- Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Worum es dabei nicht geht: sich zu quälen.
- Ob wir in Zeiten der Krise wirklich verzichten sollten und auf welche Weise viele den Sinn von Fasten missverstehen, erklärt ein Dominikanerpater.
Verzicht in der Fastenzeit übt auch auf nicht-religiöse Menschen eine grosse Faszination aus. Die Zeit wird genutzt für Diäten und sonstige Askese-Übungen, die einem einiges abverlangen. Dabei haben sich ein paar Missverständnisse eingeschlichen, die uns gar nicht so gut tun. Gerade in diesen Tagen, in denen wir von belastenden Nachrichten nur so erschlagen werden, ist es wichtiger denn je, sich den eigentlichen Sinn von Fasten vor Augen zu führen.
Dauert die Fastenzeit wirklich 40 Tage?
Das ist der erste Irrtum rund um die Fastenzeit, denn diese Zahl hat eher eine symbolische Bedeutung – wie wir sie häufig in der Bibel finden. 40 Tage meint "sehr lange", und zwar so, dass man an seine Grenzen kommt. Die Zahl erinnert etwa an die 40-jährige Wüstenwanderung der Israeliten beim Auszug aus Ägypten und an die 40 Tage in der Wüste, an denen Jesus nach seiner Taufe in Versuchung geführt wurde.
Wer im Kalender nachzählt, wird aber sehen: Vom Beginn der Fastenzeit (Aschermittwoch) bis zum Ende am Gründonnerstag sind es mehr als 40 Tage. An den Sonntagen wird der Auferstehung Jesu gedacht. Daher gelten sie nicht als Fastentage, also zieht man sie ab – allerdings kommt man dann auf nur 38 Tage. Die Rechnung geht schliesslich auf, wenn man auch Karfreitag und Karsamstag dazuzählt. Sie gehören zwar offiziell nicht zur österlichen Busszeit, weil an ihnen aber gefastet wird, ergeben sich am Ende die berühmten "40 Tage Fastenzeit".
Übrigens: Falls in Ihrem Kalender "Ostersamstag" steht, ist das falsch. Der Tag vor Ostersonntag, mit dem Ostern beginnt, heisst korrekt "Karsamstag".
Wieso überhaupt Fastenzeit?
Christen erinnern sich in den Wochen vor Ostern an das Leiden und Sterben Jesu. Es geht darum, auf etwas zu verzichten, traditionellerweise auf Fleisch oder Süssigkeiten, wobei sich im Laufe der Zeit immer mehr Arten von Verzicht herausgebildet haben. In der katholischen Kirche sind die einzigen strengen Fastentage Aschermittwoch und Karfreitag.
Was ist wirklich der Sinn des Fastens?
"Wahres Fasten wirkt befreiend und ist keine Kasteiung", betont Pater Max Cappabianca OP im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sich zu befreien von allem, was das Leben behindert - mein eigenes und das Leben des anderen und spirituell auch meine 'Lebensverbindung' mit Gott, das ist der Sinn von Fasten. Im Alltag rosten Dinge ein, irgendwann merkt man gar nicht, was einen eigentlich alles einengt und die Luft zum Atmen nimmt. Die Fastenzeit schenkt neue Freiheit."
Ballast abwerfen also, aber "Kilos abspecken" meint der Dominikaner damit nicht: "Ganz klar: Fasten ist keine Diätnummer. Es geht um Selbstfürsorge, darum, bei sich zu sein – nicht aber, um nur um sich zu kreisen." Fasten als Qual misszuverstehen, die wir dann wie ein Schild vor uns hertragen – man könnte meinen, das sei eine Erscheinung unserer Zeit.
P. Max weist aber auf ein vielsagendes Zitat aus der Bibel hin, das bereits vor solchen Anwandlungen warnt:
Verzicht also sei als Mittel zum Zweck zu verstehen, um sich neu auszurichten auf die eigene Mitte und frei zu werden: "Eigentlich sollten wir deshalb in der Fastenzeit nicht gequält sein, sondern sogar besser aussehen als sonst!", sagt der Dominikaner. Fastenzeit und Ostern seien auch für Nicht-Gläubige die Chance, das Leben in seiner Fülle neu zu entdecken und zu feiern.
Fasten – aber wie? Warum nicht alles mit Essen zu tun hat
Verzichten auf ständige Erreichbarkeit und Social Media, auf das Auto, auf schlechte Angewohnheiten: Es gibt viele Ideen, wie man die Fastenzeit für etwas Gutes nutzen und zu sich kommen kann. P. Max erinnert daran, dass zum Fasten im Sinne der Kirche auch das Beten und Almosengeben und damit eine spirituelle und eine soziale Ebene gehören.
"Man sollte also sein ganzes Leben in den Blick nehmen. Konkret: In sich gehen und sich fragen, was mich trägt. Wo ist mein 'Weltbild' brüchig geworden? Stimmt mein Lebenssinn noch?" Ausserdem gehe es darum, etwas Soziales zu tun: "Spenden ist natürlich eine Möglichkeit. Wirklich auf etwas verzichten, sodass ich spüre, dass es von mir kommt. Auf diese Art zu helfen, ist eine Wohltat auch für uns selbst. Je konkreter, desto besser: sich einmal in einem sozialen Projekt engagieren etwa oder gute Taten im eigenen Umfeld, für die ich mir normalerweise keine Zeit nehmen kann", schlägt er vor.
Corona und Krieg: Sieht Fasten dieses Jahr anders aus?
Die Corona-Krise fühlt sich seit zwei Jahren für die meisten Menschen wie ein andauernder, sich immer wiederholender Verzicht an. Ist das im Moment dann überhaupt der richtige Ansatz? "Tatsächlich habe ich die vergangenen beiden Jahre eher dazu aufgerufen, auf das Verzichten zu verzichten. Corona zehrte schon genug an unseren Nerven", sagt P. Max.
Eher sollten wir den Blick darauf richten, was uns jetzt Kraft geben kann. Zumal uns nun auch noch tagtäglich Nachrichten und Bilder aus der Ukraine erreichen und erschrecken. Hier könne die Fastenzeit Halt bieten: "Als spiritueller Mensch glaubt man, dass alles miteinander verbunden ist. Es macht einen Unterschied, wenn wir hier in Deutschland fasten und für die Menschen in der Ukraine beten und spenden." Bei sich zu sein auf der einen Seite, um besser umzugehen mit der Krise, gleichzeitig Solidarität zu zeigen mit anderen Menschen: "Darum geht es in dieser Fastenzeit wohl mehr denn je."
Verwendete Quellen
- Katholische Kirche in Deutschland: "Die Fastenzeit: 40 Tage ohne"
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