Das Thema, für das der diesjährige Friedensnobelpreis vergeben wurde, ist hochaktuell: Nadia Murad und Denis Mukwege werden für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt ausgezeichnet. Ihre Geschichten berühren.
Zwei Kontinente, zwei Schicksale, zwei Geschichten: Nadia Murad und Denis Mukwege trennt auf den ersten Blick mehr, als sie eint. Doch was sie eint, macht sie zu den diesjährigen Trägern des Friedensnobelpreises. Beide setzen sich unermüdlich im Kampf gegen sexuelle Gewalt ein.
Die beiden Menschenrechtler hätten sich in herausragender Weise gegen solche Kriegsverbrechen eingesetzt, teilte das Nobelkomitee mit. Mukwege habe sein Leben der Verteidigung von Opfern sexueller Gewalt gewidmet, Murad als Zeugin vom Missbrauch gegen sich selbst und andere berichtet. "Jeder von ihnen hat auf seine Weise dazu beigetragen, sexuelle Gewalt im Krieg besser sichtbar zu machen, sodass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können", hiess es bei der Verleihung.
Unerbittliche Kämpferin: Das ist Nadia Murad
Nadia Murad ist selbst Opfer von Kriegsverbrechen. Sie wurde von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak als Sex-Sklavin gehalten und vergewaltigt.
Sie ist eine zierliche, zerbrechlich wirkende Frau. Doch die junge Jesidin zeigte sich hart und unnachgiebig im Kampf gegen die Versklavung ihrer Glaubensschwestern durch den IS.
Die 25-Jährige, die eine dreimonatige IS-Gefangenschaft überlebte, macht als Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen auf die Qualen der IS-Opfer aufmerksam. An ihrer Seite: die Anwältin Amal Clooney, Ehefrau von Hollywoodstar George Clooney.
Dass sie als Menschenrechtsaktivistin durch die Welt jettet, hätte sich die junge Frau mit den traurigen Augen und den langen dunklen Haaren vor wenigen Jahren nicht vorstellen können.
Der IS tötete 40 Mitglieder ihrer Familie
Der Wunsch des Mädchens aus dem ländlichen Dorf Kocho in Nordirak war, nach der Schule einen Kosmetiksalon zu übernehmen. Doch Schergen des IS überfielen im August 2014 ihr Dorf im Sindschar-Gebiet und nahmen sie mit in die Grossstadt Mossul. Murads Mutter und sechs Brüder waren bei dem Überfall umgebracht worden. Insgesamt töteten die IS-Terroristen mehr als 40 Mitglieder ihrer Familie.
Murad selbst wurde in Mossul auf einem Sklavenmarkt an einen Mann verkauft, der sie später an einen anderen weiterverkaufte. Diesem entfloh sie beim Kauf einer Burka.
Eine Familie half ihr schliesslich, ins kurdische Grenzgebiet zu kommen, wo sie in einem Flüchtlingslager nahe Dohuk Unterschlupf fand. Murad lebt heute in Baden-Württemberg, wo rund 1.000 Jesidinnen aus dem Nordirak Schutz gefunden haben. Sie macht seit Jahren unermüdlich auf das Schicksal ihrer Leidensgenossinen aufmerksam.
Denis Mukwege: "Es war ein Alptraum"
Was Frauen durchmachen und wie sie verletzt werden können, wenn sie von einer Gruppe Männer vergewaltigt werden, ist unvorstellbar. Denis Mukwege hat es zu seiner Lebensaufgabe gemacht, diesen Frauen in seinem Heimatland Kongo zu helfen.
Der 63-Jährige gilt als weltweit führender Experte für die Behandlung von Verletzungen durch Gruppenvergewaltigungen - und als Aktivist gegen sexuelle Gewalt. Neben Nadia Murad wurde auch er mit dem Friedensnobelpreis geehrt.
Mukwege gründete 1999 das Panzi-Krankenhaus in Bukavu im Osten des Kongo. Während und nach eines Krieges, der Ende der 1990er und Anfang der 2000er herrschte, kamen immer mehr Opfer von sexueller Gewalt in seine Klinik. "Es war ein Alptraum", erinnert er sich. Mehr als 50.000 Frauen haben er und sein Team schon behandelt.
Mukwege wurde 1955 als Sohn eines Pastors in Bukavu geboren. Er studierte in Burundi Medizin und lies sich später in Frankreich zum Gynäkologen ausbilden.
Fast hätte Mukwege seinen Kampf mit dem Leben bezahlt
Heute bemüht er sich zunehmend, nicht nur die physischen, sondern auch die psychischen Wunden der Opfer zu heilen. Als Menschenrechtler setzt er sich zudem auf politischer Ebene dafür ein, Vergewaltigungen als Kriegswaffe ein Ende zu setzten.
Das hätte Mukwege wohl fast das Leben gekostet. 2012 überfielen Bewaffnete sein Haus in Bukavu, ein Freund von ihm wurde dabei getötet. "Das war der schwierigste Moment in meinem Leben", sagt er.
Auch heute noch bestehen für ihn und sein Team grosse Gefahren. Im vergangenen Jahr wurde ein Kollege von Mukwege getötet. "Aber diesmal hab ich ein anderes Gefühl bekommen", sagt er. "Ein Gefühl der Revolte. Wir müssen diesen Krieg beenden." (ank/dpa)
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