Normal oder übergewichtig? Mit dem Body-Mass-Index (BMI) kann man schnell und einfach das eigene Gewicht einschätzen. Vor fast 200 Jahren wurde er entwickelt. Allerdings gibt es zahlreiche Kritiker, die auch auf seine Einschränkungen hinweisen. Was der BMI leisten kann - und was nicht.

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Körpergrösse sowie -gewicht und ein Klick: Mehr braucht es nicht, um den eigenen Body-Mass-Index (BMI) zu berechnen. Der Wert zeigt an, ob jemand unter-, normal-, übergewichtig oder fettleibig ist und das bereits seit fast 200 Jahren. Doch an dem etablierten Index regt sich Kritik.

Body-Mass-Index mit wenigen Klicks online berechnen

Global steigt die Zahl der Menschen mit Übergewicht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts brachte 2019 rund die Hälfte aller deutschen Erwachsenen zu viele Kilos auf die Waage. Damit lag die Bundesrepublik leicht über dem EU-Durchschnitt. Zudem zeigen Studien, dass viele übergewichtige Kinder und Jugendliche die überzähligen Kilos auch ins Erwachsenenalter mitnehmen.

Doch wann ist jemand übergewichtig? Für eine Antwort auf diese Frage wird häufig der BMI herangezogen. "In der Praxis wird der BMI häufig verwendet, weil er einfach zu erheben ist und eine gewisse Aussagekraft bei der Einschätzung des Ernährungszustands hat", sagt Geraldine de Heer, stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Intensivmedizin und Leiterin des Ernährungsteams des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

Heutzutage lässt sich der Body-Mass-Index (kurz BMI) kostenlos mit wenigen Klicks online berechnen und auswerten, etwa auf den Internetseiten von Krankenversicherungen.

BMI kann für erste Einschätzung sinnvoll sein

Um seinen BMI zu erfahren, teilt man sein Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergrösse in Meter zum Quadrat. Das Ergebnis gibt Auskunft über die Abweichung des Gewichts einer Person von dem für ihre Grösse als normal angesehen Wert.

Für Kinder läuft es analog, allerdings wird ihr BMI nicht mit festen Schwellenwerten für Unter- und Übergewicht verglichen, sondern mit den Perzentilen für Gleichaltrige und Gleichgeschlechtliche. Ein Perzentil zeigt, wie ein Wert im Vergleich zu anderen Werten in einer Gruppe abschneidet. Wenn etwa ein Kind im 25. Perzentil für den BMI liegt, heisst es, dass 25 Prozent der Kinder in seiner Alters- und Geschlechtsgruppe einen niedrigeren BMI haben als dieses Kind.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden die BMI-Werte bei Erwachsenen wie folgt unterteilt:

  • BMI unter 18,5 - Untergewicht
  • zwischen 18,5 und 24,9 - Normalgewicht
  • zwischen 25,0 und 29,9 - Übergewicht
  • zwischen 30,0 und 34,9 - Adipositas Grad I
  • zwischen 35,0 und 39,9 - Adipositas Grad II
  • über 40 - Adipositas Grad III (auch Adipositas permagna genannt)

Der BMI sagt mehr über den Menschen aus als nur das Körpergewicht, so de Heer: Der Wert könne für eine erste Einschätzung durchaus sinnvoll sein. "Die BMI-Bestimmung kann Laien helfen, ein gewisses Bewusstsein für ihren Ernährungszustand zu entwickeln", betont sie.

Index wurde vor fast 200 Jahren entwickelt

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten Versicherungsmathematiker fest, dass ihre übergewichtigen Kunden eine erhöhte Sterblichkeitsrate aufwiesen, beschreibt eine Zusammenfassung, die 2008 im Fachblatt "Nephrology Dialysis Transplantation" veröffentlicht wurde. Entsprechend intensiv wurde nach einer Kennzahl gesucht, mit der das durchschnittliche Körpergewicht beschrieben werden konnte.

Um dies zu berechnen, wurde der vom belgischen Mathematiker Adolphe Quetelet entwickelte Index verwendet. Quetelet stellte 1832 fest, dass das Gewicht mit dem Quadrat der Körpergrösse zunimmt - abgesehen von Wachstumsschüben nach der Geburt und während der Pubertät. 1972 wurde der Quetelet-Index in Body-Mass-Index umbenannt.

Doch während der BMI in vielen Gesundheitsrichtlinien als Massstab für Übergewicht und Adipositas dient, gibt es auch zahlreiche Kritiker, die auf seine Einschränkungen hinweisen.

Ausreisser bei Körpergrösse können BMI beeinflussen

Die wesentliche Schwäche des BMI ist, dass er die Körperzusammensetzung nicht berücksichtigt, also keine Unterscheidung zwischen Muskel- und Fettgewebe ermöglicht, so de Heer. "Dieses kann zu eklatanten Fehleinschätzungen des Ernährungsstatus führen, setzt man den BMI als alleinige Methode ein." Ausserdem verrät der BMI nicht, wie Muskeln und Körperfett verteilt sind, also ob es etwa viel von dem als besonders schädlich geltenden Bauch- oder Hüftfett gibt.

