Kunterbunt statt taubengrau! Eine aktuelle Studie mit über 1.200 Vogelarten zeigt: In Städten haben farbenprächtige Vögel den Schnabel vorn, während braune und graue Arten den Kürzeren ziehen.
Grauer Beton, graue Fassaden, graue Strassen – da sollten sich doch eigentlich auch grau gefiederte Vögel am wohlsten fühlen, oder? Von wegen! Eine aktuelle Studie wirbelt unsere Vorstellungen ordentlich durcheinander: Buntere Vögel mischen unsere Städte auf, während ihre unscheinbaren grauen beziehungsweise braunen Verwandten sich zunehmend rarmachen.
Überraschender Befund aus der Vogelwelt
Forschende der Universität Granada und des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz haben in ihrer Studie "Colourful Urban Birds: Bird Species Successful in Urban Environments Have More Elaborate Colours and Less Brown", die in der Fachzeitschrift "Ecology Letters" erschienen ist, ein verblüffendes Muster entdeckt. Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen Gefiederfärbung und Anpassungsfähigkeit an städtische Lebensräume bei 1.287 Vogelarten weltweit.
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Das zentrale Ergebnis der Studie: Besonders erfolgreich in städtischen Umgebungen sind Vögel mit auffälligen, elaborierten Farben – während braune oder graue Arten signifikant seltener in urbanen Räumen anzutreffen sind. Eine Ausnahme bilden natürlich die überpräsenten - und grauen - Stadttauben.
Braun ist out, bunt ist Trumpf
Die Untersuchung zeigt klar: Wer im städtischen Dschungel in Sachen Überleben oder Verpartnerung erfolgreich sein will, trägt besser nicht Grau oder Braun. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berechneten einen Index des "städtischen Erfolgs" für die untersuchten Vogelarten und stellten dabei fest, dass Vögel mit aufwendigeren, komplexeren Gefiederpartien in Städten besser zurechtkommen, selbst nach Berücksichtigung verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen den Arten.
Entgegen der bisherigen Annahmen gibt es in der Stadt sogar buntere Vögel als in ländlicheren Bereichen: "In städtischen Regionen gibt es weniger Arten als auf dem Land. Wenn wir dies in unserer Auswertung berücksichtigen, haben die Vogelbestände in der Stadt sogar eine grössere Farbvielfalt", so Studienautor Juan Diego Ibáñez-Álamo.
In der Fachwelt wird dieses Phänomen mit mehreren Faktoren erklärt. Laut den Autorinnen und Autoren könnte das Fehlen der passenden braunen Umgebungsfarben in der Stadt ein Grund sein. Braun ist eine natürliche Tarnfarbe in Wäldern und Wiesen – doch zwischen Beton und Asphalt bietet sie keinen evolutionären Vorteil mehr.
Evolutionäre Anpassung oder städtisches Phänomen?
Die Stadtökologie als vergleichsweise junges Forschungsfeld erhält durch diese Studie wichtige neue Impulse. Bisher konzentrierte sich die Forschung vor allem auf Faktoren wie Lärm, Lichtverschmutzung oder verändertes Nahrungsangebot – die Bedeutung der Gefiederfärbung für den Erfolg in urbanen Räumen wurde hingegen kaum untersucht.
Die Gefiederfärbungen könnte Teil einer breiten Palette von Eigenschaften sein, die über Erfolg oder Misserfolg in der Stadt entscheiden. Ob die beobachteten Muster auch bei anderen Tiergruppen auftreten, sollen zukünftige Untersuchungen zeigen. Die Studie legt jedoch nahe, dass der urbane Lebensraum mit seinen ganz eigenen ökologischen Bedingungen möglicherweise andere evolutionäre Strategien belohnt als die natürliche Umgebung – ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit der Natur in einer zunehmend vom Menschen geprägten Welt. (eyn)
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