8.000 Kilometer über den Pazifik: Eine Studie enthüllt, wie Leguane vor Millionen von Jahren von Nordamerika auf die Fidschi-Inseln gelangten. Wie konnten die Echsen die enorme Distanz überwinden?
Es wäre die mit Abstand längste Reise terrestrischer Wirbeltiere auf dem Meer: Leguane haben einer Studie zufolge vor Millionen von Jahren die Fidschi-Inseln wahrscheinlich von Nordamerika aus besiedelt. Dafür müssten sie mehr als 8.000 Kilometer weit auf Treibgut über den Pazifik gereist sein. Das rekonstruieren US-Forschende anhand einer Indizienkette. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS").
Fast alle 45 Arten der Leguane (Iguanidae) sind nur in Amerika verbreitet. Lediglich die vier Arten der Fidschileguane (Brachylophus) leben im Südpazifik, vor allem auf dem entlegenen Fidschi-Archipel, zu dem Hunderte von Inseln zählen. Seit Langem rätseln Fachleute, wann und vor allem wie die Vorfahren der bis zu einem Meter langen grünen Echsen dorthin gelangt sind.
Inselhopping oder via Treibgut? Wie Leguane den Ozean überquerten
Bislang standen dazu vor allem zwei Vorschläge im Raum: Entweder gelangten die Ahnen der Tiere mit Treibgut von Süd- oder Nordamerika aus über den Pazifik oder aber sie überquerten den Ozean im Laufe der Zeit nach und nach per Inselhopping; eventuell von Amerika aus oder etwa über Eurasien, Australien oder die Antarktis. "Für keine der beiden Hypothesen gibt es starke Belege", schreibt die Gruppe um Simon Scarpetta von der University of San Francisco in "PNAS".
Die Forschenden gingen das Rätsel nun systematisch an: Zunächst verglichen sie die Genome der Fidschileguane mit denen von 14 anderen Leguan-Arten. Der Abgleich ergab, dass die nächsten lebenden Verwandten aus der Gattung der Wüstenleguane (Dipsosaurus) stammen, deren heutige beiden Vertreter in Mexiko und im Südwesten der USA heimisch sind.
Weitere Analysen der genetischen Unterschiede deuten darauf hin, dass sich beide Gruppen vor etwa 34 bis 31 Millionen Jahren voneinander trennten. Das passe zur Entstehungsgeschichte der vulkanischen Fidschi-Inseln, die wohl nicht allzu lange vorher entstanden seien, schreibt das Team.
80 bis 120 Tage unterwegs
Am besten erklären lasse sich die Verwandtschaftsbeziehung dadurch, dass die Tiere damals von Nordamerika aus über den Ozean getrieben seien. Simulationen ergaben demnach, dass eine Reise von Südamerika nach Polynesien mit der Meeresströmung etwa 80 bis 120 Tage dauert. Selbst eine längere Treibgut-Reise von Nordamerika aus wäre für heutige Wüstenleguane, die während ihrer Winterstarre von Oktober bis März fasten, wohl kein Problem.
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Seien die Pflanzenfresser auf treibender Vegetation unterwegs gewesen, hätten sie unterwegs mitunter sogar eine Futterquelle gehabt. "Man kann sich eine Art Wirbelsturm vorstellen, der Bäume umstürzte, auf denen es eine Gruppe von Leguanen gab, eventuell mit ihren Eiern", sagte Scarpetta. "Und die trieben mit den Ozeanstörungen rüber."
Nicht nur Leguane: Auch andere Wirbeltiere durchquerten Ozeane
Dass Landwirbeltiere Meere gequert haben, wird für einige Arten angenommen. So sollen etwa die Vorfahren der in Amerika heimischen Meerschweinchenverwandten (Caviomorpha) und auch die Ahnen der Neuweltaffen (Platyrrhini) vor Millionen von Jahren von Afrika aus den Atlantik auf Treibgut-Inseln überwunden haben. Diese Reisen wären aber nicht annähernd so weit wie die nun vermutete Fahrt der Leguane über den Pazifik.

Bereits vorher galt als gesichert, dass Leguane vom amerikanischen Festland aus die Galápagos-Inseln – immerhin etwa 1.000 Kilometer vom Festland entfernt – und auch die Karibik besiedelt haben. In einem Fall wurden sie sogar in flagranti ertappt, wie die Forschenden berichten: Demnach landete 1995 eine Vegetationsmatte mit mindestens 15 Grünen Leguanen (Iguana iguana) auf der Karibikinsel Anguilla an, wo diese Art bis dahin nicht vorkam. Das Treibgut stammte wohl von der 300 Kilometer entfernten Insel Guadeloupe. Dies habe die Fähigkeit der Tiere zu weiten Reisen in Echtzeit demonstriert, heisst es in der Studie.
Extremdistanz sei selbst für Leguane ein "unglaublicher Sonderfall"
"Unsere Analyse stützt die ozeanische Verbreitung von Brachylophus von Nordamerika nach Fidschi, was das grösste bekannte ozeanische Verbreitungsereignis in der Geschichte terrestrischer Wirbeltiere ist", schreibt die Gruppe. Generell scheine diese Art der Ausbreitung gerade bei Leguanen bemerkenswert gängig zu sein: Von den derzeit 45 Arten lebten lediglich elf nicht auf Inseln, 28 davon seien auf Inseln endemisch. Viele, eventuell sogar die meisten dieser Inseln hätten wahrscheinlich nie Landbrücken zum Festland gehabt – müssten also über das Meer erreicht worden sein. Aber selbst für Leguane sei die nun skizzierte Extremdistanz ein "unglaublicher Sonderfall", notiert das Forschungsteam.
Auf den entlegenen Inseln im Pazifik haben die Tiere wohl Millionen von Jahren überlebt. Inzwischen führt die Weltnaturschutzunion (IUCN) drei der vier Arten von Fidschileguanen auf ihrer Roten Liste als "stark gefährdet", die vierte Spezies ist "vom Aussterben bedroht". Als Ursachen gelten die Zerstörung der Lebensräume, der Wildtierhandel und vor allem die Einführung anderer Tiere durch den Menschen, etwa Ratten und Katzen. (bearbeitet von ali)
Verwendete Quellen
- Material der dpa
- pnas.org: Studie
- science.org: A parapithecid stem anthropoid of African origin in the Paleogene of South America
- iucnredlist.org: Banded Iguana