• Ein Berichtsentwurf des Weltklimarates IPCC prognostiziert mehr Hitzewellen, Hunger und Verlust von Lebensräumen.
  • Dies habe demnach "irreversible Auswirkungen auf Menschen und ökologische Systeme".
  • Der Mensch ist dabei der grösste Leidtragende der von ihm selbst verursachten Krise.

Mehr Umwelthemen finden Sie hier

Mehr Hitzewellen, mehr Hunger, überschwemmte Küstenorte, Artensterben - ein Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens hat nach Einschätzung des Weltklimarates IPCC "irreversible Auswirkungen auf Menschen und ökologische Systeme".

Im Entwurf zu einem umfassenden IPCC-Bericht, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, gehen die Experten davon aus, dass eine Erderwärmung um zwei Grad 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen aussetzt.

Zudem sieht der Berichtsentwurf bis zum Jahr 2050 ein Hungerrisiko für acht bis 80 Millionen Menschen zusätzlich. Das Ausmass dieses Risikos sei abhängig von der Entwicklung bei den Treibhausgasemissionen, heisst es in dem Entwurf weiter.

Der Mensch ist der grösste Leidtragende der von ihm selbst verursachten Krise

Der Zusammenbruch ganzer Ökosysteme, Wasser- und Lebensmittelknappheit und Krankheiten als Folgen der Erderwärmung werden dem Berichtsentwurf zufolge in den kommenden Jahrzehnten immer schneller zunehmen - auch wenn es den Menschen gelingt, ihren Treibhausgasausstoss zu reduzieren. Dabei sei der Mensch letztlich der grösste Leidtragende der von ihm selbst verursachten Krise.

"Das Leben auf der Erde kann sich von einem drastischen Klimaumschwung erholen, indem es neue Arten hervorbringt und neue Ökosysteme schafft", heisst es in der 137-seitigen technischen Zusammenfassung des Berichtsentwurfs. "Menschen können das nicht."

Die Erde hat sich seit dem vorindustriellen Zeitalter bereits um 1,1 Grad erwärmt. Das Pariser Abkommen soll die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber 1,5 Grad beschränken.

Bereits für eine Erwärmung um zwei Grad zeichnet der IPCC-Berichtsentwurf schwerwiegende globale Folgen für Mensch und Natur. Derzeit steuert die Erde aber sogar auf eine Erwärmung um rund drei Grad zu.

Klimawandel verursacht einen globalen Ernterückgang

Schon in den vergangenen 30 Jahren hat der Klimawandel den Angaben zufolge einen globalen Ernterückgang um vier bis zehn Prozent verursacht - in Afrika und Südamerika ist der Rückgang noch deutlicher. Auf die weiteren bevorstehenden Veränderungen ist die Welt den IPCC-Experten zufolge schlecht vorbereitet.

"Das Schlimmste kommt erst noch und wird das Leben unserer Kinder und Enkel viel mehr betreffen als unseres", heisst es in dem IPCC-Papier. Bis 2050 werden demnach bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad rund 350 Millionen Bewohner von Ballungsräumen wegen schwerer Dürren unter Wassermangel leiden. Bei einer Zwei-Grad-Erwärmung wären es sogar 410 Millionen Betroffene.

Küstenstädte rückten an die "Frontlinie" der Klimakrise, weil sie immer häufiger von Stürmen getroffen würden, die wegen steigender Meeresspiegel noch gefährlicher seien. "Der derzeitige Stand der Anpassung wird unangemessen sein, um künftigen Klimarisiken zu begegnen", heisst es in dem Berichtsentwurf.

Auch Europa bekommt die Folgen zu spüren

Besonders stark betroffen von den Klimafolgen sind laut Weltklimarat arme Länder. Aber auch Europa werde die Folgen zu spüren bekommen: Die dortigen Schäden durch Überflutungen würden sich bis zum Ende des Jahrhunderts auch bei einem hohen Mass an Anpassungsmassnahmen deutlich erhöhen, prognostizieren die Berichtsautoren auf Grundlage internationaler Studien.

Die Zahl der Menschen in Europa mit einem hohen klimabedingten Sterberisiko wäre demnach bei einer Erderwärmung um drei Grad drei Mal so hoch wie bei 1,5 Grad, insbesondere in Zentral- und Südeuropa. Ausserdem dürfte Europa dem IPCC zufolge mit mehr Hilfesuchenden aus Afrika und zunehmend mit von Mücken übertragenen Krankheiten wie Malaria, Dengue oder Zika konfrontiert sein.

Darüber hinaus weist der Berichtsentwurf auf die Gefahr hin, dass sogenannte Kipp-Punkte erreicht werden könnten, ab denen eine massive Beschleunigung des Klimawandels nicht mehr aufzuhalten ist - etwa durch das Schmelzen des Eisschildes in Grönland und der Westantarktis.

Dennoch betonen die Berichtsautoren, dass jeder "Bruchteil eines Grads Erwärmung" zähle. Klimaschutzmassnahmen zahlten sich insbesondere in der zweiten Jahrhunderthälfte aus und könnten die Menschheit vor dem Aussterben bewahren.

Lebensweise und Konsum müssen neu definiert werden

Nötig sei, dass Individuen, Gemeinden, Unternehmen und Regierungen nun einem Konzept der "Klimagerechtigkeit" folgten, mahnen die Berichtsautoren in ihrem Entwurf. "Wir müssen unsere Lebensweise und unseren Konsum neu definieren."

Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wertet für Entscheidungsträger in aller Welt wissenschaftliche Studien zum Klimawandel aus und formuliert Schlussfolgerungen als Handlungsorientierung für seine rund 195 Mitgliedstaaten. Bei dem rund 4000 Seiten starken Berichtsentwurf handelt es sich um die vorläufigen Ergebnisse der IPCC-Arbeitsgruppe II, welche die Folgen der Erderwärmung beleuchtet.

Die Endfassung des Berichts, an dem mehr als 700 Fachleute mitarbeiten, soll nicht vor Februar veröffentlicht werden. Zuvor findet bereits im Oktober der UN-Biodiversitätsgipfel und im November die UN-Klimakonferenz statt.  © AFP

Europa: Herbst und Winter waren 2020 so warm wie noch nie

Der Sommer war viel zu trocken und der Winter viel zu mild. Das Jahr 2020 bricht den Temperaturrekord: So warm war es in Europa noch nie. Das geht aus dem jüngsten Klima-Report des europäischen Klimawandeldienstes Copernicus (C3S) hervor.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.