Blumen und Schokolade? Viele Frauen wünschen sich zum Muttertag eher Entlastung, zum Beispiel mehr Unterstützung im Haushalt. Die Coronakrise scheint Frauen noch mehr in die Rolle der Hausfrau zu drängen. Oder birgt sie vielleicht die Chance für einen Rollentausch?
Obwohl es viele Paare anders machen wollen, entscheiden sich viele nach der Familiengründung dann doch für die klassische Arbeitsteilung: Frauen sind primär für Haushalt und Kinder zuständig, Männer fürs Geldverdienen: "Wir kommen bei der traditionellen Rollenteilung nur in Minischritten voran, vor allem wenn Kinder da sind", sagt Christina Boll vom Deutschen Jugendinstitut. Das Verhalten der Geschlechter gleiche sich nur ganz langsam etwas an, stellt auch Florian Schulz vom Staatsinstitut für Familienforschung der Universität Bamberg fest.
"Frauen übernehmen seit 20, 30 Jahren etwa zwei Drittel der Hausarbeit und Männer ein Drittel der unbezahlten Arbeit", sagt der Soziologe. Diese Tendenzen gebe es auch schon bei Kindern, wie seine neue Studie zeige. "Mädchen machen mehr Hausarbeit als Jungen und auch dabei gibt es eine Verteilung von etwa zwei Drittel zu einem Drittel." Bringt nun das Familienleben in der Coronakrise mit Homeoffice, Kurzarbeit und Homeschooling den Wandel?
Studie: Mütter arbeiten 70 Stunden pro Woche
"Viele Mütter tragen die Hauptlast der Corona-Massnahmen", sagt der Präsident der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf), Martin Bujard. Er verweist auf die repräsentative Mannheimer Corona-Studie, die Paare 2018 und Mitte April 2020 befragt hat. Sie zeige, dass bei den Müttern von Kindern unter 16 Jahren die Arbeitszeit nur in der Familie - Haushalt und Betreuung - von durchschnittlich 6,9 auf 8,2 Stunden am Tag gestiegen ist.
Ihre gesamte Arbeitszeit - nahm danach statistisch von 13,5 auf 13,6 Stunden pro Tag zu. Darin seien aber auch die Mütter erfasst, die coronabedingt in Kurzarbeit oder erwerbslos sind. Die anderen dürften somit pro Tag um die 14 Stunden für Familie und Beruf arbeiten, was rund 70 Wochenstunden entspreche, wie Wissenschaftler Bujard sagt.
Corona-Familienarbeitszeit gefordert
Paare, bei denen in der Coronakrise beide versuchten, ihre Berufstätigkeit und die Kindererziehung samt Homeschooling unter einen Hut zu bekommen, gingen oft an und über ihre Belastungsgrenze. Damit nicht ein grosser Teil dieser Elternpaare in einen Burnout hineinlaufe, fordern Bujard und die eaf die Einführung einer Corona-Familienarbeitszeit.
Sowohl Mütter als auch Väter sollen bei ihren Arbeitgebern eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit beantragen und dafür teilweisen finanziellen Ausgleich bekommen, vor allem Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen. "Diese Paare, die Überstunden, Urlaub schon genommen haben und auf dem Zahnfleisch gehen, brauchen den Rechtsanspruch auf eine solche Familienarbeitszeit", betont Bujard. Sie könnten etwa für ein paar Monate um jeweils zehn Wochenstunden reduzieren.
Bujard sieht aber auch noch andere Gruppen: Familien, in denen die Erwerbsarbeit der Väter hoch bleibt oder gar zunimmt, etwa, weil diese in Krisenstäben vertreten sind. "In diesen Familien droht eine Retraditionalisierung der Arbeitsverteilung." Väter, die dagegen nicht erwerbstätig und vollständig zu Hause sind, weil sie etwa in der Gastronomie arbeiten oder in Kurzarbeit sind, seien nun "ungeplant in einer aktiveren Vaterrolle".
Wissenschaftlerin: Ungleichheit wird sich verschärfen
Nach Einschätzung von Manuela Barišić von der Bertelsmann Stiftung "deutet vieles darauf hin, dass sich die Ungleichheitsdynamiken zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt verschärfen werden". Dazu komme, "dass Frauen und Mütter in der aktuellen Krise auch einen Grossteil der zusätzlichen Last zu Hause tragen, da Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen sind".
Die Folge: eine Verstärkung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten in der "Care-Arbeit". Besonders schwierig sei diese Situation für Alleinerziehende - meist Mütter.
Chancen in der Krise
Die Wissenschaftlerin sieht aber auch eine Chance: "Da zurzeit auch viele Männer und Väter von zu Hause arbeiten und sehen, was Frauen und Mütter an 'Care-Arbeit' leisten, könnte dies zu einer wichtigen Erfahrung werden und einen kulturellen Wandel einläuten." Um langfristig nachhaltige Veränderungen zu erzielen, müsse dieser allerdings durch eine Reihe institutioneller Rahmenbedingungen flankiert werden - vom Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuung bis zu Anreizen im Steuersystem.
Das Zusammenleben zu Hause unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie bietet auch nach Einschätzung des Soziologen Schulz die Chance für wachsendes Verständnis der Abläufe und neue Abmachungen. Es könne aber auch Stress entstehen, weil klare Absprachen und Regelungen viele Diskussionen und Verhandlungen erforderten. Oder etwa wenn die Frau, die normalerweise die Spülmaschine einräumt, nicht zufrieden damit sei, wie ihr Mann sie einräume.
"Corona wird etwas ändern"
Boll, Abteilungsleiterin Familie und Familienpolitik beim Deutschen Jugendinstitut, geht davon aus, "dass sich durch Corona etwas ändern wird". Viele Väter müssten jetzt zu Hause bleiben. In Kombination mit den Müttern, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiteten - wie etwa im Krankenhaus, Einzelhandel oder Pflege - ergebe sich zwangsläufig ein Rollentausch.
Der "externe Schock Corona" bringe die Paare in die Bredouille, das irgendwie regeln zu müssen, sagt Boll. Und die Grosseltern dürften wegen des Kontaktverbots nicht eingreifen. Wie nachhaltig der "Corana-Effekt wirke, hänge aber von der Dauer der Krise ab, sagt auch Boll.
Allerdings werde die Welt nach Corona - auch wegen des Digitalisierungsschubs - nicht mehr dieselbe sein wie vor Corona. Viele Skeptiker des Homeoffices seien zwangsweise überzeugt worden. (Ira Schaible, dpa/af)
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