Heute ist Linkshänder Tag. Meistens verrät das Schreiben einen Zeitgenossen mit Sinistralität. Doch gibt es weit mehr, was den Alltag von Linkshändern ausmacht. Ist es ein Segen oder eine Bürde? Was ist dran an den Mythen und Legenden?
Zehn bis fünfzehn Prozent der Weltbevölkerung zählen zu den Auserwählten. Sie schreiben mit links und machen fast alles andere auch mit der anderen Hand.
Oft kann man bereits im Mutterleib erkennen, ob der Embryo am Daumen der rechten oder linken Hand nuckelt, welche Vorderextremität sich im späteren Leben die bevorzugte ist. Auch im Kleinkind-Alter können Eltern Hinweise erhalten. Beim Zähneputzen zeigen Jungen und Mädchen erste Tendenzen.
Bis in die siebziger Jahre erzogen Eltern und Pädagogen viele Kinder, die linksveranlagt waren, zu Rechtshänderin um. In manchen Ländern gilt Sinistralität sogar heute noch als verpönt. Betroffene fühlen sich im Alltag diskriminiert oder nicht anerkannt. Ständiges Improvisieren, ob beim Dosenöffner oder dem Gangschalten beim Autofahren, gehört zum Alltag.
Bekannt ist, dass es unter den Linkshändern mehr Männer als Frauen gibt. Ob Linkshänder jedoch durch ihre Veranlagung begünstigt oder benachteiligt sind, sehen Wissenschaftler unterschiedlich. Wir sprachen mit dem Lerntherapeuten und Linkshänder-Berater Frank Steinkopf über die wichtigsten Mythen.
Sind Linkshänder sportlich erfolgreicher?
Linksveranlagte haben in manchen Sportarten aufgrund ihrer Seltenheit Vorteile gegenüber Mitstreitern. So sind sie in Einzelsportarten wie Boxen (Rechtsausleger genannt), Judo, Tennis oder Tischtennis wegen ihrer unkonventionellen Bewegungsabläufe erfolgreicher als ihre Konkurrenten. In manchen Einzelsportarten stellen Linkshänder bis zu 55 Prozent der Spitzensportler.
Auch in Mannschaftssportarten wie Fussball oder Handball sind sie im Vorteil. "Wenn Linkshänder oder auch Linksfüsser wie der Fussballnationalspieler Mesut Özil ihre starke Seite ausleben, sind sie sehr wichtig für eine Mannschaft", berichtet Frank Steinkopf.
Ergebnis: Ja, teilweise. Linkshänder sind vor allem in Einzelsportarten erfolgreicher!
Wie sieht es bei Linkshändern mit der Intelligenz aus?
Bill Gates, Steve Jobs und Albert Einstein sind Beispiele für aussergewöhnliche Intelligenz und Vielseitigkeit. Die Liste der berühmten Linkshänder ist beeindruckend. Das tägliche Improvisieren bereits im Kindesalter schult zudem offenbar die Hochbegabung.
Wirkt sich die Andersartigkeit auch auf die Intelligenz aus? Experte Steinkopf meint dazu: "Sie besitzen eine grosse Phantasie und sind meist sehr kreativ veranlagt. Ihnen kommt ausserdem zugute, dass sie eine hohe Willensstärke haben."
Bemerkenswert ist die Statistik der amerikanischen Präsidenten seit 1981. Mit Ronald Reagan, Bill Clinton, George Bush Senior und Barack Obama zogen gleich vier Linkshänder als Regierende ins Weisse Haus ein. Für Experten ist das nur Zufall. Zahlreiche Studien ergaben, dass Linkshänder keinen höheren IQ haben als Rechtshänder.
Ergebnis: Nein. Es gibt viele hochbegabte Linkshänder. Doch, dass Linkshänder den Rechtshänder intellektuell überlegen sind, stimmt nicht.
Denken Linkshänder anders?
Das ist korrekt. Bei Linkshändern ist das geistige Arbeiten seitenverkehrt, bestätigten Hirnforscher. Linkshänder denken und erfassen ihre Umwelt überwiegend mit der rechten Gehirnhälfte, die für kreatives Handeln und Vorstellungsvermögen zuständig ist. Dadurch, dass die rechte Gehirnhälfte dominant ist, kann es zu einer anderen Wahrnehmung führen als bei Rechtshändern. Linkshändern gelten deshalb häufig als emotionale Denker.
Rechtshänder dagegen arbeiten grösstenteils mit der linken Gehirnhälfte, die für rationales Verhalten steht. "Linkshänder denken vielschichtig und übergreifend", erklärt Therapeut Frank Steinkopf.
Ergebnis: Richtig.
Was ist mit der Kriminalität?
Laut einer Studie aus dem Jahr 1982 von US-Wissenschaftlern aus Boston sind Linkshänder kriminell stärker gefährdet. Doch andere Forscher wiesen bei dieser Studie, die weltweit für Aufregung sorgte, methodische Fehler nach. Auch Frank Steinkopf kann diesen Zusammenhang nicht nachvollziehen: "Davon halte ich nichts. In den zwanzig Jahren, die ich praktiziere und etwa 7.000 bis 8.000 Linkshänder beraten habe, konnte ich solche Tendenzen nicht feststellen."
Einen eindeutigen Beweis oder unzweifelhafte Untersuchungen, die diese These bestätigen, gibt es nicht.
Ergebnis: Nein. Diese Vorurteile sind keineswegs haltbar.
Sind Linkshänder anfälliger für Krankheiten?
Auch zu diesem Mythos gibt es einige Studien und Gegenstudien von Wissenschaftlern sowie Universitäten. Eindeutig konnte bis heute niemand einen Zusammenhang zwischen Krankheiten und der Linkshändigkeit nachweisen.
Trotzdem immer wieder Mythen auftauchten, dass Linkshänder stärker zu Allergien, Schlafstörungen und kleineren Krankheiten neigen, konnte dies nie medizinisch und wissenschaftlich belegt werden. Sogar im Gegenteil: Die Universität Rotterdam bewies 2005, dass Rechtshänder öfter erkranken, weil sie sich mit der rechten Hand an den Mund fassen, mit der sie auch Hände schütteln und Türklinken drücken.
Ergebnis: Eher nein.
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