Evanston - Mit ungeheurer Wucht zerschlagen Fangschreckenkrebse die Schalen von Schnecken und Muscheln oder töten Fische. Selbst Aquarienglas droht gesprengt zu werden, wenn die leicht reizbaren Geschöpfe ihre Keulen dagegen wummern lassen. Warum gehen sie dabei nicht selbst kaputt?

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Clown-Fangschreckenkrebse (Odontodactylus scyllarus) leben in flachen, tropischen Gewässer und besitzen keulenartig verdickte Fangbeine. Die farbenfrohen, bis zu 18 Zentimeter langen Tiere gelten als aggressiv - auch so mancher Taucher bekam Berichten zufolge schon Schläge ab.

Schläge mit der Wucht eines Kleinkaliber-Geschosses

Die schönen, bei Aquarienbesitzern beliebten Tiere sind für ihre ungeheure Schlagkraft bekannt: Ihre Keulen können rund 80 Kilometer pro Stunde schnell mit der Wucht eines Kleinkaliber-Geschosses auftreffen. Die Einschlagskraft kann dem Tausendfachen des Körpergewichts des Krebses entsprechen.

Die im Ruhezustand unter den Vorderleib geklemmten Keulen speichern Energie in elastischen Strukturen, die durch riegelähnliche Sehnen gehalten werden. Wird der Riegel gelöst, wird die gespeicherte Energie explosionsartig frei und die Keule schleudert unter dem Körper hervor nach vorne. Dabei entsteht hinter ihr im Wasser eine Unterdruckzone, in der sich eine Blase bildet.

Warum schaden die Schockwellen dem Krebs selbst nicht?

Der Aufprall der Keule auf das Ziel verursache starke Druckwellen, hinzu kämen Schockwellen im Megahertz-Bereich durch das Kollabieren der Blasen, erklärte Mitautor Horacio Espinosa von der Northwestern University in Evanston. "Dieser sekundäre Schockwelleneffekt macht den Schlag der Fangschreckenkrebse zusammen mit der anfänglichen Aufprallkraft noch verheerender." Dennoch liessen sich beim Krebs selbst keine Schäden an Gewebe oder Nerven feststellen.

Forschungsteams versuchen schon seit längerem zu klären, wie die Krebse immer wieder derart wuchtig zuschlagen können, ohne sich selbst zu zerstören. Gezeigt hatten frühere Studien bereits, dass die Aufschlagfläche der Keule stark mineralisiert ist und eine spezielle Zuckerverbindung enthält, die das Material weniger brüchig macht.

Die Forscher um Espinosa setzten nun laser- und ultraschallbasierte Methoden ein, um die Mikrostruktur des Panzers und die Ausbreitung der Schockwellen darin genauer zu ergründen. Die Keule der Fangschreckenkrebse weist demnach zwei entscheidende Bereiche auf: Der Aufprallbereich enthält mineralisierte, in einem Fischgrätenmuster angeordnete Fasern. Darunter liegen korkenzieherartig gegeneinander versetzte Chitinfaserbündel - Bouligand wird diese auch von anderen Tieren wie Hummern bekannte Struktur genannt.

Ausgeklügelte Struktur der Keule

Das Fischgrätenmuster verstärke die Keule gegen Brüche, erläutern die Forscher. Die spiralförmige Anordnung wiederum bestimme, wie sich Schockwellen durch die Struktur bewegen. Es entstehe eine Art Schutzschild, der hochfrequente Wellen herausfiltere. Die schädlichen Schwingungen könnten sich so nicht in den Arm und den gesamten Körper des Krebses ausbreiten.

Die Ergebnisse könnten künftig bei der Entwicklung schallfilternder Materialien für Schutzausrüstungen helfen, hoffen die Forscher. Auch neue Ansätze zur Verringerung von Verletzungen durch Explosionen seien möglich.

Fangschreckenkrebse sind übrigens nicht die einzigen Krebstiere, die mit Schockwellen arbeiten: Pistolenkrebse betäuben oder töten Beutefische mit einem extrem lauten Knall. Die nur wenige Zentimeter grossen Tiere leben ebenfalls in tropischen Gewässern und erzeugen mit einer ihrer Scheren Luftblasen, die mit einem Knall implodieren.  © Deutsche Presse-Agentur

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