Ramadan hat nicht nur mit Verzicht zu tun. Das sagt Influencerin Jennifer Schott, die auf TikTok über ihren Glauben, Rassismus, aber auch über Freundschaft und Mode spricht. 2,2 Millionen Menschen schauen der 20-Jährigen dabei zu, die vor drei Jahren zum Islam konvertiert ist. Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan gibt Schott in einer Video-Reihe Einblicke in ihren Alltag. Das Ramadan-Tagebuch, das sie in diesem Jahr herausgebracht hat, ist inzwischen in der dritten Auflage erschienen.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Berlinerin über die Höhen und Tiefen im Ramadan. Und darüber, warum ganz Alltägliches für Muslime in Deutschland nicht selbstverständlich ist.
Frau Schott, was bedeutet Ramadan für Sie?
Jennifer Schott: Für mich ist Ramadan die schönste Zeit im Jahr, weil es sehr viel um Gemeinschaft geht. Die Moscheen sind so überfüllt, man betet und isst am Abend gemeinsam. Aber vor allem ist Ramadan für mich eine Art spirituelle Reise, in der ich zu der besten Version von mir werden möchte. Ich versuche, sowohl meine Bindung zu Gott als auch meine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Und auf Negatives und alltägliche Sünden zu verzichten, die man so begeht.
Wie viele Muslime möchte ich das auch nach Ramadan beibehalten. Deswegen freuen wir uns jedes Jahr so sehr auf Ramadan: Viele Sachen, die man eigentlich nicht mehr tun wollte, sind im Laufe des Jahres wieder zu Routine geworden. Ramadan ist immer wieder ein Weckruf.
Gehen Sie mit einem bestimmten Vorsatz in den Ramadan, welches Thema Sie angehen möchten?
Lästern oder über andere reden ist eine grosse Sünde im Islam. Vergangenes Jahr hatte ich mir vorgenommen, das zu unterlassen. Wenn ich heute zurückdenke: Ja, natürlich tue ich es immer noch ab und zu, aber mittlerweile sehr selten.
Was ist in der Fastenzeit Ihre grösste Herausforderung und was raten Sie anderen jungen Musliminnen und Muslimen, denen es ähnlich geht?
In diesem Jahr ist der Hunger mein Hauptproblem. Das ist meine eigene Schuld. Wenn wir etwa um 4:50 Uhr anfangen zu fasten, steht man eigentlich um 4:00 Uhr auf und isst und trinkt nochmal, damit man besser durch den Tag kommt. Aber ich habe frühmorgens keinen Appetit – und bereue das dann gegen 15:00 Uhr.
Ich würde auf jeden Fall allen, die dasselbe Problem mit dem Hunger haben, empfehlen, dass sie sich aufraffen und wirklich kurz bevor sie wieder anfangen zu fasten, nochmal einen Liter trinken oder eine eiweissreiche Mahlzeit zu sich nehmen.
In Ihrem Ramadan-Journal kann man etwa seine Mahlzeiten oder Gebete und gute Taten tracken. Was hat Sie dazu inspiriert, es herauszugeben?
Viele Menschen denken nach Ramadan, dass sie nicht das erreicht hätten, was sie sich vorgenommen haben. Dabei verlieren sie die kleinen Schritte und Weiterentwicklungen schnell aus den Augen, die sie gemacht haben. Es geht auch darum, nach 30 Tagen zurückzuschauen und zu denken: Wow, ich habe ganz schön viel geschafft.
Ausserdem sollte das Journal "alte Hasen" ansprechen, aber auch Neukonvertierte. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich als einzige in meiner Familie zum Islam konvertiert war. Damals hätte ich mir während Ramadan genau so etwas gewünscht: eine Art Wegbegleiter oder Freund, bei dem ich mein Herz ausschütten und meine Fortschritte sehen kann.
Ein vergleichbares Tagebuch gab es zuvor noch nicht in Deutschland.
Ich hatte Journals zuvor in Amerika, England oder Frankreich gesehen. Aber nicht in Deutschland. Leider gibt es viel zu viele Bereiche, in denen Angebote für Muslime hier nicht abgedeckt werden – obwohl so viele in Deutschland leben und sich das auch wünschen würden.
Welche Bereiche meinen Sie zum Beispiel?
Schon allein, dass es kein oder nur sehr vereinzelt Halal-Fleisch in regulären Supermärkten gibt. Wenn wir Fleisch kaufen wollen, müssen wir in türkische oder arabische Supermärkte. Es gibt auch sehr wenige Klamottenläden, die muslimisch geprägt sind. Wo man bedecktere, längere Sachen findet. Viele Muslime bestellen aus Frankreich und England, das ist natürlich auch sehr teuer.
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Stichwort Kleidung: Auf Tiktok werden Sie auch kritisiert – etwa dafür, dass Sie Mode und Einkäufe zeigen, wo es beim Ramadan doch um Bescheidenheit gehe.
Ich denke, dass jeder den Islam so auslebt, wie es für ihn persönlich passt. Ich mache seit vier, fünf Jahren solche Videos. Ich bin das gewohnt und kann verstehen, warum man bei mir persönlich auch Kritik äussert. Aber ich finde es auch manchmal ein bisschen unfair, dass man das Positive bei meinen Inhalten vergisst.
Ich denke nicht, dass ich etwas falsch mache, wenn ich zeige, was ich anziehe. Ich kleide mich sehr modest, also in weiten Klamotten und nicht figurbetont. Viele nehmen sich ein Beispiel an mir und sind vielleicht auch inspiriert dadurch.
Inwiefern?
Einfach, weil sie denken: Boah, Jenny ist eine Konvertierte, die in einem nicht-muslimischen Haushalt lebt, die zwei Millionen Follower hat, die sich getraut hat, sich für den Islam zu entscheiden und Kopftuch zu tragen und der es egal ist, was die Anderen denken. Sie tut das, was sie für richtig hält und was ihre Wahrheit ist.
Über die Gesprächspartnerin
- Jennifer Schott ist vor rund drei Jahren zum Islam konvertiert. Sie ist Influencerin und spricht auf Tiktok und Instagram vor rund 2,5 Millionen Followern über ihren Glauben, ihren Alltag und alles, was sie beschäftigt. 2024 hat sie ein Ramadan-Journal herausgebracht.
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