In den sozialen Medien und diverse Büchern wird Manifestieren angepriesen. Was ist das - und funktioniert das wirklich?
Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihre grössten Träume und tiefsten Wünsche wahr werden lassen – einfach, indem Sie Ihre Gedanken und Energie darauf fokussieren. Das ist die Idee hinter dem Konzept des Manifestierens. Aber was genau bedeutet es und wie funktioniert es?
Manifestieren ist die Praxis, durch die Fokussierung auf positive Gedanken und klare Visualisierung die eigenen Wünsche und Ziele in die Realität umzusetzen. Sie basiert auf der Annahme, dass unsere Gedanken und Überzeugungen eine direkte Auswirkung auf unsere Lebensrealität haben.
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Stellen Sie sich vor, Sie konzentrieren sich intensiv auf ein Ziel, als ob es bereits erreicht wäre, und durch diese positive Energie und feste Überzeugung wird dieser Wunsch tatsächlich Wirklichkeit. Diese Methode ist derzeit besonders beliebt, vor allem bei jungen Menschen, und wird in sozialen Medien und verschiedenen Selbsthilfebüchern viel diskutiert.
Manifestieren in verschiedenen Lebensbereichen
Manifestieren soll in vielen Lebensbereichen funktionieren, von beruflichen Zielen über persönliche Beziehungen bis hin zur Gesundheit und finanziellen Unabhängigkeit.
Ein konkretes Beispiel ist das berufliche Vorankommen: Angeblich können Sie eine Beförderung erreichen, indem Sie sich diese lebhaft vorstellen – wie Sie die neue Position ausfüllen, welche Aufgaben Sie übernehmen und wie sich Ihr Arbeitsumfeld verändert. Ergänzen sollen Sie diese Visualisierung durch positive Affirmationen wie "Ich bin erfolgreich in meiner neuen Position und werde geschätzt".
In persönlichen Beziehungen können Sie angeblich manifestieren, indem Sie sich beispielsweise eine harmonische und erfüllende Partnerschaft vorstellen. Den Traumpartner mit allen wünschenswerten Eigenschaften also immer wieder visualisieren und schon taucht er auf? Oder sich den langersehnten Porsche immer wieder in der eigenen Garage vorstellen – funktioniert das wirklich?
Wünschen allein reicht nicht beim Manifestieren
Gabriele Oettingen, Professorin für Psychologie an der New York University und an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, sieht beim Manifestieren allerdings Grenzen und sogar Gefahren. In ihrer Forschung befasst sie sich seit 20 Jahren mit der Zielerreichung, den Möglichkeiten der Selbstmotivation und der Wirksamkeit von Zukunftsdenken.
"Positives Denken allein reicht nicht, um Wünsche zu verwirklichen. Im Gegenteil, wer immer nur positiv denkt, sich auf seine Zukunft fokussiert und alle Hindernisse ausblendet, wird seine Ziele kaum erreichen können, das konnten wir in unserer Forschung immer wieder feststellen. Zwar lösen die Zukunftsfantasien zunächst Glücksgefühle aus, senken den Blutdruck, beruhigen einen, aber die Energie zur Umsetzung fehlt", erklärt Oettingen.
Soziale Medien suggerieren einfache Zielerreichung
Diese Strategie des positiven Denkens kann laut Gabriele Oettingen für junge Menschen sogar gefährlich werden: In sozialen Medien werden ihnen immer wieder Menschen vor Augen geführt, die durch Manifestieren angeblich die finanzielle Freiheit, den Traumjob, die ersehnte Partnerschaft oder die teure Villa haben Realität werden lassen. Es wird häufig suggeriert, dass diese Wünsche ganz ohne Anstrengung, sondern nur durch Manifestation erreicht wurden.
Probieren dann andere diese vorgeschlagene Methode aus und stellen fest, dass sie bei ihnen nicht funktioniert, nage das am Selbstwertgefühl, so Oettingen. Es würden Fragen auftreten wie: Warum klappt das bei mir nicht? Was ist verkehrt mit mir?
Dass bei derartigen Darstellungen in den sozialen Medien aber häufig nur die halbe Wahrheit zu sehen ist, wissen viele nicht. Es braucht auch das aktive Handeln, das Umsetzen und die konkrete Arbeit, erst dann funktioniert es. Vom Rumsitzen und Träumen allein kommen wir dem Ziel nicht näher.
Und was ist nun die Lösung? "Positives Denken ist dennoch wichtig und der erste Schritt, sonst fehlt dem Handeln die Richtung. Wir stellen uns die gewünschte Zukunft so detailliert wie möglich vor. Ob wir nun mehr Sport machen, gesünder essen oder bessere Ergebnisse in Prüfungen erzielen wollen. Als Nächstes blicken wir unserem zentralen inneren Hindernis ins Auge, das uns davon abhält, unseren Wunsch zu erfüllen. Das kann eine Emotion, eine Überzeugung oder auch eine Gewohnheit sein. Schliesslich finden wir Möglichkeiten, das Hindernis erfolgreich zu überwinden, entwickeln einen Plan und setzen diesen um", erklärt Oettingen.
Hilfreich sind dabei auch noch Geduld und Durchhaltevermögen sowie die Fähigkeit, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen, sondern von ihnen zu lernen und zu profitieren. "Die Strategie ist zudem anwendbar bei grossen Lebensentscheidungen: Wo will ich hin? Was steht mir dabei im Weg? Mit ein wenig Übung lassen sich so Wünsche handelnd verwirklichen und Gewohnheiten ändern", fasst Oettingen zusammen.
Über die Gesprächspartnerin
- Prof. Dr. Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der New York University und an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.
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