Ein chinesischer Kunde hat kürzlich in einem Hotel in St. Moritz 9'999 Franken für ein Glas Whisky bezahlt. Experten zweifeln nun die Echtheit der angeblich über hundertjährigen Flasche an.

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Das Hotel Waldhaus am See in St. Moritz steht im Zentrum des Medieninteresses, seit dort am 29. Juli ein chinesischer Gast wünschte, dass die weltweit einzige noch nicht geöffnete Flasche Macallan des Jahrgangs 1878 für ihn geöffnet wird. Preis pro Glas: 9'999 Franken.

Wer ist der Gast, der so viel Geld für Whisky ausgibt?

"Ich war in der Schweiz und habe einen über hundertjährigen Whisky gesehen. Ich musste nicht lange nachdenken", schreibt Zhang auf Weibo, einer chinesischen Social Media-Plattform. "Er war gut. Aber ich trank den Whisky nicht als solchen, sondern ich trank Geschichte."

Zhang ist in seiner Heimat unter dem Namen Tang Jia San Shao bekannt. Er ist der bestbezahlte Online-Autor von China. Er schreibt Erzählungen, die Science-Fiction mit Kampfsport mischen – man nennt das in China beliebte Genre Wuxia.

Millionär mit Hang zum Alkohol

Die Leidenschaft für alkoholische Getränke ist eine Eigenschaft, die der Autor mit seinen Protagonisten teilt. Der Titel einer seiner Romane aus dem Jahr 2013 kann beispielsweise mit "Der Gott der Spirituosen" übersetzt werden.

Zhang verdient mit seinen Autorenrechten Millionen. Für ihn sind 10'000 Franken… ein kleiner Tropfen.

Der Preis war so hoch, weil der Hotelier Sandro Bernasconi nie wirklich die Absicht hatte, das Sammlerobjekt tatsächlich zu öffnen. Sein Vater, Claudio Bernasconi, hatte die Flasche vor 25 Jahren gekauft. Nun wird aber vermutet, dass Bernasconi Senior betrogen wurde.

Experten bezweifeln Echtheit

Einige Whisky-Experten bezweifeln die Echtheit des Destillats. Laut dem berühmten Whisky-Sammler Serge Valentin lassen einige Details der Flasche – die zu neue Etikette, die zudem chronologische Widersprüche enthält – darauf schliessen, dass es sich nicht um einen über hundertjährigen Whisky handle.

Laut Valentin und anderen Experten könnte es sich um eine der circa 100 gefälschten Flaschen handeln, deren Existenz Macallan vor einigen Jahren bestätigt hat.

Die Whisky-Brennerei reagierte damals nach monatelangen Spekulationen auf einen Artikel im Whisky Magazine.

Der Autor vermutete, die gefälschten Flaschen seien anfangs der 1990er-Jahre in Italien präpariert und zu Beginn des neuen Jahrtausends bei verschiedenen Auktionen verkauft worden.

"Wir hatten nie den geringsten Zweifel über die Echtheit", sagte Sandro Bernasconi in einem Interview gegenüber der Gratiszeitung "20 Minuten". "Als ich über den Fälschungsverdacht las, entschloss ich mich sofort, unsere Flasche in Schottland auf ihre Echtheit testen zu lassen. Zudem habe ich versucht, mit dem Whisky-Experten Serge Valentin, der die Fälschungsvermutung geäussert hat, Kontakt aufzunehmen."

Die Resultate des Tests sollten in einigen Monaten vorliegen. Bernasconi versichert, dass der chinesische Gast sein Geld zurückerhalten werde, sollte sich der Fälschungsverdacht als wahr herausstellen.

Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi, tvsvizzera.it/Zz

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