Auf einer Konferenz liess sich Tim Hunt, Nobelpreisträger und britischer Experte für Immunologie, kürzlich zu einem dummen Spruch hinreissen: Frauen und Männer sollten am besten in getrennten Laboren arbeiten, weil Frauen bei Kritik gleich anfingen zu heulen. Hunt hat damit eine Sexismus-Debatte losgetreten. Wegen der Äusserung verlor er seinen Job. Sein Vorurteil ist zudem nicht haltbar, genau das Gegenteil ist der Fall.

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Bei der Konferenz in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul hatte der Nobelpreisträger von 2001 sich so geäussert: "Lassen sie mich über mein Problemen mit Frauen sprechen. Drei Sachen passieren, wenn sie im Labor sind: Du verliebst dich, sie verlieben sich in dich und wenn du sie kritisierst, fangen sie an zu heulen."

In einem Beitrag für die britischen Zeitung "Daily Telegraph" sprang Londons Bürgermeister Boris Johnson dem entlassenen Tim Hunt zur Seite: Mit Verweis auf den international angesehenen Experten für Weinen, den Niederländer Ad Vingerhoets, schrieb er, dass es eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache sei, dass Frauen mehr weinen als Männer.

Dieser Aussage widerspricht jetzt ausgerechnet der zitierte Fachmann. Der Wissenschaftler von der Tilburg Universität berichtete dem "Guardian" von einer Studie über das Weinverhalten von Männern und Frauen am Arbeitsplatz: "Vor drei Jahren haben wir Psychotherapeuten befragt. In dieser Studie kamen wir zu dem Ergebnis, dass Männer häufiger weinen als ihre weiblichen Kollegen."

Männliche Psychotherapeuten weinen bei Therapiestunden

Bei dieser Studie sei herausgekommen, dass über 87 Prozent der Therapeuten mindestens einmal im vergangenen Jahr bei einer Therapiestunde geweint hätten. Entgegen der Erwartungen betraf das dem "Guardian" zufolge mehr Männer als Frauen. Warum aber die Therapeuten überhaupt geweint haben, ist nicht bekannt.

Seit 25 Jahren widmet sich Vingerhoets dem Thema Weinen. Seiner bisherigen Erfahrung nach könne der Niederländer sagen, dass Frauen bereitwilliger seien, zu heulen. Dabei könnten soziale Aspekte oder hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen, so Vingerhoets.

Aber generell würden beide Geschlechter wegen derselben Gründe weinen: "Das kann der Tod eines geliebten Menschen, ein Liebesende oder Heimweh sein. Beachtenswerterweise weinen Männer öfter wegen positiver Ereignisse", berichtet der Forscher dem "Guardian". (cfl)

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