Grundwasser liefert Wasser für Landwirtschaft und Industrie, vor allem aber liefert es Trinkwasser für die Menschen. Allerdings sinken die weltweiten Grundwasserspiegel vielerorts immer schneller. Beispiele zeigen, dass es auch anders gehen kann.
Die globalen Grundwasservorkommen schwinden - und zwar vielerorts mit zunehmendem Tempo. Das schliesst ein internationales Forschungsteam aus der Analyse von 170.000 Messreihen in mehr als 40 Ländern weltweit. Demnach fällt in jedem achten der fast 1.700 geprüften Grundwassersysteme - auch Aquifere genannt - der Wasserspiegel um mehr als einen halben Meter pro Jahr. Das gilt insbesondere für trockene Regionen, die landwirtschaftlich stark genutzt werden.
Die Studie zeigt aber, dass der Trend gebremst und sogar umgekehrt werden kann.
Grundwasserpegel sank in Erhebungszeitraum teils deutlich
"Grundwasser ist die Hauptwasserquelle für viele Haushalte, Bauernhöfe, Industrien und Städte in der ganzen Welt", schreibt die Gruppe um Scott Jasechko von der University of California in Santa Barbara und Hansjörg Seybold von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachblatt "Nature". "Nicht nachhaltige Entnahmen von Grundwasser und Klimaveränderungen können dafür sorgen, dass Grundwasserspiegel fallen und den Zugang zu diesen Ressourcen erschweren."
In der bisher grössten Untersuchung zur Entwicklung der globalen Grundwasserspiegel wertete die Gruppe Daten von 170.000 Messreihen über mindestens acht Jahre im 21. Jahrhundert aus. In gut einem Drittel (36 Prozent) der 1.693 untersuchten Grundwassersysteme sank der Spiegel pro Jahr um mehr als zehn Zentimeter, in zwölf Prozent sogar um mehr als 50 Zentimeter.
Einen Spitzenwert erreicht demnach eine Region im Nordost-Iran mit einem durchschnittlichen Rückgang um 2,62 Meter pro Jahr, in Teilen von Indien und der USA fallen manche Spiegel um weit über einen Meter jährlich. In Europa wird ein Grundwassersystem in Südostspanien genannt - im Norden der landwirtschaftlich stark genutzten Region Murcia: Dort fiel der Spiegel um 1,60 Meter pro Jahr. Starke Rückgänge verzeichnen laut Seybold auch andere Gebiete in Südostspanien, die Obst und Gemüse für weite Teile Europas produzieren.
Tempo des Sinkens hat Forschungsteam "schockiert"
Vergleiche mit Daten aus dem späten 20. Jahrhundert zeigen, dass die Absenkung der Wasserspiegel in 30 Prozent der Grundwassersysteme im 21. Jahrhundert zugenommen hat. In einem Grossteil davon - 80 Prozent - waren geringere Niederschläge daran zumindest beteiligt.
"Dass die Grundwasserpegel weltweit stark gesunken sind, hat uns nicht überrascht", wird Seybold in einer ETH-Mitteilung zitiert. "Aber das Tempo, mit dem sie seit dem Jahr 2000 sinken, hat uns schockiert." Ein Grund für das rasche Absinken gerade in Trockengebieten ist demnach, dass diese Gegenden intensiv landwirtschaftlich genutzt werden und viel Grundwasser zur Bewässerung der Kulturen an die Oberfläche gepumpt wird, nicht nur in Südostspanien, sondern auch beispielsweise im Central Valley in Kalifornien.
Massnahmen können wirksam gegensteuern
Allerdings gibt es auch gegenläufige Trends: "Unsere Analyse der Grundwasserspiegel deutet darauf hin, dass Grundwasserverluste weder universell noch unvermeidlich sind", schreibt die Gruppe. Denn bei einem guten Drittel (36 Prozent) jener 542 Systeme, für die die Daten bis ins 20. Jahrhundert zurückreichen, schwächte sich der Rückgang seit dem Jahr 2000 entweder ab (20 Prozent) oder kehrte sich sogar um (16 Prozent) - teilweise infolge politischer Massnahmen, die die Wasserentnahme regulierten.
