Frieden im Nahen Osten - ein Ziel, das aktuell in weiter Ferne scheint. Die Initiatoren von "Owls for Peace" wollen das ändern. Sie setzen sich für Frieden ein und verbinden Menschen verschiedener Länder – mithilfe von Schleiereulen.

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Zum Gespräch erscheinen sie zu dritt: Mansour Abu Rashid aus Jordanien, Yossi Leshem aus Israel und der Schweizer Alexandre Roulin. Ihr Freund und Kollege aus der Palästinensischen Autonomiebehörde konnte nicht nach Deutschland einreisen. Ihm sei das Visum verweigert worden. Das Gleiche sei bereits bei anderen Reisen für ihr Projekt passiert, etwa in Dubai, erzählen sie gleich zu Beginn.

"Politisch gesehen ist das eine Katastrophe – Konflikte und Kriege sind an der Tagesordnung. Aber was den Vogelzug angeht, ist es ein Paradies."

Der israelische Ornithologe Yossi Leshem über seine Heimat

Der Konflikt im Nahen Osten macht auch den drei Männern zu schaffen, die Belastung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Mit ihrem Projekt "Owls for Peace" wollten sie eine friedliche, grenzübergreifende Zusammenarbeit erreichen. Die derzeitige Lage wirft sie in ihren Bemühungen weit zurück.

Schleiereulen statt Pestizide

Es war 1982, als der Ornithologe Yossi Leshem mit seiner Arbeit startete. Israel sei ein Nadelöhr, das drei Kontinente miteinander verbinde: Afrika, Asien und Europa, erzählt er über seine Heimat. "Politisch gesehen ist das eine Katastrophe – Konflikte und Kriege sind an der Tagesordnung", sagt er. "Aber was den Vogelzug angeht, ist es ein Paradies."

Jedes Jahr überfliegen rund 500 Millionen Vögel Israel zweimal, auf ihrem Weg von Europa und Asien nach Afrika und wieder zurück. Doch bei ihrer Reise durch den Nahen Osten sterben viele von ihnen, denn die Landwirte verwenden häufig Gift, um ihre Ernte vor Nagetieren zu schützen.

Der Einsatz von Pestiziden im grossen Umfang stelle eine ernste Gefahr für Menschen, Tiere, Wasserquellen und landwirtschaftliche Erzeugnisse dar, erklärt Mansour Abu Rashid vom Amman-Zentrum für Frieden und Entwicklung. Was also tun?

"Anstatt Gift zu versprühen, ermutigen wir die Landwirte, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren und Nistkästen anzubringen, in denen Schleiereulen ihre Familien aufziehen können", erzählt der Schweizer Ornithologe Alexandre Roulin. Eine grosse Eulenfamilie könne in einem einzigen Jahr bis zu 6.000 Wühlmäuse vertilgen.

Ein grenzüberschreitendes Projekt

Leshem blickt zurück: "Wir begannen mit nur 14 Kästen im Kibbuz Sde Eliyahu an der jordanischen Grenze, da diese Region in Israel führend in der umweltfreundlichen Landwirtschaft ist." Inzwischen gebe es allein in Israel rund 5.000 solcher Nistkästen, in denen Schleiereulenfamilien leben.

Schleiereule
Eine Schleiereule kommt mit ihrer Beute zum Nistkasten zurück, in dem der hungrige Nachwuchs wartet. © Amir Ezer

Nachdem Forschende die Kästen so weit entwickelt hatten, dass die Vögel sich dort gerne niederliessen, schlossen sich immer mehr israelische Landwirte der alternativen Methode zur Schädlingsbekämpfung an. Und es blieb nicht bei einem rein israelischen Projekt.

2002 lernten sich Leshem und Rashid kennen, danach startete die Umsetzung auch in Jordanien. Ein sinnvoller Schritt, denn Schleiereulen verkehren zwischen Jordanien und Israel sowie den Palästinensischen Autonomiegebieten. Deshalb wurde auch die Autonomiebehörde ins Boot geholt. 2009 schloss sich Alexandre Roulin an, der auf dem Gebiet der Schleiereulen forscht.

