Mit dem Aufdrucken der Kalorienmenge hat die britische Regierung versucht, die Bürger des Landes zu gesünderer Ernährung zu bewegen. Allerdings mit geringem Erfolg, wie Umfragen zeigen.
Wie viele Kalorien haben die Fish and Chips? Das müssen viele Restaurantketten in England auf ihre Speisekarten schreiben. Seit zweieinhalb Jahren sind Angaben zum Energiegehalt von Speisen dort für grosse Betriebe vorgeschrieben. Britische Forschende kommen nun in einer Studie zu dem Ergebnis: Wer im Restaurant isst, nimmt trotzdem quasi gleich viele Kalorien zu sich wie vorher.
Die Regierung in London hatte die Speisekartenregel eingeführt, weil sie hoffte, dass diese gegen das zunehmende Übergewicht in der Bevölkerung helfen könnte. Die Idee war: Wer über den Gehalt aufgeklärt wird, nimmt weniger Kalorien zu sich. In Deutschland gibt es so eine Speisekartenpflicht nicht. Einige Ketten nennen die Kalorienangaben aber zum Beispiel in ihren Online-Auftritten. Auch auf Waren im Supermarkt stehen Nährwertangaben.
Zusatzinfos beeinflussten die Essenswahl kaum
Für ihre Untersuchung befragte das Forschungsteam um Megan Polden von der University of Liverpool mehr als 6.000 Kundinnen und Kunden von Restaurants, Cafés und Fast-Food-Verkaufsstellen, und zwar vor der Einführung der Speisekartenregel sowie danach. Demnach bestellten die Kundinnen und Kunden trotz der Zusatzinformationen weder wirklich kalorienärmere Gerichte noch assen sie weniger. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt "Nature Human Behaviour" veröffentlicht.
Einen Unterschied aber stellte das Team fest: Viel mehr der Befragten nahmen die Kalorienmenge ihrer Gerichte wahr; statt zuvor 17 Prozent waren es nach der Einführung 32 Prozent. Doch nur ein kleiner Teil bezog dies in die Kaufentscheidung ein und entschied sich zum Beispiel für ein kalorienärmeres Gericht.
Was genau sind Kilokalorien und wie viele braucht man?
- Der Mensch benötigt Energie, die er durch Nahrung gewinnt und auch als Brennwert bezeichnet wird. Kilokalorie (kcal) ist dabei die Einheit des Brennwertes, die auf Lebensmittelverpackungen angegeben wird.
- Spricht man umgangssprachlich davon, dass etwas 500 Kalorien hat, meint man eigentlich 500 Kilokalorien, da die Angaben auf Verpackungen in dieser Einheit gemacht werden.
- "Bedarfsgerechte Energiezufuhr ist ein zentraler Punkt für gesunde Ernährung", schreibt die AOK. Zu viele Kalorien führen nämlich zu Fett im Körper und somit zu Übergewicht. Zu wenige Kalorien können zu Mangelerscheinungen führen.
- Der Bedarf eines jeden Menschen hängt von Alter, Geschlecht, körperlicher Aktivität und weiteren möglichen Faktoren, wie beispielsweise einer Schwangerschaft, ab.
- Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nennt Richtwerte für die tägliche Energiezufuhr, welche besagen, dass Frauen zwischen 1.700 kcal (ältere) und 1.900 kcal (jüngere) benötigen, während es bei Männern 2.100 kcal (ältere) und 2.600 kcal (jüngere) sind.
Die meisten der Befragten wussten nicht, wie viele Kalorien sie konsumierten – und sie unterschätzten den Kaloriengehalt ihrer Gerichte stark. Im Schnitt enthielten die gekauften Mahlzeiten rund 1.000 Kalorien, rund die Hälfte des Tagesbedarfs eines Erwachsenen.
Auch anderorts kommen Experten zu ähnlichen Ergebnissen
Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München, ist wie andere Fachleute nicht besonders überrascht von den Ergebnissen. "Diese Erfahrung bestätigt schon frühere Beobachtungen, dass eine allgemeine Kennzeichnung nicht ausreicht, um die Auswahl beziehungsweise das Kaufverhalten signifikant zu verändern."
Auch im Supermarkt beeinflusse etwa der Nutri-Score auf Lebensmitteln die Entscheidung so gut wie gar nicht, erklärt Hauner. Der Nutri-Score vergleicht ähnliche Lebensmittel hinsichtlich ihrer Nährwerte, also etwa einen Joghurt mit einem anderen Joghurt. Er gibt aber nicht an, wie gesund ein Lebensmittel generell ist. Die Ergebnisse werden in fünf Farben von Grün bis Rot angezeigt.
Weitere Massnahmen nötig – Grossbritannien hat Limosteuer
Hauner meint, dass wahrscheinlich verschiedene und stärkere Massnahmen und Anreize nötig seien, damit die Bevölkerung wirklich weniger esse. Auch Peter von Philipsborn, der den Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München innehat, hält eine Kombination für sinnvoll, um Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) Einhalt zu gebieten. Wichtig seien eine bessere Verpflegung in Kitas, Schulen, Betrieben und Kliniken.
Ausserdem spricht sich von Philipsborn für mehr Aktivität im Schulalltag, mehr Sportangebote, mehr Grünflächen und Radwege aus – damit es den Menschen leichter falle, sich mehr zu bewegen. Als sinnvoll erachtet werden ihm zufolge auch eine Steuerbefreiung von Obst, Gemüse und anderen gesunden Lebensmitteln sowie eine zusätzliche Abgabe auf süsse Getränke.
Tatsächlich gibt es in Grossbritannien eine Limosteuer – daraufhin senkten die Hersteller den Zuckergehalt in ihren Getränken und der Konsum von Limonaden sank. (dpa/bearbeitet von mak)
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