Sexualbegleiter helfen Menschen, die in ihrer Sexualität Unterstützung brauchen. Das kann zum Beispiel aufgrund einer Behinderung sein, aufgrund von hohem Alter oder extremer Schüchternheit. Ein Sexualbegleiter kann für den Zeitraum des Dates, wie Sexualbegleiter eine Begegnung nennen, eine Art Ersatzpartner werden. Manchmal sind aber auch ganz andere Dinge gefragt. Wir haben uns mit einer Sexualbegleiterin über ihren Beruf unterhalten. Shayla begleitet seit drei Jahren geistig und körperlich Behinderte sowie Nicht-Behinderte.

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Wie läuft ein typisches Sexualbegleitungs-Date ab?

Ich beginne ein Date immer mit einem Vorgespräch. Wir müssen uns erst einmal kennenlernen und ich frage, warum jemand zu mir kommt und welche Erfahrungen er bisher gemacht hat. Das dauert manchmal eine halbe Stunde, manchmal auch länger.

Ich habe einen sehr gemütlichen Raum, der mit Kerzen erleuchtet und kuschelig warm ist. Dort gibt es die Möglichkeit, sich gemeinsam auf ein Bett zu legen. Wenn ich zu jemandem nach Hause komme oder in einer Einrichtung gebucht werde, sitzen wir meistens erst einmal auf der Couch oder auf dem Bett.

Und dann kommt es ganz darauf an, was gefragt ist. Vielleicht will derjenige einfach nur mal kuscheln, etwas Berührung empfangen, Zärtlichkeit kennenlernen. Was passiert, das weiss ich vorher nie. Geistig behinderten Männern zeige ich manchmal zum ersten Mal ein weibliches Geschlechtsteil. Dann können sie das anschauen, auch anfassen.

Welche Form einer sexuellen Interaktion entsteht oder durch eine körperliche Einschränkung überhaupt möglich ist, entscheiden wir immer gemeinsam.

Das kann von angezogen kuscheln bis zum Geschlechtsverkehr alles sein. Ich unterscheide mich ganz klar von einer Prostituierten, ich mache nichts, was mir nicht gut tut. Ich muss immer meine Grenzen im Blick haben und für mich sorgen. Es muss beiden Spass machen, sonst kann ja auch nichts Schönes entstehen. Ganz wichtig ist mir immer, sich mit Achtsamkeit und liebevollem Respekt zu begegnen.

Wie sind Sie zu dem Beruf gekommen?

Ich hatte selbst Probleme mit meiner Sexualität. Ich kam aus einer langen Beziehung, hatte Kinder und fragte mich: Wo ist eigentlich diese tolle Sexualität, von der man immer hört? In meinem gesamten Umfeld hat keiner darüber gesprochen. Das hat mich völlig irritiert.

Dann habe ich mir mal eine Tantra-Massage gegönnt. Da habe ich dann zweieinhalb Stunden schluchzend auf der Matte gesessen und gelegen und habe mich anfassen lassen.

Das war mein Durchbruch. Ich bin vorher noch nie so berührt worden, so absichtslos. Bei meiner nächsten Massage habe ich nicht stundenlang geheult. Das habe ich als wunderschön erlebt und wollte diese Erfahrung weiterreichen.

Mein damaliger Partner arbeitete in einer Behinderteneinrichtung. Er hat mir erzählt, dass Behinderte ihre Sexualität an keiner Stelle ausleben können. Es spricht keiner darüber, es gibt keine Räume, es gibt keine Möglichkeit, sich anzufassen. Sie werden eher dafür bestraft, wenn sie versuchen, ihre Sexualität auszuleben. Diese Geschichte hat mich dazu veranlasst, die Ausbildung zur Sexualbegleiterin zu machen.

Wie war Ihr erstes Date mit einem Behinderten?

Nicht anders als mit einem Nicht-Behinderten. Ich lebe sexuell mittlerweile sehr offen und ich mache da keinen Unterschied zwischen Nicht-Behinderten und zum Beispiel Schwerbehinderten. Es gibt für mich auch keine Altersgrenze. Der älteste Herr, den ich begleite, ist 91 und der jüngste 19.

