in einem Artikel des Fachmagazins Spixiana.
Weil eine bestimmte Gruppe der Langbeinfliegen meistens in krumbeiniger Haltung stirbt, nannte sie ihr Entdecker nach dem Schauspieler Charlie Chaplin Campsicnemius charliechaplini. Chaplins Zeitgenossen "Dick und Doof" (Laurel und Hardy) wurden Namensgeber für Zikaden (Baeturia laureli und Baeturia hardyi). Das spinnenartige Höhlentier Draculoides bramstokeri hat einen direkten Bezug zu seiner Bezeichnung: Es saugt wie Dracula seine Opfer aus.
Um Namensgeber zu werden, muss man nicht mehr aussergewöhnliche Taten vollbringen. Bei der gemeinnützigen Organisation Biopat kann jeder mit dem entsprechenden Kleingeld die Bezeichnung einer nichterfassten Spezies festlegen. Für eine Spende von mindestens 2.600 Euro hat sich ein Mann namens Viktor Dulger offensichtlich seinen Traum erfüllt. Ein asiatischer Paradiestauchkäfer heisst jetzt Neptosternus viktordulgeri.
Eine Wassermilbe aus dem südamerikanischen Urwald wartet dagegen noch auf eine genaue Bezeichnung. Biopat preist die Spezies der Gattung Torrenticola mit dem Slogan "Kleine Monster aus dem Dschungel von Costa Rica" an. Auch ein Boophis-Frosch, eine Sinopoda-Spinne oder eine Norops-Echse warten auf Paten.
Biopat setzt die Spendengelder "für die taxonomische Forschung (Namensbestimmung) und den Erhalt biologischer Vielfalt" ein. Tausende von Tieren und Pflanzen warten noch auf ihre Bezeichnung. Biopat, das von Wissenschaftler aus Bonn, München, Eschborn, Frankfurt, Oldenburg, Würzburg und dem bolivianischen Casilla unterstützt wird, geht die Arbeit nicht so schnell aus.
Doch standen nicht nur Prominente für aussergewöhnliche Wissenschaftsnamen Paten. "Aa" heisst ein Weichtier und eine Orchideenart. Der Gattungsname "Zyzzyxdonta" für Schüsselschnecken steht genau am anderen Ende des Alphabets. Wie ein Aufschrei klingt Ia io, benennt aber eine Fledermaus.
Ausserdem gibt es eine Gruppe von Tieren, bei denen es die Forscher zu gut meinten. Bos taurus heisst zum Beispiel auf Latein nichts anderes als "Ochse Stier" und bezeichnet ein Rind. Ein Tautonom ist auch Sus scrofa (Sau Sau). Einen Gegensatz (Antinom) verewigten die Forscher im Namen für den Blauwal. Der lateinische Ausdruck Balaenoptera musculus kann sowohl "muskulöser Furchenwal", aber auch "Mäuschen-Furchenwal" bedeuten.
Eine Scheufliege trägt den Namen "Cinderella". Ein Hornfisch wurde als "Mephisto" bezeichnet. "Star Wars" stand bei der Grabwespe Polemistus chewbacca Pate und eine Krebstierfamilie heisst "Godzillius". Auch wenn die Nomenklaturkommission in London die Vorschläge der Wissenschaftler nach strengen Regeln bewertet, haben die Forscher genug Spielraum für Kreativität.
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