Sommer, Sonne, ab ins Freibad? Das ist längst nicht mehr selbstverständlich. Denn fehlendes Personal macht vielen Bädern zu schaffen. Wie sieht eigentlich der Job einer Fachkraft im Freibad aus? Ein Schwimmmeister aus Hamburg erzählt, warum er ein Buch schreiben will und welches Verhalten ihn am meisten ärgert.

Ein Interview

50 Prozent der Stellen in Deutschlands Freibädern waren Anfang Mai 2024 unbesetzt. Das besagt eine Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) unter 314 Betreibern kommunaler Bäder. Für VKU-Chef Ingbert Liebing eine "dramatische" Zahl, insbesondere, da ein Grossteil der Betreiber ähnlich viele oder gar mehr Besucher erwartet als im vergangenen Jahr.

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Wie sieht der Alltag eines Schwimmmeisters in deutschen Freibädern aus und weshalb entscheiden sich womöglich viele gegen diesen Beruf? Wir haben Sascha Hoffmann gefragt, Schwimmmeister bei "Bäderland", der städtischen Betreibergesellschaft in Hamburg.

Herr Hoffmann, was mögen Sie an Ihrem Job? Was motiviert Sie?

Sascha Hoffmann: Das Schöne an dem Job ist die Vielfalt. Jeden Tag vor neuen Aufgaben zu stehen und neue Leute kennenzulernen, deren Kultur und Verhaltensweisen. Ich denke immer, am Ende meiner Laufbahn könnte ich ein Buch schreiben.

Ich bin froh, den Kindern etwas beizubringen, was sie ein Leben lang behalten. In der Sauna wiederum tun wir den Menschen etwas Gutes, indem wir gesundheitsorientierte Anwendungen anbieten. Es ist alles mit dabei. Das macht es so interessant.

Personalnot in Schwimmbädern

  • Laut Bundesverband Deutscher Schwimmmeister fehlen in deutschen Bädern circa 3.000 Bademeister. Bäderland Hamburg will die Zahl nicht bestätigen, da keine entsprechende Erhebung bekannt ist.
  • Klar ist jedoch, dass fehlendes Fachpersonal sicherheitsrelevant ist. Manche Bäder sehen sich deshalb gezwungen, den Betrieb einzuschränken, wie etwa das ZDF bereits im letzten Jahr berichtete.

Sicher gibt es jedoch auch unattraktive Seiten im Job?

Sascha Hoffmann
Sascha Hoffmann ist Schwimmmeister bei "Bäderland", der städtischen Betreibergesellschaft in Hamburg. © Sascha Hoffmann

Der Nachteil ist die Schichtarbeit. Manchmal geht es bis 23 oder 0 Uhr. Ich bin allerdings ein nachtaktiver Mensch. Deshalb ist für mich die Frühschicht nicht so attraktiv. Um 6 Uhr in der Halle zum Saubermachen – da gibt es Schöneres. Eine andere Sache ist: Wenn viele Menschen auf engem Raum aufeinandertreffen, fühlen sich viele eingegrenzt.

An heissen Tagen können schon mal 5.000 bis 6.000 Leute im Freibad sein. Und da kann es schon zu den üblichen zwischenmenschlichen Herausforderungen kommen, nach dem Motto: "Das ist mein Platz." Oder: "Ich möchte auf der Bahn schwimmen." Oder der typische Konflikt: Kinder springen, Schwimmer sind von spritzendem Wasser genervt. In diesen Fällen sollte man freundlich, respektvoll, aber konsequent die Badehausordnung durchsetzen. Damit bin ich immer gut gefahren.

"Die flachen Gewässer sind fast schon am gefährlichsten. Eine Wassertiefe von 1,30 Meter ist für kleine Kinder schon viel."

Sascha Hoffmann, Bademeister

Mussten Sie schon mal jemanden retten?

