Der eine wirft sich in Schale, ein anderer dem süssen Mädchen in der U-Bahn schmachtende Blicke zu: Es ist Frühling, Zeit der Schmetterlinge im Bauch - und der Flirtrituale. Stöckelschuh und Sportwagen hin oder her, neu erfunden hat der Mensch das Balzen nicht.

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Viele verausgaben sich bis zur völligen Erschöpfung und manche verlieren gar ihren Kopf: Der Liebesreigen der Tiere wirkt bizarr, spektakulär, mitunter auch mühselig. Warum schleppt der Pfau einen hinderlich üppigen Schwanz umher? Warum geniessen Gottesanbeter-Männchen nicht lieber fröhlich ihr Dasein, als gleich beim ersten Sex ihr Haupt einzubüssen?

Immer geht es darum, seine Erbinformation möglichst gut und häufig in die nächste Generation zu bringen, bevor das eigene Lebenslicht erlischt. Wissenswertes zum tierischen Liebesleben:

Kampf der Geschlechter

Männlein und Weiblein verfolgen bei der Partnerwahl prinzipiell das gleiche Ziel: möglichst viele Nachkommen. Sie haben aber unterschiedliche Wege, dies zu erreichen. "Männchen können potenziell sehr viel mehr Nachkommen haben - je mehr Weibchen sie rumkriegen, desto mehr Nachkommen haben sie", erklärt der Zoologe Gerhard Haszprunar, Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB).

Daher sei die Paarungsstrategie der Männchen bei fast allen Arten auf Polygamie ausgerichtet, die der Weibchen dagegen mehr auf Qualität als Quantität. "Aus diesem Spannungsverhältnis ergeben sich alle möglichen Varianten", erklärt der Biologe. "Die Auswahl trifft allerdings fast immer das Weibchen." Auch beim Menschen werde das deutlich: "Darum schenken die Männer den Frauen die Blumen zum Hochzeitstag und nicht umgekehrt."

Signale der Macht

Das üppige Pfauenrad, ein mächtiges Hirschgeweih: Signale, die Kraft und Gesundheit ihres Trägers zeigen sollen, gibt es im Tierreich zuhauf. Die meisten solcher Merkmale geben ehrlich Auskunft über die Fitness, wie Haszprunar sagt. Schummelei werde von der Evolution gnadenlos abgestraft. "Das Weibchen will ja wirklich den Besten haben für seine begrenzte Zahl an Nachkommen."

Die Damen hätten derlei Prahlerei in der Regel nicht nötig, weil sie sowieso immer begehrt würden. "Männchen tun sich darum mit dem Selbst-Repräsentieren leichter und können es meist auch besser, das sieht man ja auch beim Menschen."

Strategiespiele

Grösse gegen Gewitztheit: Weibchen wählen oft strategisch klug, wie ihr Partner sein sollte. "Für eine grosse, starke Hirschkuh ist es sinnvoll, sich mit dem Kräftigsten, dem Platzhirsch, zu paaren - in diesem Fall ist durchsetzungsfähiger männlicher Nachwuchs zu erwarten", erklärt Haszprunar. Bei einem schmächtigen Weibchen aber zähle der Nachwuchs wahrscheinlich ohnehin nicht zu den Stärksten.

"Es ist dann vielleicht die bessere Idee, den Schlauesten als Vater zu wählen, der es schafft, zum Zuge zu kommen, obwohl er nicht der Stärkste ist." Für den Platzhirsch bedeute es immensen Stress, solche Techtelmechtel zu verhindern. "Darum hält er auch höchstens eine Saison durch oder zwei."

Auf ähnliche Schummeleien gibt es bei Beutelmeisen (Remiz pendulinus). "Beide Partner sind darauf aus, möglichst rasch zu verschwinden und noch ein weiteres Gelege an den Start zu bringen", erklärt die Evolutionsbiologin Claudia Fricke von der Universität Münster. "Das Weibchen versucht darum geheim zuhalten, wie viele Eier es schon gelegt hat - und das Männchen versucht, doch immer mal hineinzulugen."

Wer zuerst verschwindet, sobald das Gelege vollzählig ist, lässt den anderen demnach als Gelackmeierten zurück: Er - oder sie - muss sich um den Nachwuchs kümmern und bekommt zumindest in dieser Saison keine zweite Chance auf Fortpflanzung.

Gewalt in der Ehe

Wenn es um den Fortbestand des eigenen Erbguts geht, können Männchen durchaus rabiat werden: Oft bleibt es wie bei Seeottern oder Rotwild bei wilder Anmache. Seeelefanten aber erzwingen von den weit kleineren Weibchen Sex - auch Orang-Utans tun dies häufiger. Erpel schrauben sich mit Korkenzieher-Penissen regelrecht in Weibchen hinein - die dies mit einer anders herum gewundenen Vagina erschweren, wie Fricke erklärt.

