Immer mehr Frauen entscheiden sich bewusst für ein Leben ohne Kinder. Dieser Lebensentwurf löst häufig heftige Debatten aus. Auch prominente kinderlose Frauen wie Helen Mirren oder Anastasia Zampounidis kennen die gesellschaftlichen Vorurteile. Welcher soziale Druck auf freiwillig kinderlosen Frauen liegt, analysiert eine Expertin auf Nachfrage unserer Redaktion.
Immer mehr Menschen wählen ein kinderfreies Leben. Dabei ist vor allem ein Trend zu beobachten: dass sich zunehmend Frauen gegen das Muttersein entscheiden. Jede fünfte Frau in Deutschland lebt inzwischen bewusst kinderlos, oder "kinderfrei", wie viele von ihnen ihren Lebensstil gerne nennen. Denn anders als bei ungewollt kinderlosen Personen fehlt ihnen nichts in ihrem Leben. Dennoch löst der Weg, ein kinderfreies Leben zu führen, häufig heftige Debatten aus.
Auch wenn sich immer mehr Frauen aus eigenen Stücken für ein Leben ohne Kinder entscheiden, sehen sich viele von ihnen noch heute immer wieder mit dem viel zitierten "Mutterkult" konfrontiert. Reaktionen und vermeintliche Prophezeiungen wie "Eines Tages wirst du deine Entscheidung bereuen", "Und wer kümmert sich dann im Alter um dich?" oder "Warte nicht zu lange mit dem Kinderkriegen, deine biologische Uhr tickt", fallen nicht selten und zeigen, wie politisch das Private wird, wenn vermeintlich festgelegte gesellschaftliche Strukturen durchbrochen werden.
Über die Beweggründe der Frauen, ein Leben fernab des Mutterseins zu führen, wird häufig spekuliert – inklusive der oftmals gestellten Schlussfolgerung, dass vor allem kinderlose Frauen, die beruflich erfolgreich sind, schnell als familienfeindlich und egoistisch tituliert werden.
Stars wie Helen Mirren, Ellen DeGeneres oder Anastasia Zampounidis sind gewollt kinderlos
Prominente Frauen wie etwa Schauspielerin
So verriet die heute 53-jährige Zampounidis in einem Interview, dass sich der Kinderwunsch bei ihr schlichtweg nie bemerkbar gemacht habe: "Nur ein Kind kriegen, weil ich es kann, finde ich allen nicht fair gegenüber." Die Autorin habe sich demnach nie rigoros gegen Kinder entschieden, bei ihr seien die fehlenden Gefühle jedoch ein wesentlicher Faktor für diese Entscheidung gewesen.
Frausein und Muttersein wird häufig gleichgesetzt
Eine Studie der Online-Arztpraxis ZAVA in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Splendid Research aus dem Jahr 2020 zeigt, dass viele Frauen sich aus finanziellen Gründen gegen ein Kind entscheiden. Doch auch die Verwirklichung persönlicher und beruflicher Ziele sowie das Nicht-Verspüren eines Kinderwunsches spielen bei der Beantwortung auf die Frage nach Kindern eine entscheidende Rolle. Welcher Beweggrund schliesslich der ausschlaggebende sein mag – jede Entscheidung für ein Leben mit oder ohne Kind wird individuell getroffen.
Was viele der "childfree by choice"-Frauen dennoch miteinander eint, ist das häufig auftretende Unverständnis und damit verbundene Vorurteile innerhalb der Gesellschaft. Genau darauf möchte die in Berlin lebende britische Fotografin Zoë Noble mit ihrem Projekt "We are childfree" aufmerksam machen und kinderfrei lebenden Menschen nicht nur Sichtbarkeit verschaffen, sondern auch ihre unterschiedlichen Beweggründe erzählen. Es geht bei Nobles Arbeit aber auch darum, kritische und übergriffige Reaktionen von aussen aufzuzeigen und mit dem Narrativ der herzlosen und karrierefixierten Frau zu brechen.
"Es braucht erneuerte Debatten und viel mehr gefeierte Vorbilder"
Noble will mit ihrem Projekt darauf hinweisen, dass viele Menschen Frausein mit Muttersein gleichsetzen. Auch Claudia Rahnfeld, Studienrichtungsleiterin Soziale Dienste an der Dualen Hochschule Gera-Eisenach, bestätigt diesen Konflikt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Es ist ein fest verankertes Zeichen von Weiblichkeit, dass Frauen – egal, wie selbstbestimmt sie ihr Leben gestalten – irgendwann doch auch Kinder bekommen sollten. Frauen, die sich selbstbestimmt gegen Kinder entscheiden, gelten als selbstbezogen, familienfeindlich und es lastet ihnen ein Bild der Unvollständigkeit an. Dieser reale soziale Druck wird von diffusen gesellschaftlichen Erwartungen, aber häufig auch vom direkten sozialen Umfeld erzeugt."
Fest steht: In den vergangenen 30 Jahren hat die endgültige Kinderlosenquote kontinuierlich zugenommen. Statistiken zeigen, dass bei (noch) kinderlosen Frauen im Alter zwischen 35 und 41 Jahren auch in den nächsten Jahren mit relativ stabilen Niveau der endgültigen Kinderlosigkeit zu rechnen sei. Hier ist also weniger von einem temporären Lebensstil als vielmehr von einer Lebenseinstellung die Rede. Umso wichtiger ist es laut Rahnfeld, bewusst kinderlos lebende Frauen nicht als herzlos abzustempeln: "In einer Welt, die von so vielen Diversitätsdebatten geprägt ist, ist das einfach nicht mehr angemessen. Es braucht erneuerte Debatten und viel mehr gefeierte Vorbilder".
Lesen Sie auch: Kinderwunschbehandlung: Zahlt die Krankenkasse einen Zuschuss?
Verwendete Quellen:
- bpb.de: Langjähriger Trend. Datenreport 2021. Kinderlosenquote.
- zavamed.com: Studie: Späte Mütter – Warum Frauen ihren Kinderwunsch vertagen
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.