Da gibt es auch alle Körperformen, Längen und Breiten. Ich kann mich da sehr schnell drauf einlassen. Es gibt nichts, wo ich sage: Das kann ich nicht. Das habe ich noch nicht erlebt. Also wenn sie übel riechen oder nicht gewaschen sind, dann sorge ich dafür. Das gehört auch zur Sexualbegleitung dazu, dass ich sage: Im echten Leben kannst Du so, wie Du riechst, auch nicht in Kontakt kommen mit einer Frau. Ich sage nicht unbedingt nur Dinge, die sie hören wollen.

Ich mache auch Flirt-Training, also wie kann ich eine Frau ansprechen, zum Beispiel. Oder ich sage: Fass mich mal an, nimm mich in den Arm, nimm mich mal an die Hand. Und dann sage ich ihnen, wie das bei mir ankommt. Das kennen viele ja gar nicht. In den Einrichtungen werden solche Berührungen ja oft sofort unterbunden.

War es von Anfang an einfach für Sie, sich sexuell auf fremde Menschen einzulassen?

Ja. Ich bin ein sehr sexueller Mensch, ich habe ein tolles Verhältnis zu meinem Körper, zeige meinen Körper gerne, ich fasse total gerne an und werde gerne angefasst.

Ich finde es einfach, mich auf andere Menschen einzulassen. Herausfordernd war einmal eine Begegnung mit einem 84-jährigen Mann, der nicht reden kann und nur noch seine Hände bewegen kann. Das Date mit mir war seine zweite Begegnung mit einer Frau. Da war ich sehr gespannt.

Und das war eine der leidenschaftlichsten Begegnungen, die ich je erlebt habe. Wir haben einfach eine Stunde lang gerauft, sage ich mal. Er hat dabei gelacht und hatte danach ganz rote Wangen. Eine Erektion hatte er nicht, das ging bei ihm gar nicht mehr. Er hat einfach diese Ganzkörperberührung genossen.

Gab es schon einmal eine Situation, die unangenehm war für Sie? In der Sie vielleicht sogar Angst hatten?

Nein. Weil ich sehr, sehr scharf sein kann. Ich bremse das aus, wenn ich merke, dass etwas unangenehm wird. Ich sage auch ganz klar vorher, was geht und was nicht geht.

Ich küsse zum Beispiel nicht auf den Mund, gebe keine Zungenküsse. Ich küsse gerne auf den Körper, aber eben nicht Mund zu Mund. Für mich sind Zungenküsse wesentlich intimer als Geschlechtsverkehr, also das Intimste, was man miteinander teilen kann und das möchte ich gerne für mich behalten.

Ein älterer Herr, der eine zeitlang zu mir kam, hat diese Grenze nicht respektiert. Da musste ich die Begleitung abbrechen.

Wie kommen Interessenten in Kontakt mit Ihnen?

Sie finden meine Website im Internet oder finden mich auf Facebook und schreiben mich an und dann machen wir einen Termin aus.

Nicht alle sind dazu in der Lage, dann sind es die Pfleger, die sich an mich wenden – meist wenn sie mit dem sexuellen Verlangen ihrer Betreuten nicht mehr zurecht kommen. Oder die Mütter.

Wie viel kostet Sexualbegleitung?

Die erste Stunde kostet bei mir 150 Euro, weil sie einfach die anspruchsvollste ist. Das ist der Einstieg, da muss ich mir den Gesamtüberblick verschaffen. Jede weitere Stunde kostet 100 Euro.

Wer bezahlt die Sexualbegleitung?

Die muss jeder selbst bezahlen. Und Behinderte verdienen ja meist kein oder nur sehr wenig Geld. Viele sparen all ihr Geld, verkneifen sich jedes Eis, um sich mal eine Stunde leisten zu können. Ich hatte einmal einen Gast, der anderthalb Jahre lang für das Date mit mir gespart hat.


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