Bettwanzen besitzen nadelartige Penisse, und bei manchen Käferweibchen zeugen Narben von rabiaten Zugriffen ihrer mit bedornten Penissen ausgestatteten Partner. "Sich so oft wie möglich zu paaren ist für Männchen immer positiv - für Weibchen oft nicht", erklärt Fricke "Das sorgt für Konflikte."

Geschenke

Nicht nur Gewalt, auch Präsente sind im Tierreich fast immer Männersache. Bei Pinguinen sind es kleine Steinchen, die das Herz einer Dame dahinschmelzen lassen. Laubenvögel bauen prachtvolle Liebespavillons, die sie mit Kieseln, Federn oder anderen Fundsachen schmücken.

Listspinnen-Männchen bringen ein eingewickeltes Beuteinsekt mit - und verhindern so, selbst zum Opfer der Holden zu werden. Ist vom Mitbringsel nach vollzogenem Akt noch etwas übrig, schnappt es sich das Männchen mitunter - und versucht, mit dem neu verpackten Rest bei einer weiteren Spinnendame zu landen.

Subtile Einflussnahme

Vor allem für Fruchtfliegen wurde bereits gezeigt: Der Protein-Cocktail der Spermienflüssigkeit kann das Verhalten des damit versehenen Weibchens erheblich beeinflussen. Die Fliegen verpaaren sich nicht so rasch wieder, reagieren abweisender auf weitere willige Männchen, erklärt Fricke. Zudem erhöhten die Ejakulatproteine sowohl die Fress- als auch die Eiablagerate.

"Das Verhalten wird nicht unbedingt zum Vorteil des Weibchens verändert." Dem Männchen ist der damit einhergehende frühere Tod seiner Gespielinnen biologisch gesehen egal: Es hat möglichst viele Nachkommen in die Welt gesetzt, Erfolge der Konkurrenz verhindert – und ist schon auf dem Weg zu neuen Abenteuern. "Cost of Mating" nennen Biologen das Phänomen.

Nebenbuhler

Rivalenkämpfe kosten Energie - und manchmal gar das Leben. Eine gewitzte Art, sie zu umgehen, habe sich bei manchen Fischarten und beim Kampfläufer entwickelt, sagt Fricke: Männchen, die wie Weibchen aussehen. Während die Konkurrenz noch rangelt, schleichen sie sich an die Damen heran. Auch bei Sonnenbarschen sieht ein Teil der Männchen weiblich aus und schafft es so, sich vom Rivalen geduldet anzuschleichen und die Eier der Barschdame zu befruchten.

Ebenfalls weit verbreitet sind Massnahmen zur Beseitigung von Spermien der Konkurrenten: Bei Libellen und Heckenbraunellen, einer Vogelart, versuchen die Männchen, das Sperma des Vorgängers erst mal aus dem Genitaltrakt zu fummeln, auch Drohnen (männliche Honigbienen) beseitigen die Spuren ihres Vorgängers.

Katholische Ideale

So verklärt sie oft wird, die treue Liebe unter Tieren: "Eine lebenslange Einehe nach katholischem Ideal gibt es im Tierreich ganz selten", betont Haszprunar. "Nur etwa drei Prozent der Säugetierarten leben wirklich monogam." Die Gibbons gehören dazu und die Azara-Nachtaffen - der Mensch eher nicht. "Es stammen 20 bis 25 Prozent der ehelichen Kinder nicht vom jeweiligen Ehemann."

Besonders munter gehe es bei Schimpansen zu. "Diese Gruppenpromiskuität dient nicht allein der Reproduktion, sondern hat wichtige soziale Funktionen." Eine lange Paarbindung mache vor allem dann Sinn, wenn der Nachwuchs lange betreut werden muss - und Menschenkinder seien so lange hilflos wie sonst kein Junges. "Sie kommen als physiologische Frühgeburt auf die Welt, weil der grosse Kopf sonst nicht mehr durchs mütterliche Becken passen würde." Erst ab etwa acht Jahren seien Naturvolk-Kinder in der Lage, sich gut selbst zu versorgen.

Treu wie Gold

Als Paar zu leben bedeutet nicht zwingend, als Paar Nachwuchs zu zeugen. Meisen zum Beispiel haben zwar feste Partner, sind aber alles andere als treu. Ein paar Arten gibt es aber doch, bei denen Liebespaare lebenslang nicht voneinander lassen mögen. Sarus-Kraniche und Sturmvögel zählten dazu, sagt Fricke.

Weniger das Wollen als das Nicht-Mehr-Können entscheidet bei Tiefseeanglerfischen über den lebenslangen Verzicht auf Trennung: Die Männchen verschmelzen mit den Weibchen und leben fortan als parasitische Warze. Ähnliches passiert beim "Zeus-Bug", einer Wasserläufer-Art: "Das Weibchen sondert während der Paarung Drüsensekrete ab, von denen sich das auf dem Rücken reitende Männchen bis zu einer Woche ernähren kann: Transport, Fressen und Sex – ein männliches Schlaraffenland", ergänzt Haszprunar.

