Viele Sex-Praktiken von Tieren muten ungewöhnlich an. Da gibt es erzwungenem Beischlaf, künstliche Keuschheitsgürtel, Kannibalismus nach dem Beischlaf oder Selbstbefruchtung. Für letztere Praxis ist der Plattwurm Macrostomum bekannt, der für die Fortpflanzung vor nichts zurückzuschrecken scheint.

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Wenn die Plattwurmart Macrostomum keinen Partner findet, greift das Tier zu einer drastischen Massnahme: Der Wurm injiziert sich in Ermangelung eines Sexualpartners selbst die Spermien. Er spritzt sich mit seinem nadelartigen männlichen Geschlechtsorgan das eigene

Sperma in den Kopf, wie Forscher im britischen Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B" beschreiben. Es wandert dann durch den Körper zu den Eiern und befruchtet sie. Dieser Vorgang kann besonders gut unter einem Mikroskop beobachtet werden, diese Plattwürmer sind nämlich fast durchsichtig.

Die Forscher entdeckten ausserdem, dass sich die Spermien vorwiegend in den hinteren Körperregionen befinden, wenn die Tiere in Gruppen gehalten werden. Bei isolierten Plattwürmern befinden sich die meisten Spermien am vorderen Teil direkt im Kopf.

Antarktische Seelöwen missbrauchen Pinguine

Im Jahr 2006 machten Wissenschaftler bei antarktischen Seelöwen auf Marion Island im südlichen Indischen Ozean eine ungewöhnliche Entdeckung: Die Seelöwen hatten Sex mit Pinguinen. Eigentlich sind die Wasservögel Nahrung für die Robben - doch in vier Fällen vergingen sich die Jäger sexuell an ihren Opfern, wie die Forscher 2014 in der in der Zeitschrift "Polar Biology" berichteten. Die Tiere jagten ihre Beute wie gewohnt, im Anschluss kam es zu den Übergriffen.


Warum sich die Tiere so verhalten, ist bislang unklar. Die Wissenschaftler Nico de Bruyn und William Haddad, vom "Mammal Research Institute" der Universität Pretoria in Südafrika nehmen an, dass die Seelöwen das Verhalten von anderen Artgenossen erlernen. Ein Video dieser "Vergewaltigungen", welches die Forscher veröffentlicht hatten, verstörte viele Menschen.

Vergewaltigung ist im Tierreich keine Seltenheit

Was für die Öffentlichkeit schockierend wirkt, ist im Tierreich keine Seltenheit, wie das Beispiel der Grossen Tümmler, einer Delfinart, zeigt. So beobachteten Forscher vor der Küste Westaustraliens immer wieder brutale Gruppenvergewaltigungen. Dabei umzingelten mehrere Männchen einzelne Weibchen, hinderten diese an der Flucht und vergingen sich sexuell an ihnen.

Doch nicht nur bei Delfinen, auch bei Schafen, Fledermäusen und Stockenten wiesen Forscher dieses Verhalten nach. Vor allem männliche Artgenossen attackieren zum Beispiel Stockentenweibchen oft so heftig, dass sich die Fortpflanzung zu einem Kampf zwischen Leben und Tod entwickelt. Bis zu zehn Prozent der Weibchen ertrinken bei den Übergriffen der Erpel, schätzen Experten. Dahinter vermutet die Forschung allerdings keine grausame Absicht, sondern lediglich eine aggressive Fortpflanzungsstrategie: Den Männchen geht es darum, ihre Gene so erfolgreich wie möglich weiterzugeben – auch auf Kosten der weiblichen Enten.


Kannibalismus nach dem Beischlaf

Es geht allerdings für menschliche Verhältnisse noch eine Stufe grausamer – vor allem bei Insekten und Spinnentieren. Hier sind etwa 80 Arten bekannt, beispielsweise Skorpione, Gottesanbeter und einige Mücken, die ihre Geschlechtspartner nach oder während des Fortpflanzungsaktes verspeisen.

Vor allem bei vielen Spinnenarten überlebt das Männchen die Paarung oft nicht, weil Weibchen sie während des Aktes attackieren. Im Gegensatz zu den Enten stehen die Forscher bei diesem Verhalten allerdings vor einem Rätsel: Die Wissenschaftler können keine biologischen Vorteile erkennen. Spinnenweibchen, die ihren Geschlechtspartner während der Fortpflanzung vertilgen, legen später nicht mehr Eier. Auch Hunger scheidet als Antrieb aus, denn auch satte Tiere greifen an.


Keuschheitsgürtel gegen Liebhaber

Bei Insekten ist das Anlegen eines chemischen "Keuschheitsgürtels" ebenfalls stark verbreitet. Meist handelt es sich dabei um eine harzähnliche Substanz, welche die Geschlechtsöffnung verschliesst. Diese an mittelalterliche Zeiten erinnernde Methode setzen auch Maulwürfe und Hausmäuse ein.

Die wahrscheinlich seltsamste und für manchen grausamste Sexualpraktik zeigen Anglerfische. Das Männchen verbeisst sich im weiblichen Anglerfisch und verwächst mit ihm. Das geht schliesslich so weit, dass sich die Tiere Haut und Blutkreislauf teilen und der männliche Part als reiner Sexualparasit weiterlebt.

Beide Tiere sind am Ende des Vorgangs so eng miteinander verbunden, dass das Männchen alleine nicht mehr lebensfähig ist und stirbt, sobald das Weibchen verendet. In der Regel kommt ein Männchen auf ein Weibchen, allerdings entdeckten Experten auch schon Exemplare, die bis zu acht Parasiten an sich trugen.

Die genauen Vorgänge liegen noch im Dunkeln, allerdings erhoffen sich Forscher noch viele Erkenntnisse aus dem Sexual-Parasitismus – auch für den Menschen: Da zwei unabhängige Organismen miteinander verschmelzen, könnte das Verständnis dieses Vorgangs vor allem für Biomedizin und Immunologie, vor allem in Hinsicht auf Organtransplantationen, von grosser Bedeutung sein. (mgb/af)



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