- Ab dem 15. November 2022 sollen laut UNO acht Milliarden Menschen auf der Erde leben.
- Die Weltbevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen, soll jedoch im Laufe des Jahrhunderts eine Spitze erreichen und dann zurückgehen.
- Die Probleme, die durch die vielen Menschen entstehen, sind laut Experten überwiegend in der Lebensweise der Menschen in den Industrienationen begründet.
Die Zahl der Menschen auf der Erde wird am 15. November die acht Milliarden überschreiten, diesen Stichtag hat die Uno genannt; wohl auch, um die Aufmerksamkeit auf das Thema "Steigende Weltbevölkerung und die Probleme, die das mit sich bringt" zu lenken."
Die Weltbevölkerung ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark gestiegen. Waren es in den 1920ern noch rund zwei Milliarden, sind es nun viermal so viele. Oft ist in dem Zusammenhang von "Überbevölkerung" die Rede, ein Begriff, der irreführend ist.
Denn er suggeriert, dass es nur für eine bestimmte Zahl von Menschen Platz auf der Erde gibt. "Die Frage, ob die Erde acht Milliarden Menschen vertragen kann, ist aber keine des Platzes", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Jan Kreutzberg. Das ist schon daran zu sehen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Bevölkerungsdichte eines Landes und seinem Wohlstand gibt.
Bevölkerung wächst wohl bis auf 10,4 Milliarden
Auch gebe es die Agrartechnik grundsätzlich her, dass bis zu zehn Milliarden Menschen ernährt werden können, erklärte Kreutzberg im Gespräch mit unserer Redaktion. Diese zehn Milliarden, genauer gesagt, 10,4 Milliarden Menschen, sind auch der prognostizierte Spitzenwert der Weltbevölkerung.
Erreicht werden soll er im letzten Drittel des 21. Jahrhundert – bevor die Zahl der Menschen auf unserem Planeten dann langsam zurückgehen soll. Das alles sind Schätzungen und mit recht grosser Unsicherheit behaftet, weil es kein globales Register gibt, sondern Daten aus Volkszählungen genutzt werden, die mitunter sehr unregelmässig stattfinden, erklärt der Geograf Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: "Eine Tendenz lässt sich aber trotzdem erkennen."
Diese geht dahin, dass vor allem in ärmeren Ländern die Bevölkerung weiter recht stark wachsen wird. "In den 40 ärmsten Ländern der Welt wird sich die Bevölkerung bis 2050 verdoppeln; unter den Top 10 der bevölkerungsreichsten Länder ist derzeit ein afrikanisches Land, 2100 werden es fünf sein", sagt Jan Kreutzberg. Auch Geograf Swiaczny sagt, man gehe davon aus, dass die Bevölkerung langfristig vor allem in Subsahara-Afrika und einigen asiatischen Ländern besonders stark steigen wird - während sie zum Beispiel in China und anderen Ländern stagniert oder sogar zurückgeht.
Entscheidend ist der Pro-Kopf-Verbrauch
Für sich genommen ist aber auch dieses Bevölkerungswachstum nicht problematisch. "Es wird aber zum Problem, wenn ein Land schneller wächst als die Entwicklung dort vorangeht, wobei mit 'Entwicklung' vor allem Ernährung, aber auch Jobs und Gesundheitsversorgung gemeint sind", sagt Kreutzberg. Wer aufgrund dieser Prognosen aber zu der These kommt, dass das starke Bevölkerungswachstum in diesen Weltregionen verantwortlich für Ressourcenmangel und Klimawandel sei, liegt laut den Experten komplett falsch.
"Denn den grössten Ressourcenverbrauch, den höchsten CO2-Ausstoss haben nicht die Länder mit dem grössten Bevölkerungswachstum, sondern die mit dem grössten Konsum. Mehr als die Hälfte des CO2-Ausstosses kommt von den reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung", sagt Kreutzberg.
Es gibt dazu diese recht berühmte Zahl, dass wenn der ökologische Fussabdruck so bleibt wie er ist, wir eigentlich 1,7 Erden für unseren globalen Konsum bräuchten. Bald werden es zwei Erden sein. "Würden zum Beispiel alle Menschen so leben wie die US-Amerikaner, bräuchten wir fünf Erden", sagte uns die geschäftsführende Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Catherina Hinz.
Geburtenkontrolle ist keine Lösung
Die These, dass allein das Bevölkerungswachstum dafür verantwortlich ist, müsse man mit grosser Vorsicht behandeln, sagt Geograf Swiaczny. "Denn obwohl die Bevölkerung beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent besonders stark wächst, ist der Pro-Kopf-Verbrauch dort sehr niedrig. Die Länder mit hohem Pro-Kopf-Verbrauch sorgen vor allem für den Klimawandel und dafür, dass Ressourcen knapp sind und die ärmsten Länder leiden unter den Folgen - und haben gleichzeitig natürlich auch einen Anspruch auf einen höheren Lebensstandard, auf Entwicklung."
Dass eine restriktive Familienpolitik, wie sie China eine Zeit lang praktiziert hat, nicht die Lösung sein kann, darin sind sich die Experten einig. Denn die freie Entscheidung, wie viele Kinder man bekommen möchte, ist ein individuelles Menschenrecht - und von einer Geburtenkontrolle hat sich die Weltgemeinschaft schon auf der Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo verabschiedet.
Um erdverträglich zu leben, müssten auf der einen Seite die Industrieländer ihren Ressourcenverbrauch und Schadstoffausstoss extrem reduzieren. "Der Einfluss eines hohen Pro-Kopf-Konsums auf Ressourcenknappheit und Klimawandel ist viel grösser, als das derzeitige Bevölkerungswachstum in den ärmsten Ländern", betont Frank Swiaczny. Auf der anderen Seite müsste darauf geachtet werden, dass die Entwicklung in ärmeren Ländern Fehler der Industrienationen nicht wiederholt.
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Entwicklung mit Leapfrogging
Ein wichtiges Stichwort lautet hier "Leapfrogging". Es meint das Überspringen von ineffizienten, nicht nachhaltigen Entwicklungsschritten. "Also, dass man beispielsweise Energie nicht über fossile Träger erzeugt, sondern direkt mit erneuerbaren einsteigt. Oder dass man bei der Einrichtung von Kommunikationsinfrastruktur nicht in Kupferkabel, sondern direkt in Mobil- oder Satellitenfunk investiert", erklärt Frank Swiaczny.
Catherina Hinz nennt als weitere Beispiele: eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft mit verbessertem Saatgut, gezieltem Düngereinsatz und Anbaumethoden mit einem geringen Wasserverbrauch. "Auch die Digitalisierung kann hier helfen, zum Beispiel, indem die Bauern Wetter-Apps nutzen. In einigen Ländern gibt es auch eine Art Carsharing für Traktoren, ebenfalls per App", sagt die Direktorin des Berlin-Instituts.
Zudem müsse man in Bildung - nicht nur, aber vor allem - für Mädchen und junge Frauen investieren. "Viele Studien haben ergeben, dass vor allem weiterführende Bildung für Mädchen dazu führt, dass sie weniger Kinder bekommen, weil sie dann einen Beruf ergreifen und neben einer Rolle als Mutter auch noch eine andere Perspektive bekommen."
Verwendete Quellen:
- Telefoninterviews mit dem Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, Jan Kreutzberg, mit Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und mit Catherina Hinz, geschäftsführende Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung
- Bundeszentrale für politische Bildung: Weltbevölkerung – stoppt der Anstieg bei 11 Milliarden?
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