Es geht so oder so

Manche Vögel sind flexibel: Ein Partner oder mehrere - beides ist für beide Geschlechter der Heckenbraunelle je nach Lage der Dinge eine Option. "Die Weibchen paaren sich bis zu 100 Mal am Tag", sagt Fricke. Polyandrie - Vielmännerei - sei bei Vögeln generell weit verbreitet.

Aber auch Verzicht zugunsten der Verwandtschaft kommt vor: Bei manchen Vogelarten etwa hilft bei Ressourcenmangel ein Geschwisterkind aus der vorigen Saison den Eltern bei deren Kükenaufzucht, statt eigene Junge grosszuziehen.

Es geht auch ohne

Als Ausnahmeerscheinung gelten die Bdelloid-Rädertierchen: Sie hatten seit 80 Millionen Jahren keinen Sex mehr. Manche Wirbellose wie Wasserflöhe und Blattläuse können sich sowohl sexuell als auch mit unbefruchteten Eizellen fortpflanzen.

Über diese Parthenogenese setzten die Weibchen oft besonders viele Nachkommen in die Welt, erklärt Haszprunar. Auf Sex werde gesetzt, wenn genetische Variabilität gefragt ist - etwa bei vielen Parasiten in der Umgebung.

Es geht nur einmal

Sterben nach dem ersten Sex: Das ist kein seltenes Phänomen. Bei Spinnen und Gottesanbeterinnen neigen die Weibchen dazu, den Gespielen nach vollbrachtem Akt aufzufressen - oder auch gern mal schon davor. "Manche Antilopenmännchen fressen während der Paarungszeit so wenig, dass sie sterben", ergänzt Fricke.

Von einigen Beuteltieren ist bekannt, dass die Männchen Sex mit so vielen Weibchen wie möglich haben, bis sie tot umfallen. Auch Drohnen verenden direkt nach der Paarung, bei der ihnen der Geschlechtsapparat explosionsartig abhanden kommt. Doch ihr Einsatz lohnt: Die sechs bis sieben Millionen Spermien einer befruchteten Königin können mehr als sieben Jahre überdauern. "Beim Menschen schaffen sie das nur ein paar Tage."

Mal ♂, mal ♀

Bestimmte Fischarten wechseln ihr Geschlecht. "Und zwar gar nicht so wenige", sagt Haszprunar. Als kleiner Fisch kann es zum Beispiel besser sein, als Weibchen zu leben. "Weil man gegen grosse Nebenbuhler ohnehin keine Chance hätte." Zu stattlichen Tieren herangewachsen würden die Fische dann zum Mann.

Auch der umgekehrte Fall könne Sinn machen - weil Spermien kleiner sind als Eier. "In einem grösseren Weibchen ist mehr Platz." Pilzlederkorallen werden in schwierigen Zeiten zum Männchen, um die Energie für die Eiproduktion einzusparen. Bei besseren Umweltbedingungen vermögen sie sich auch wieder zur Dame zu wandeln.

Zugleich ♂ und ♀

Viele Landschnecken und Plattwürmer sind beides, Männchen und Weibchen zugleich - womit ein verzwicktes und oft auch brutales Liebesleben vorprogrammiert ist. "Zwittertum ist wegen der ganzen gegensätzlichen Ansprüche von vornherein nicht ideal", sagt Haszprunar. Spermien sind energetisch deutlich günstiger zu haben als Eizellen und Trächtigkeit. "Darum ist jeder Zwitter eigentlich lieber Männchen." Auch wenn die Natur mit einer Fülle von Regeln und Tricks die weibliche Rolle stütze: "Es bleibt eine Krückenkonstruktion."

Nur♀

Ganz ohne Männer geht es nicht? Oh doch - der Amazonenkärpfling macht es vor. Bei den lebendgebärenden Fischen seien nur Weibchen bekannt, erklärt Fricke. Diese benötigen zwar das Sperma von Männchen nah verwandter Arten, um die Entwicklung der Eizellen anzuregen - das Genmaterial darin bleibt aber ungenutzt. Eine lediglich aus Männchen bestehende Tierart gibt es nicht, wohl aber eine, bei der die Brutpflege komplett Männersache ist: das Seepferdchen.

Typisch Mensch

So tierisch er sich oft benimmt, in entscheidenden Punkten hat sich der Mensch von biologischen Vorgaben abgekoppelt - mit den verschiedenen Möglichkeiten der Verhütung zum Beispiel. Der sogenannten Mem-Theorie zufolge gibt es zudem Menschen, die zugunsten einer Werteweitergabe prinzipiell auf Nachwuchs verzichten. "Der Katholizismus etwa setzt auf Meme statt Kinder, buddhistische Mönche ebenso", erklärt Haszprunar. "Bei keinem einzigen Tier gibt es etwas Vergleichbares."  © dpa

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