Ja natürlich. Wobei es ganz selten die Schwimmer sind, die Probleme haben. Die flachen Gewässer sind fast schon am gefährlichsten. Eine Wassertiefe von 1,30 Meter ist für kleine Kinder schon viel. Und ohne Schwimmflügel gehen sie dann unter. Manchmal sind die Eltern noch unter der Dusche oder kümmern sich um die Geschwister. Oder es geht um meinen Lieblingsfeind – das liebe Handy. Manche würden das am liebsten mit ins Wasser nehmen. Da fehlt dann ganz schnell die notwendige Aufmerksamkeit für das Kind, und schon sind tragische Unfälle programmiert.

Weshalb fehlt es Ihrer Meinung nach den Freibädern an Personal?

Ich will nicht alles auf die Pandemie schieben, aber das war schon ein grosser Einschnitt. Damals haben unwahrscheinlich viele gekündigt, weil es unsicher war, wie es weitergehen würde. Vor allem viele Teilzeitkräfte sind damals weggefallen. Oder die regulären Rentenabgänge. Nachbesetzen durfte man in der Kurzarbeitsphase nicht. Als dann alles vorbei war, brauchte deutschlandweit jeder wieder Personal. Am Arbeitsmarkt ist seither quasi nichts zu kriegen.

Ausserdem hat sich die Einstellung mancher Bewerber geändert. Viele möchten zwar Arbeit, aber dann nicht Vollzeit oder keine Schicht. Oder sie wollen früh zu Hause sein, um den "Tatort" nicht zu verpassen. Es fehlt die Arbeitseinstellung, manchmal das eine Prozent mehr zu machen. Hier geht es ja um eine Serviceleistung mit sehr hoher Verantwortung.

Mangel an Fachkräften

  • Sascha Hoffmann gehört zu einer Spezies, die immer seltener wird. Ein Sprecher von Bäderland Hamburg bestätigt, dass es immer schwieriger werde, Fachkräfte zu finden. Viele hätten sich in der Pandemie umorientiert. Bis heute ist es nicht gelungen, diese Corona-Lücke wieder zu schliessen.
  • Dass das Problem in der Hansestadt trotzdem noch nicht überhandnimmt, hat mit dem berüchtigten "Hamburger Schietwetter" zu tun. Es gibt einfach nicht so viele richtig heisse Tage im Jahr. Ist dies doch der Fall, werden teilweise Hallenbäder geschlossen und das Personal von dort abgezogen.

Man hört ja auch immer wieder von Gewalt in Freibädern. Könnte das ein Faktor sein, der potenzielle neue Mitarbeiter abschreckt?

Ich glaube eher nicht. Wir müssen ja einmal festhalten, dass Ereignisse wie zuletzt in Berlin Einzelfälle sind. Es gibt tausende Bäder in Deutschland mit vermutlich Millionen Gästen täglich. Hier in Hamburg haben wir nicht ansatzweise solche Vorfälle. Natürlich macht einen das nachdenklich, wenn man sowas sieht, und in den jeweiligen Situationen war das für die Kollegen wohl auch teilweise gefährlich, jedenfalls habe ich das so gelesen. Aber in Summe, auch mit Blick auf die Bäder in vielen kleinen Kommunen und Städten im ganzen Land, wird da viel aufgebauscht.

Müssen Sie aufgrund der Personalnot manchmal Überstunden leisten?

Bei uns in Hamburg hält sich das in Grenzen. Aber wenn dann noch Krankheitsfälle dazukommen, wie es im Augenblick der Fall ist, können sich Dienstpläne schon mal kurzfristig ändern.

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Wie könnte man den Job denn wieder attraktiver machen?

Wir müssen vielleicht besser kommunizieren, wie interessant der Job ist. Wir tun Gutes, wir passen auf, dass den Menschen nichts passiert. Wir geben ihnen die Möglichkeit, sichere und saubere Wasserflächen zu nutzen. Wir retten Leben und wir bringen Menschen bei, sich selbst zu retten, nicht zuletzt durch Schwimmunterricht. Überwiegend ist es ein sehr schöner Job mit Sommer, Sonne, Sonnenschein. Wir tragen kurze Hosen, eine Sonnenbrille, eine Kappe. Und wir haben es zu 95 Prozent mit glücklichen Menschen zu tun.

Über den Gesprächspartner

  • Sascha Hoffmann ist Schwimmmeister und Headcoach für die Sauna bei Bäderland Hamburg.

Verwendete Quellen

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