Als Beispiele nennt die Gruppe etwa Regionen in Saudi-Arabien, im Westen des Irans und im Becken von Bangkok. Ein weiteres Positivbeispiel aus Europa: Das Genfer Grundwassersystem versorgt rund 700.000 Menschen im Kanton Genf und im benachbarten französischen Departement Haut-Savoye mit Trinkwasser. Als daraus in beiden Ländern unkoordiniert Wasser hochgepumpt wurde, sank der Spiegel zwischen 1960 und 1970 so drastisch, dass Brunnen versiegten. Daraufhin einigten sich die Schweiz und Frankreich, Wasser aus dem Fluss Arve zuzuführen, um den Grundwasserspiegel anzuheben. "Den ursprünglichen Stand hat dieser Aquifer zwar nicht mehr erreicht, aber trotzdem zeigt dieses Beispiel: Es muss nicht sein, dass Grundwasserspiegel nur sinken", betont Seybold.
Dass die Umleitung von Wasser mitunter problematisch ist, zeigt das Beispiel von Tucson im US-Bundesstaat Arizona. Um dort den Grundwasserspiegel zu stabilisieren, wird dem Colorado-River Wasser entnommen. Doch dieser Fluss - dem Wasser auch zu anderen Zwecken abgezapft wird - erreicht inzwischen nur noch selten sein Mündungsgebiet im Golf von Kalifornien.
Rückgang der Grundwassersysteme liegt durchschnittlich bei 20 Zentimetern pro Jahr
Insgesamt ist der weltweite Gesamttrend klar negativ: Über alle sinkenden Grundwassersysteme hinweg liegt der Rückgang im Mittel bei 20 Zentimetern pro Jahr, bei den zunehmenden Systemen steigt der Spiegel nur um 5 Zentimeter. Und die stark vom Rückgang betroffenen Regionen liegen überwiegend in trockenen Klimazonen - das erschwere selbst bei nachlassendem Wasserverbrauch das Auffüllen des Grundwassers beträchtlich. "Man muss einsehen, dass Grundwasserleiter in Halbwüsten und Wüsten oft hunderte Jahre brauchen, um sich erholen, schlicht, weil dort zu wenig Regen fällt, der ins Grundwasser einsickern könnte", sagt Jasechko.
Eine weitere Gefahr droht an Küsten. Sinkt das Grundwasser dort unter ein gewisses Mass, kann Meerwasser eindringen. Dieses versalzte Wasser ist sowohl als Trinkwasser als auch zur Bewässerung von Feldern unbrauchbar. Bäume, deren Wurzeln in den Grundwasserstrom reichen, sterben ab. Beobachten lässt sich das Phänomen an der Ostküste der USA: Dort gibt es ausgedehnte sogenannte Geisterwälder, in denen kein Baum mehr lebt.
Seybold nennt neben der Wasserversorgung noch einen weiteren Grund dafür, sinkende Grundwasserspiegel zu stabilisieren - etwa in der Region Bangkok: "Wenn das Grundwasser weg ist, droht der Boden dort abzusinken", sagt der Experte. "Das ist dann noch ein viel grösseres Problem."
In einem "Nature"-Kommentar betont Donald John MacAllister vom British Geological Survey, Grundwasser sei essenziell für die Wasser- und Lebensmittelversorgung der Menschheit - insbesondere angesichts des Klimawandels. Die Menge der in der Studie analysierten Daten sei beispiellos und liefere wichtige Informationen zu einzelnen Weltregionen. Allerdings gebe es mancherorts noch grosse Lücken, etwa in Südamerika, Südostasien und Afrika - und genau jene Regionen hätten derzeit ein grosses Bevölkerungswachstum. Die Beobachtung der essenziellen Ressource Wasser müsse dringend verbessert werden. (Walter Willems, dpa/sbi)
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