Unter dem Hashtag #womeninmalefields posten gerade zahlreiche Frauen TikTok-Videos, in denen sie aus ihrer Sicht toxische männliche Verhaltensweisen ironisch aufs Korn nehmen. Der Trend zeigt, dass für viele Frauen Schweigen keine Option mehr ist.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Tanja Ransom sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Lachen, wenn es zum Weinen nicht reicht. Ein bisschen scheint es so, als sei das die Motivation hinter Videos, die gerade unter dem Hashtag #womeninmalefields (aus dem Englischen: Frauen in Männerfeldern) trenden.

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In diesen Videos sind Frauen zu sehen, die tanzen oder in die Kamera grinsen. Über den Videos steht ein Text, der von leichter bis hin zu bitterböser Ironie reicht. Es geht dabei darum, das Verhalten, das manche Männer in bestimmten Situationen immer wieder zeigen, zu spiegeln.

In diesem Video erklärt unsere Redaktion, worum es dabei genau geht:

Es geht also um alltägliche Verhaltensweisen, die man gemeinhin als "toxisch männlich" bezeichnen würde. Aber auch Themen wie emotionaler und physischer Missbrauch und Femizid werden nicht ausgespart. Die Frauen, die die Videos posten, kehren das, was ihnen widerfahren ist oder widerfahren könnte, um – und führen es damit ad absurdum.

Eine von ihnen ist die Autorin und Feministin Tara-Louise Wittwer (TikTiok-Handle: wastarasagt). Ihre Videos haben inzwischen Millionen Menschen angeklickt und gelikt. Immer mehr Frauen sind mittlerweile ihrem Beispiel gefolgt und laden ähnliche Videos unter dem Hashtag #womeninmalefields hoch:

  • Wastarasagt: "Wenn er mich nach Verhütung fragt, aber ich ihm sage, dass ich mit Pille nichts fühle."
  • Diana zur Löwen: "Wenn du eine Immobilie kaufst und der Mann, der sich zuhause um die Kinder kümmert, nicht ins Grundbuch miteingetragen wird. Ich meine, sich um Kinder zu kümmern, ist ja kaum Arbeit."
  • thatblondie: "Er lag weinend im Bett, also hab ich gesagt: Jetzt geht's wieder los, hab mich umgedreht und geschlafen." (aus dem Englischen übersetzt)
  • FrauGretel: "Schreib ihm gleich, er soll nicht wie eine Schl... rausgehen und gehe dann oberkörperfrei joggen."
  • Wastarasagt: "Wenn er sich von mir getrennt hat, also habe ich ihn umgebracht, damit ihn keine andere haben kann."
  • Louisa Laureen: "Ich hab ihn nicht eingestellt. Er ist Anfang 30 und frisch verheiratet. Wahrscheinlich geht's bald an die Familienplanung."
  • Wastarasagt: "Wenn er sich vom aktuellen Trend, wo Frauen öffentlich ihre kollektiven Traumata aufarbeiten, angegriffen fühlt und ich ihm mit: naja, aber nicht alle Frauen!!! antworte."

Die Verschwesterung der Welt?

Das finden manche witzig, andere überzogen. Doch #womeninmalefields hat das Zeug dazu, mehr zu sein, als nur ein weiterer viraler Trend. Es könnte politisch werden. Denn da, wo man sich den Raum nimmt, über Diskriminierung, Ausgrenzung und missbräuchliches Verhalten zu sprechen – und sei es in ironischer 30-sekündiger Videoform –, ermächtigen sich Menschen selbst – und gegenseitig.

Wenn man sieht und in den Kommentaren liest, dass andere Menschen in ähnlichen Situationen waren, quasi das Gleiche erlebt haben wie man selbst, fühlt man sich weniger allein. Und man erkennt, dass das Problem oft kein individuelles, sondern ein strukturelles ist.

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Ob man das jetzt als die Verschwesterung der Welt sehen möchte oder als virale Eintagsfliege – #womeninmalefields zeigt, dass Schweigen über unbequeme Themen für viele Frauen keine Option mehr ist.

Zuspruch, Humor und Beklemmung in den Kommentaren

Wie viel ein Trend wie #womeninmalefields bewirken kann, zeigen auch die Kommentare unter beliebten Videos. Da heisst es zum Beispiel: "Dieser Trend ist das einzig Gute, was 2024 passiert ist". Eine andere Nutzerin schreibt: "Finde den Trend tatsächlich nicht witzig, eher erschreckend. Vieles was ich da lese ist auch traurig. Mein 'Beileid' an alle Frauen, die sowas erleben."

Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein. Eine Userin schreibt zum Beispiel: "Einerseits liebe ich diesen Trend, andererseits traurig, dass wir uns Frauen mit so viele Videos identifizieren können (nicht alle Frauen, bevor der Hate wieder losgeht)" oder: "zuerst das mit den Bären, jetzt das, ich liebe das in welche Richtung wir uns bewegen. LG ein Mann #futureisfemale?".

An anderer Stelle fallen die Kommentare hingegen witziger aus. Eine Nutzerin etwa schreibt: "Ich bin auch einfach zu gross für die Pille, keine passt" - sie erntet dafür 15.000 Likes. Eine andere Frau kommentiert: "Ich hab auch eine Hormonallergie." Beides Anspielungen darauf, wie manche Männer sich zur Verhütung mit Kondom äussern.

Was aber anhand der Kommentarspalten und der zahlreichen Videos klar wird: Für viele Menschen ist es das erste Mal, dass sie klar vor Augen geführt bekommen, wie viele Frauen ähnlich bedrückende Erfahrungen machen - und dass es jede Menge Redebedarf gibt und das vielleicht auch ganz ohne Ironie.

Verwendete Quellen

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