Es gibt weltweit kaum eine Organisation, die so kontrovers diskutiert wird wie Scientology. Auf der einen Seite ist öffentlich immer wieder von schweren Manipulationen, Gewalt und finanzieller Ausbeutung die Rede, auf der anderen Seite steht das erklärte Ziel der Scientologen, das Wohlbefinden ihrer Anhänger zu verbessern. Nicht zuletzt gibt es viele prominente Befürworter, die diesen Glauben in die Welt tragen - allen voran Tom Cruise und John Travolta, zwei aus der ersten Riege Hollywoods.

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Wohl unstrittig ist, dass Grausamkeiten und Verfehlungen in der Geschichte von Scientology zu belegen sind. Auch die Angst vieler Aussteiger ist real. Allerdings wird sich den Vorwurf schwerer "Sünden" so manche Kirche oder religiöse Gemeinschaft gefallen lassen müssen. In Deutschland erleben wir es gerade mit den Kirchenaustritten nach den pädophilen Exzessen mancher Pfarrer. Doch sind derlei Parallelen statthaft? Ist Scientology überhaupt eine Kirche? Oder sind die Verfehlungen hier vielleicht Programm? Ist zum Beispiel die finanzielle Ausbeutung der Mitglieder das eigentliche Ziel - oder wurde es im Laufe der Jahre dazu?

Gerade weil sich viele Fragen nicht objektiv klären lassen, ist es wichtig, Fakten zu kennen. Dies schliesst die Argumente der Gegner ein, zumal die öffentliche Diskussion gerade in Deutschland massgeblich von ihnen geprägt ist. Eine Zusammenfassung:

L. Ron Hubbard

Die Geschichte von Scientology, das ist L. Ron Hubbard. Er hat Scientology geschaffen und über Jahrzehnte gestaltet und geprägt. Von ihm stammen die grundlegenden Gedanken, die er zur Weltanschauung machte. Von ihm stammt auch die Struktur der Organisation.

Hubbard wird 1911 in Nebraska in den USA geboren. Er ist ein vielseitig interessierter Junge, körperlich und geistig rege, vor allem aber neugierig genug, um sich auf verschiedenen Gebieten auszuprobieren. 1928 schreibt er seine ersten Kurzgeschichten, 1936 erscheint sein erster Roman, eine Geschichte rund um die Schwarzfussindianer. Hubbard schreibt bis zu seinem Lebensende 1986 und veröffentlicht insgesamt über 300 Bücher. Er war erfolgreicher Autor mit Millionenauflagen und Übersetzungen in über 50 Sprachen. Trotz aller Kontinuität vollzieht sich zum Beginn der 1950er Jahre eine Veränderung. Hat sich Hubbard in den ersten vier Jahrzehnten weitgehend der Unterhaltungsliteratur verschrieben, so veröffentlicht er in der zweiten Lebenshälfte vorrangig Sachbücher. 1950 erscheint sein Werk "Dianetics", auf der die Lehre von Scientology fusst, die Hubbard selbst immer weiter ausbaut. Wohl auch aus finanziellen Gründen gründet er 1953/54 die "Church of Scientology". Sie ist bis heute in den USA als Religionsgemeinschaft steuerbefreit, ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Die Lehre

Zum Verständnis der Lehre ist es zumindest von Vorteil, ein gewisses Verständnis für Science Fiction aufzubringen. Grundlage ist nämlich unter anderem die Annahme, dass der Mensch vor einigen Millionen Jahren von einem galaktischen Herrscher derart geschädigt wurde, dass seine Seele – bei Scientology der "Thetan" als unsterbliches Wesen jedes Menschen - nun verletzt und gefangen ist. Die Folge sind Neurosen, psychische Krankheiten und ein allgemeines Unwohlsein. Auch seine maximale Leistungskraft kann der Mensch so nicht erreichen. Scientology bietet an, diesen unbefriedigenden Zustand zu beenden, also das Wohlbefinden jedes Einzelnen zu steigern und so zu einem reicheren, erfüllten Leben beizutragen. Um dies zu erreichen, wird ein stufenweiser Prozess der Reinigung in Kraft gesetzt, an dessen Ende der Thetan seine Befreiung erfährt.

Die Möglichkeiten der Psychiatrie und die damit oft verbundene Verschreibung von Psychopharmaka lehnt Scientology folgerichtig ab, da der eigene Weg präferiert wird.

Die Praxis

Zunächst, der Prozess ist langwierig und nicht ganz billig, denn es gilt verschiedene Kurse zu belegen, die aufeinander aufbauen und so gemäss Scientology eine Art "Brücke zur völligen Freiheit" bilden. Am Anfang steht meist ein umfangreicher Persönlichkeitstest, der die seelischen Defizite und persönlichen Probleme offenbart, also die Teilnahme an den angebotenen Kursen erst begründet. Diese Kurse, die "Auditings", bestehen weitgehend aus Kommunikation. Über das Gespräch, das Studium der Werke Hubbards, aber auch über gezielte Handlungs-Wiederholungen, Ansprachen, Hypnose-Praktiken und anderes soll der "Pre-Clear" von seinen psychischen Belastungen befreit werden und damit den "Clear-Status" erreichen.