Ausreisser bei der Körpergrösse können den BMI beeinflussen: So kann eine zwei Meter grosse Basketballspielerin mit viel Muskelmasse und wenig Körperfett von ihrem BMI her als übergewichtig gelten, selbst wenn sie mit Blick auf ihren Ernährungszustand als vollkommen gesund einzustufen wäre. Ebenso kann bei einem älteren oder schwer kranken Menschen, der über nur wenig Muskelmasse verfügt, ein BMI im Bereich des Normalgewichts fälschlicherweise eine gesunde Ernährung anzeigen.

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Der Körper besteht aus unterschiedlichen Anteilen von Fett- und Muskelgewebe - wobei Muskeln mehr wiegen als das Fettgewebe. Das führt dazu, dass bei Menschen mit viel Muskelmasse der BMI ungenau sein kann. Laut Yurdagül Zopf vom Universitätsklinikum Erlangen betreffe dies allerdings nur wenige Fälle - es gebe nicht viele Menschen mit einem hohen BMI und reiner Muskelmasse.

Wenn also jemand zunimmt, keinen Sport treibt und offensichtlich nicht wie Arnold Schwarzenegger aussieht, dann ist das, was er zunimmt, Fett und nicht Muskeln.

Yurdagül Zopf

Daten beruhen auf weissen, westlichen Menschen

Noch ein Kritikpunkt am BMI: Eine 2000 im Fachblatt "International Journal of Obesity" veröffentlichte Studie untersuchte die Beziehung zwischen dem Körperfettanteil und dem BMI bei drei verschiedenen ethnischen Gruppen in Singapur. Anhand der Daten von 300 Erwachsenen mit Wurzeln in China, Malaysia und Indien zeigte die Untersuchung, dass sich die Beziehung zwischen Körperfettanteil und BMI bei den drei Gruppen stark unterscheidet.

Die Forschungsgruppe verglich die Ergebnisse auch mit den Referenzwerten, die auf den Daten weisser, westlicher Menschen beruhen – auch hier wurden signifikante Differenzen deutlich: Der Studie zufolge hatte bei gleicher Menge Körperfett ein westlicher Mensch einen BMI von 30, ein chinesisch-stämmiger Mensch von 27 und ein malaiisch-stämmiger Mensch von 26.

Dies wird in der Studie auf Unterschiede im Körperbau zurückgeführt. Wenn Fettleibigkeit als ein Übermass an Körperfett und nicht als ein Übermass an Gewicht betrachtet wird, müssten die Grenzwerte für Fettleibigkeit in Singapur auf der Grundlage des BMI gesenkt werden, schlussfolgert die Studie.

Welche Alternativen es zum BMI gibt

Der BMI ist nicht die einzige Möglichkeit, den Körperzustand zu bestimmen. Weitere Optionen sind der Fett-Masse-Index (FMI) und der Taille-Hüfte-Quotient (WHR). Eine Studie, deren Ergebnisse 2023 im Fachblatt "JAMA Network Open" veröffentlicht wurden, untersuchte, welcher dieser Werte am stärksten mit Sterblichkeit verbunden.

Anhand der Daten von fast 388.000 britischen Erwachsenen stellte ein Team um den Mediziner Irfan Khan fest, dass der Zusammenhang mit dem Sterblichkeitsrisiko beim Taille-Hüfte-Quotienten am stärksten ist – entsprechend sollte er bei Gesundheitsmassnahmen besonders berücksichtigt werden. Aufgrund der bekannten Einschränkungen sei indes unklar, welcher BMI-Wert mit dem geringsten Sterberisiko verbunden sei, so die Studie.

Zudem kam eine 2023 im Fachblatt "Plos One" veröffentlichte US-Studie zu dem Schluss, dass der BMI allein das Mortalitätsrisiko nicht erhöht. Auf Basis der Daten von einer halben Million US-amerikanischen Erwachsenen zeigte die Forschungsgruppe unter Leitung der Rutgers University, dass der Zusammenhang zwischen BMI und Sterblichkeit je nach Alter variieren könne und es einen Zusammenhang mit anderen Risikofaktoren zu geben scheine. "Unsere Studie unterstreicht die zunehmenden Vorbehalte gegenüber der alleinigen Verwendung des BMI als Grundlage für klinische Entscheidungen", schlossen die Autorinnen und Autoren der Studie.

Langer Weg zur Adipositas-Diagnose

Angesichts der weltweit steigenden Prävalenz von Fettleibigkeit plädiert Ernährungsexpertin Geraldine de Heer dafür, dennoch an etablierten Normwerten festzuhalten. "Sie sollte eher dazu führen, dass wir über unseren Umgang mit Nahrungsmitteln und Bewegung, vor allem bei Kindern, nachdenken und einen Richtungswechsel anstreben."

Die Aufklärung über Fettleibigkeit greift manchen Experten zufolge zu kurz. "Im Durchschnitt dauert es sechs Jahre, bis ein Arzt einen Patienten auf seine Adipositas hinweist", betont Yurdagül Zopf. Dies sei besorgniserregend, da die Krankheit mit erhöhten Entzündungswerten im Körper und einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten in Verbindung gebracht wird.

"Dafür ist der BMI ein sehr wichtiger elementarer Baustein", sagt Zopf, die das Hector-Center für Ernährung, Bewegung und Sport leitet. "Ich würde das positiv sehen, dass alle aufgeklärt werden, was ein BMI ist." (Sabina Crisan/dpa/bearbeitet von ff)

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