Warum ist es so verdammt schwer, dauerhaft glücklich zu sein? Wissenschaftler kennen die Antwort - sie sprechen vom Phänomen der Hedonistischen Tretmühle.
Der Mensch strebt in seinem Leben nach Glück. Jeder hat sich wohl schon einmal ausgemalt, was er mit einem Lottogewinn alles anstellen würde. Den ungeliebten Job kündigen, ein schickes Auto anschaffen, das Haus abbezahlen, eine Weltreise ... Endlich sorgenfrei und glücklich sein.
Mit dem Glücksgefühl ist es allerdings so eine Sache: Es ist kein Dauerzustand. Nach Erfolgserlebnissen pendelt es sich nach einiger Zeit wieder auf Normalniveau ein.
Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen "hedonistische Anpassung" oder "hedonistische Tretmühle". Ein Gewöhnungseffekt also, der nach positiven, aber auch nach negativen Ereignissen eintritt.
Mehr macht nicht glücklicher
Eine Studie amerikanischer Psychologen im Jahr 1978 ergab beispielsweise, dass Lottogewinner nach rund einem Jahr nicht glücklicher waren als Vergleichspersonen. Diese Erkenntnis ist seitdem mehrfach bestätigt worden. Trotz eines positiven Ereignisses, das uns mit Hochgefühlen belohnte, kehren wir bald wieder zu unserem emotionalen Normalzustand zurück.
Wir gewöhnen uns rasch an die Dinge oder neuen Lebensumstände, die uns glücklich machen, so schön sie auch sein mögen. Dies führt dazu, dass die jeweilige Situation als Standard aufgefasst wird und bringt wiederum neue Erwartungen und Wünsche zum Vorschein. Und schon sitzen wir fest in der Glücksfalle, der hedonistischen Tretmühle.
Die Evolution steht dem Glück im Weg
Die Wissenschaft erklärt den Effekt damit, dass der Mensch aus Evolutionsgründen nicht dafür bestimmt ist, dauerhafte Hochs oder Tiefs zu erleben. Denn wer nicht schnell wieder klar sieht und auf den Boden der Tatsachen zurückfindet, übersieht am Ende die lauernden Gefahren.
Auch sagt die Hirnforschung, dass unser Gehirn darauf getrimmt ist, eher Unangenehmes denn Angenehmes wahrzunehmen. Der Steinzeitmensch musste zum Überleben sich vor allem das Negative einprägen, um potenzielle Risiken zu bannen. Demnach eine sinnvolle Überlebensstrategie.
Der Begriff der Hedonistischen Tretmühle hat sich in der Psychologie, insbesondere der Glücksforschung, etabliert. Er leitet sich aus dem altgriechischen Wort ἡδονή (hedone) ab, was so viel wie Freude, Vergnügen, Lust, Genuss und sinnliche Begierde bedeutet.
Eine Tretmühle hingegen ist ein Antrieb für Mühlen und Hebe-Vorrichtungen. Sie arbeitet nach dem Prinzip der Kraftwandlung (Wellrad) und nutzt die Körperkraft von Menschen oder Tieren. Gegenwärtig wird das Wort Tretmühle im übertragenen Sinne für eine monotone Tätigkeit oder Tagesablauf benutzt.
Der schon früher verwendete Begriff wurde durch den britischen Psychologen Michael Eysenck zur hedonistischen Tretmühlen-Theorie modifiziert, die das Streben nach Glück mit einer Tretmühle vergleicht, das heisst, der Betroffene arbeitet am Vorankommen und bleibt doch am selben Platz.
Das Glücksgefühl liegt in den Genen
Einschneidende Lebensereignisse haben demnach einen geringeren Einfluss auf unser Glück als wir annehmen. Wie wir Glück empfinden, hängt zu einem grossen Teil von unseren Genen ab und lässt sich nur geringfügig und dann auch nur kurzfristig durch äussere Umstände verändern.
Laut der kalifornischen Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky lassen sich durch unsere Einstellung und Verhaltensweisen rund 40 Prozent der Unterschiede im Glücksempfinden verschiedener Menschen erklären, während genetische Einflüsse diese zu 50% und Lebensereignisse nur zu rund zehn Prozent definieren.
Wege aus der Hedonistischen Tretmühle
Bedeutet das, dass unser Glücksniveau bereits feststeht und all unsere Bemühungen glücklicher zu werden, umsonst sind? Nicht ganz, glaubt man dem 40-Prozent-Anteil an Selbstbestimmung von Sonja Lyubomirsky.
Demnach können wir unser Glücksempfinden durch aktive Handlungen unsererseits und durch unser eigenes Denken und Tun lenken. Beispielsweise freundlicher sein, optimistischer sein, selbstbestimmte Ziele zu verfolgen, genügsamer sein oder bewusster zu leben und weniger nach den Erfolgen anderer zu schielen macht nachweislich glücklicher.
Länger anhaltende Glücksgefühle erreicht man darüber hinaus durch das Zusammensein mit geliebten Menschen. Denn Glück rührt auch von den Erlebnissen mit anderen her, wenn diese als positiv empfunden werden.
Der Kardinalfehler: "Früher war alles besser"
Ein Kardinalfehler, der uns immer wieder in die Tretmühle zurückbefördert, ist laut Psychologie die falsche Perspektive, der sogenannte Rückschaufehler: "Früher war alles besser". Ständiges Zurückschauen auf das, was einmal war, macht unzufrieden. Das Leben findet im Hier und Jetzt statt.
Und das Beste zum Schluss: An zielstrebige, selbst erarbeitete Erfolge gewöhnen wir uns weniger schnell als an einen unerwarteten Glücksfall wie zum Beispiel einen Lottogewinn.
So können wir unser Glück auf diese Weise nachhaltig steigern. Dennoch muss ein jeder seinen eigenen Weg zur mehr Zufriedenheit finden.
Verwendete Quellen
- Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
- Sonya Lyubomirsky : "Why are some people happier than others” und "Pursuing happiness”
- Studie Brickman, Coates, Janoff-Bulman: Lottery Winners and Accident Victims - Is Happiness Relative?
- Binswanger, Mathias: Die Tretmühlen des Glücks. Wir haben immer mehr und werden nicht glücklicher. Was können wir tun? Verlag Herder, Freiburg i. Br. 2006.
- Eysenck, M. W. (1990). Happiness: Facts and Myths
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