Überraschenderweise lässt sich die emotionale Entlastung mit Hilfe eines speziellen Gerätes, des E-Meters, angeblich sogar messen. Das Gerät zeigt, an ob es gelang, die emotionale Überspannung beim Auditierten abzubauen. (Hubbard selbst hatte sich mit der Messung von Schmerzempfinden beschäftigt. Er entwickelte unter anderem ein Gerät zur Messung des Schmerzempfindens von Tomaten beim Aufschneiden.)

Ist der Clear-Status erreicht, was mehrere Auditings voraussetzt, wird an der Erreichung sogenannter Operation-Thetan-Stufen gearbeitet. Die höchste Stufe entspricht einer völligen Befreiung des Thetans, also der seelischen Freiheit von Materie, Zeit und Raum. Bei diesen Kursen geht es also nicht mehr allein um das Erkennen und Verarbeiten der eigenen Probleme, sondern um Transzendenz – um die grosse Freiheit.

Gegner und Befürworter

Genaue Zahlen über die Anhängerschaft von Scientology gibt es nicht. Scientology selbst sprach schon vor Jahren von über zehn Millionen Anhängern, unabhängige Schätzungen gehen dagegen von gut 100.000 Menschen aus. Die Zahlen klaffen also weit auseinander. Die meisten Scientologen gibt es in den USA, wobei die Zahlen seit den 1960er Jahren eher rückläufig sind. In Europa konnte Scientology in vielen Ländern Fuss fassen, unter anderem in Italien, Grossbritannien, Frankreich, der Schweiz, Ungarn und Deutschland. Die Zahl der Anhänger in Deutschland dürfte jedoch deutlich unter 10.000 liegen, was auch mit einer weitgehenden Ablehnung der Lehre durch die Politik zu begründen ist.

Aus Sicht vieler Religions- und Sozialwissenschaftler kann Scientology den Status als eigene Religion für sich in Anspruch nehmen. Dabei betonen die Wissenschaftler jedoch, dass mit dieser Anerkennung noch keine Wertung der Lehre verbunden ist.

Im Gegensatz zu den USA, Australien und vielen anderen Ländern lehnen manche europäischen Staaten Scientology als Religionsgemeinschaft ab. In den meisten deutschen Bundesländern wird die Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet. Begründet wird dies mit möglichen "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung". Auch Frankreich und Russland melden Bedenken an. Eine Entscheidung Moskaus zur Nicht-Anerkennung von Scientology als Religionsgemeinschaft wurde allerdings vom Europäischen Gerichtshof kassiert.

Die Kritikpunkte an Scientology sind vielfältig und reichen bis zum Vorwurf schwerer Menschenrechtsverletzungen. Kernpunkt der Kritik sind die hohen Kosten, die den Scientologen im Zuge des Lernprozesses entstehen. Unterschiedlichen Quellen zufolge belaufen sie sich bis zum Erreichen der höchsten Stufe auf rund 300.000 Euro. Die Folge: finanzielle Abhängigkeit, in vielen Fällen der Ruin. Als bedenklich gilt auch, dass die Kosten nach dem freien Test-Einstieg immer weiter steigen, denn so werde die wachsende Abhängigkeit der Mitglieder ausgenutzt. Wer aus diesen oder anderen Gründen dem Scientology-Glauben abschwören will, sei sozial isoliert und werde sogar bedroht. Studien belegen diese Bedrohung nicht, bestätigen aber die finanziellen Nachteile.

Ebenfalls in der öffentlichen Kritik sind Teile der Ideologie, die als undemokratisch eingestuft wird. Als Beispiel gelten meist die Camps der sogenannten "Rehabilitation Project Force", in denen höhergestellte Scientologen bei Verfehlungen wieder auf Kurs gebracht werden sollen. Der CSU-Politiker Günther Beckstein sah hier sogar "KZ-ähnliche Zustände".

Da Scientology die "stille Geburt" propagiert, kommt auch immer wieder Kritik aus dem Gesundheitsbereich. Scientology selbst erklärt, "dass sowohl die Wehen als auch die Entbindung in einer ruhigen und liebevollen Umgebung stattfinden sollen, wobei von den Anwesenden kein Wort gesprochen wird." Zurufe und "ermutigende" Bemerkungen seien fehl am Platz. Begründet wird dies mit der Lehre Hubbards. Sie besagt, dass der "reaktive Verstand" gerade in Schmerzsituationen Wahrnehmungen aufzeichnet. Worte bei der Geburt könnten sich daher nachteilig auf die spätere Entwicklung des Kindes auswirken. Zumindest was das Wohl der werdenden Mütter betrifft, haben Hebammen und Ärzte da wohl andere Erfahrungen.

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