Menschen helfen anderen, auch wenn sie diese gar nicht kennen. Sie spenden, wenn irgendwo auf der Erde eine Katastrophe passiert, oder geben Trinkgeld in einem Lokal, in das sie nie zurückkehren werden. Doch was bringt es eigentlich, nett zueinander zu sein? Evolutionsbiologen haben darauf eine Antwort.
Mehrere Studien zeigen, dass Menschen zufriedener und gesünder sind, wenn sie anderen helfen. Auch die Lebenserwartung steigt, wenn Menschen nett zueinander sind oder zum Beispiel ein Ehrenamt ausüben. Doch woran liegt das?
Evolutionsbiologen haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Sie sprechen dabei allerdings nicht von Nettigkeit, sondern lieber von Kooperation.
Zusammenarbeit bringt einen Überlebensvorteil
Charles Darwin ging in seiner Evolutionstheorie davon aus, dass derjenige überlebt und sich fortpflanzt, der am besten an seine Umgebung angepasst ist. Kooperation spielt dabei keine Rolle, sondern nur Konkurrenz.
Inzwischen vertreten aber viele Wissenschaftler die Theorie, dass Zusammenarbeit ein entscheidender Faktor für das Fortbestehen einer Art ist.
Beispiele für Kooperationen gibt es in der Natur viele: Schimpansen jagen in Gruppen, bei denen jedes Mitglied eine spezielle Funktion übernimmt. Hinterher teilen sie die Beute untereinander auf.
Arbeiterbienen verzichten auf Nachwuchs und widmen stattdessen ihr Leben der Aufgabe, die Brut der Königin aufzuziehen und den Bienenstock gegen Feinde zu verteidigen.
Elefanten stützen sich gegenseitig mit den Stosszähnen, falls ein Tier verletzt ist. Inzwischen ist bekannt, dass auch Bäume und andere Pflanzen sich gegenseitig unterstützen können.
Die langfristigen Vorteile überwiegen
Doch welchen Vorteil hat es nun für Menschen, wenn sie anderen helfen – ohne dass sie unmittelbar etwas zurückbekommen? Einer der Evolutionsbiologen, die dieses Phänomen untersucht haben, ist Martin Nowak von der Harvard-Universität.
Er geht davon aus, dass die langfristigen Vorteile überwiegen, wenn man sich selbst auch einmal kurzzeitig zurücknimmt.
So kann es sein, dass jemand, dem man einmal geholfen hat, sich zu einem deutlich späteren Zeitpunkt revanchiert. Gegenseitige Hilfe stärkt den Zusammenhalt einer Gruppe und macht sie nach aussen stark.
Das spielte vor allem in den steinzeitlichen Gemeinschaften der Jäger und Sammler eine Rolle. Auch bei Verwandten sind Menschen oft noch stärker bereit, ihnen zu helfen.
Egoisten werden isoliert
Was aber ist mit Hilfe, bei der keine Gegenleistung zu erwarten ist? Nowak spricht dabei von einem Vorteil durch einen guten Ruf: Wer den Ruf erlangt, dass er grosszügig ist und gerne hilft, der kann erwarten, dass auch ihm geholfen wird.
Dabei muss es sich nicht um Personen handeln, denen er einmal Gutes getan hat. Es liegt eher das abstrakte Prinzip zugrunde: Ich helfe dir, dafür hilfst du jemand anderem – und der hilft vielleicht einmal mir.
Das funktioniert aber nur, wenn die Gruppe auf das Gemeinwohl orientiert ist. Wird sie von Egoisten unterwandert, dann bricht das Prinzip der gegenseitigen Hilfe schnell zusammen.
Deshalb ist es evolutionsbiologisch sinnvoll, diejenigen Personen zu isolieren, die nur ihren eigenen Vorteil suchen und anderen nicht helfen.
Helfen steigert die Zufriedenheit
Wieso aber leben Menschen länger, wenn sie anderen helfen? Forscher haben darauf eine recht einfache Antwort: Wer anderen hilft, der erwirbt soziale Anerkennung und Akzeptanz.
Das wiederum steigert das eigene Wohlbefinden und die Zufriedenheit – und das wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus.
Dabei geht es aber nicht um Nettigkeit oder Kooperation um jeden Preis: Anderen zu helfen, ist zum Beispiel im Job nur dann sinnvoll, wenn man es gleichzeitig schafft, seine eigenen Aufgaben zu erledigen.
Wer immer nur nett und verständnisvoll ist, der läuft Gefahr, seine eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen und ausgenutzt zu werden. So gesund das Helfen an sich ist – man darf auch einmal Nein sagen, wenn man um Hilfe gebeten wird.
Verwendete Quellen:
- Homepage von Martin Nowak: "How did cooperation evolve?"
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