Minimalismus ist Trend und ein Gegenpol zur konsumorientieren Überflussgesellschaft. Doch was steckt wirklich dahinter und warum kann es befreiend sein, auf Besitz zu verzichten?

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"Mein Haus, mein Auto, mein Boot" – wer kennt ihn nicht, den Werbespot-Klassiker der Sparkasse, in dem sich zwei Bekannte zu übertrumpfen versuchen?

Wir alle können vermutlich eine umfangreiche Aufzählung unserer persönlichen Besitztümer starten: "Meine Schuhe, meine Kleidung, meine Möbel, mein Smartphone, mein LED-Fernseher, mein Werkzeug, meine Kosmetik-Produkte, meine Bücher, mein technisches Equipment, mein Schmuck …" Angeblich besitzt der Durchschnittseuropäer 10.000 Dinge. Wer behält da noch den Überblick?

Und dennoch konsumieren wir weiter, häufen mehr Besitz an, träumen vom Eigenheim, dem neuesten Smartphone oder dem Pullover in der aktuellen Trendfarbe. Laut dem Statistischen Bundesamt ist der Einzelhandelsumsatz 2017 gegenüber dem Vorjahr erneut gestiegen.

Minimalismus: Weniger ist mehr

Minimalisten sperren sich gezielt gegen dieses Konsumverhalten. Ihr Motto: Weniger ist mehr. Was steckt dahinter – und wie sieht das in der Praxis aus?

Eine einheitliche Definition von Minimalismus oder eine repräsentative Studie gibt es nicht. Wie man den Minimalismus leben will, ist eine Frage des eigenen Ermessens.

Minimalismus ist ein Phänomen der Wohlstandsgesellschaft. Gemeinsam ist Minimalisten, auch "Downshifter" genannt, dass sie einen Lebensstil führen, der sich bewusst gegen die sogenannte konsumorientierte Überflussgesellschaft abgrenzt.

Sie wollen mit wenigen materiellen Gegenständen auskommen. Statt 10.000 Dinge zu besitzen, reduzieren viele auf wenige Hundert.

Häufig geschieht das aus ökologischen und nachhaltigen Motiven. Aber auch der Gedanke, dass zu viel Besitz belastet und unfrei macht, spielt dabei eine Rolle. Denn was erworben wurde, fordert künftig Aufmerksamkeit, will gewartet, versichert, gewaschen oder repariert werden.

Vor der Anschaffung eines Gegenstandes stellen sich viele Minimalisten daher die Fragen: Brauche ich das wirklich, um glücklich zu sein oder belastet mich die Anschaffung letztendlich eher? Was trägt wirklich zu einem erfüllten Leben bei?

Worauf gründet sich der Minimalismus?

Ein neues Konzept ist Minimalismus nicht, vielmehr finden sich Minimalisten in jeder Epoche und über alle Glaubensrichtungen verteilt. Diogenes von Sinope etwa soll bereits im 5. Jahrhundert vor Christus einen auf die wesentlichen Grundbedürfnisse reduzierten Lebensstil ohne festen Wohnsitz vorgelebt und der Legende nach sogar in einer Tonne gehaust haben.

Als Vorreiter des modernen Minimalismus gilt unter anderem der amerikanische Blogger Kelly Sutton. Auf seiner Website propagierte der Software-Programmierer ab 2009 den "Cult of less". Inzwischen hat er allerdings Abstand vom Minimalismus genommen.

Der US-amerikanische Blogger Dave Bruno behauptete, nur mit 100 Dingen zu leben und fand damit weltweit Nachahmer.

Heute gibt es zahlreiche Blogs, Foren und Webseiten zum Minimalismus, bei der sich die Community rege austauscht, sich gegenseitig Tipps gibt und sich verschiedenen Challenges stellt, etwa über einen bestimmten Zeitraum mit einer bestimmten Anzahl an Kleidungsstücken auszukommen.

Manche Minimalisten leben als digitale Nomaden aus dem Koffer, andere zieht es in sogenannte Tiny houses, Mini-Häuser, die auf das Wesentliche beschränkt sind.

Das ist vielen zu radikal. Doch Minimalismus liegt definitiv im Trend, auch unter dem Aspekt, Dinge zu teilen, statt sie zu besitzen.

Leihen statt besitzen gewinnt an Bedeutung

Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2017 können sich 31 Prozent der Deutschen vorstellen, ihren Besitz mit anderen zu teilen.

Aktuell nutzten zwar nur etwa zwei Prozent der Befragten die Möglichkeit, das Auto von anderen zu mieten oder ihr eigenes Auto zu vermieten, so Studienautor und Projektkoordinator Dr. Gerd Scholl in der Studie. Aber zehn Prozent könnten es sich für die Zukunft vorstellen. Fast jeder vierte Befragte bis 24 Jahre sehe dies sogar als adäquaten Ersatz für ein eigenes Auto.

Das eigene Auto verliert für die junge Generation als Statussymbol an Stellenwert. Car-Sharing-Angebote erfreuen sich dagegen immer grösserer Beliebtheit, wie der Bundesverband CarSharing (bcs) in Berlin mitteilte.

Streaming-Dienste ersetzen die Musiksammlung und die DVDs, eBook-Reader auf Wunsch das Bücherregal. Auf jeden lieb gewonnenen Gegenstand oder persönliche Erinnerungsstücke wollen viele nicht verzichten, doch sich von gewissen Anschaffungen zu trennen, kann befreiend sein.

Minimalismus für Einsteiger

Wie schwer es ist, auszusortieren und sich einen Überblick über seinen Besitz zu verschaffen, zeigt sich beispielsweise daran, dass es inzwischen professionelle Wegwerfberater gibt, die uns auf Wunsch bei unserem Vorhaben unterstützen.

Tipps, die unter Minimalisten kursieren und uns das Ausmisten erleichtern sollen, sind beispielsweise: Von allem, was man über ein Jahr lang nicht genutzt hat, sollte man sich trennen. Für jeden neuen Gegenstand sortiere zwei alte aus. Oder: Miste jeden Tag einen Gegenstand aus.

Dinge wegzugeben kann befreiend sein, in welchem Masse man das tun möchte, bleibt natürlich die eigene Ermessenssache.

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