Im Jahr 2015 folgten Zypern und Griechenland, 2021 Marokko. Weitere Länder kamen hinzu, darunter Georgien, Italien, die Schweiz und Simbabwe, 2024 auch der NABU Deutschland und die Ukraine. "Im Januar haben wir ein Treffen mit Vertretern aus 13 Ländern in Athen abgehalten", erzählt Yossi Leshem stolz. "Jetzt wollen wir eine globale Bewegung unter dem Motto 'Vögel kennen keine Grenzen' schaffen. Unsere Vision für 2026 ist es, 25 weitere Länder in Afrika, Asien und Südamerika einzubeziehen."

Vom schlechten Omen zum Friedensbringer

Deutschlands ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sie schon getroffen und auch den mittlerweile verstorbenen US-Präsidenten Jimmy Carter, berichten Rashid, Leshem und Roulin aus ihrer Arbeit für "Owls for Peace".

Besuch beim Papst
(v.l.n.r.) General Mansour Abu Rashid, Yossi Leshem und Alexandre Roulin (r.) zu Besuch bei Papst Franziskus im Jahr 2019. © Servizio Fotografico - Vatican Media

"Die Menschen lassen sich von Vögeln inspirieren, auch der Papst, der von unseren Geschichten wirklich fasziniert war", erzählt Roulin. Vor allem Schleiereulen seien sehr symbolträchtig. Sie könnten auch eine Inspiration für Umweltschutz sein und das Bewusstsein für den Klimawandel schärfen. Und: "Diese Tiere bieten eine einzigartige Gelegenheit, grenzüberschreitende Projekte durchzuführen und Menschen zusammenzubringen."

Das war zu Beginn jedoch ziemlich schwierig, nicht zuletzt wegen kultureller Differenzen. Während etwa die Griechen die Schleiereule als Symbol für Weisheit und Gerechtigkeit ansehen, gilt sie in anderen Kulturkreisen als schlechtes Omen – vor allem wegen ihres menschenähnlichen Gesichts und der schrillen Schreie, die sie von sich gibt.

Rashid erzählt: "Taucht sie in der Nähe eines Hauses auf, gilt dies in vielen arabischen Familien als Zeichen dafür, dass der Familie Unglück zustossen wird." Das Projekt in Jordanien zu starten, habe deshalb viel Geduld sowie umfangreiche Aufklärungs- und Sensibilisierungsmassnahmen erfordert.

Auch die teilweise kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Jordanien und Israel waren eine Belastung für das Projekt. "Selbst nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens fragten sich viele, welche konkreten Vorteile der Frieden mit Israel bringen würde", so Rashid.

"Birds for Peace" will Menschen zusammenbringen

Mit der Zeit gelang es schliesslich, die Einstellung der Menschen zu verändern und sie zu ermutigen, mit Landwirten aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten. "Das führte zu Feldbesuchen, Konferenzen und Treffen, die die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis förderten", so Rashid. Die Arbeit mit den Eulen bringt die Menschen also zusammen - und soll damit auch die Friedensbemühungen voranbringen.

"Vor dem Krieg haben wir ein Projekt zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit initiiert. Es brachte Menschen zusammen, die einst Feinde waren und sich viele Jahre lang bekämpft hatten."

General Mansour Abu Rashid

Auf die Zeit vor dem aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hamas nach dem 7. Oktober 2023 blicken Rashid, Leshem und Roulin sehnsüchtig zurück. "Vor dem Krieg haben wir ein Projekt zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit initiiert. Es brachte Menschen zusammen, die einst Feinde waren und sich viele Jahre lang bekämpft hatten", sagt Rashid.

Yossi Leshem, Alexandre Roulin und General Mansour Abu Rashid
Mittlerweile ein eingeschweisstes Team: (v.l.n.r.) Yossi Leshem, Alexandre Roulin und General Mansour Abu Rashid. © Alexandre Roulin

Die Auswirkungen auf ihre Arbeit sind drastisch. Roulin erzählt: "Vor Jahren war das Überschreiten von Grenzen für unsere Arbeit ein normaler Teil des Projekts. Aber heute können wir nicht mehr in Jordanien oder Israel arbeiten." Deshalb hätten sie sich dieses Mal im Januar 2025 in Griechenland getroffen.

Auf die aktuelle Lage angesprochen, wird Leshem emotional: "Die Schleiereule ist etwas, das wir alle lieben. Aber im Moment ist es nicht einfach, denn wir befinden uns mitten in einem Krieg." Seiner Verzweiflung über die politische Lage lässt der Israeli freien Lauf: "Unsere Regierung ist eine totale Katastrophe. All das Geld, das für den Krieg ausgegeben wird, könnte stattdessen für Naturschutz, Forschung und Bildung verwendet werden. Wir verschwenden Ressourcen, anstatt einen Weg zu finden, Frieden mit den Palästinensern zu schliessen. Alle verlieren, und Menschen sterben umsonst, auf beiden Seiten."

Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten

Das Ziel von "Owls for Peace" ist jetzt mehr denn je, eine positive Botschaft zu vermitteln. "Wir wollen Frieden im Nahen Osten. Aber was viele Deutsche im Moment sehen, ist Aggression", sagt Leshem.

Roulin bekräftigt: "Alle an dem Projekt Beteiligten – Israelis, Jordanier und Palästinenser – teilen die Hoffnung auf Frieden. Sie kämpfen nicht." Wenn er mit den Palästinensern spreche, seien sie niemals aggressiv gegenüber ihren israelischen Freunden. "Sie alle wollen Frieden, sie wollen sich treffen, und sie fragen immer wieder nach Möglichkeiten, zusammenzukommen."

Doch die gibt es derzeit vor allem für palästinensische Mitglieder von "Owls for Peace" nicht. Die Nistkästen-Projekte führen die einzelnen Länder momentan unabhängig voneinander weiter – soweit überhaupt möglich.

Sorge um Partner in den Palästinensischen Autonomiegebieten

Die Sorge um ihre Partner in den Palästinensischen Autonomiegebieten ist im Laufe des Gesprächs immer wieder greifbar. Sie dürften das Land nicht verlassen und auch Visa bekämen sie seit Kriegsbeginn nicht. Besonders das Wohlbefinden eines Kollegen, der eigentlich auch mit ihnen in Deutschland sein sollte, beunruhigt die drei Männer. "Jetzt kann er aufgrund der schwierigen Lage die Nistkästen nicht mehr kontrollieren", berichtet Leshem. "Wir machen uns grosse Sorgen um seine Sicherheit." Bilder von ihm zeigen sie deshalb nicht, auch sein Name bleibt geheim.

Aber könnte ein Vogel es tatsächlich schaffen, Völker zu vereinen? Dass Schleiereulen keinen Frieden im Nahen Osten bringen können, sei ihnen allen bewusst, antworten die drei Männer auf die Frage. "Wir sind nicht naiv", sagt Leshem mit einem Schmunzeln. "Wenn wir jedoch 40 weitere Projekte wie dieses hätten, die sich auf Wasser, Umwelt und Sport konzentrieren, könnte sich endlich etwas ändern."

"In vielerlei Hinsicht kooperieren Schleiereulen besser als Menschen. Sie überschreiten ungehindert Grenzen, ohne sich darum zu kümmern, wo sie geboren wurden oder welcher Religion sie angehören."

Biologieprofessor an der Université de
Alexandre Roulin, Lausanne

Aktuell bleibt den Beteiligten von "Owls for Peace" nur eines: abwarten. "Und hoffentlich werden sich die Dinge mit der Zeit zum Besseren wenden. Hoffentlich!", sagt Leshem. Die am Projekt beteiligten Personen hätten zwar unterschiedliche politische Ansichten, "aber unser Schwerpunkt liegt auf der Umwelt und der Freundschaft, nicht auf der Politik", betont Roulin.

Er findet auch die passenden Worte zum Schluss: "In vielerlei Hinsicht kooperieren Schleiereulen besser als Menschen. Sie überschreiten ungehindert Grenzen, ohne sich darum zu kümmern, wo sie geboren wurden oder welcher Religion sie angehören."

Über die Gesprächspartner

  • Yossi Leshem ist Professor für Biowissenschaften im Fachbereich Zoologie an der Universität Tel Aviv. Er war Geschäftsführer der "Society for the Protection of Nature" in Israel. Seit rund fünf Jahrzehnten erforscht er den Vogelzug und die Vogelökologie. Er war der Initiator des Projekts "Owls for Peace".
  • General Mansour Abu Rashid machte zunächst Karriere beim jordanischen Militär. Danach gründete er das "Amman Center for Peace and Development" (ACPD), eine Nichtregierungsorganisation, die sich der Förderung eines umfassenden Friedens und der Zusammenarbeit zwischen Israel und Jordanien widmet.
  • Alexandre Roulin ist Biologieprofessor an der Université de Lausanne. Der Schweizer forscht seit über 30 Jahren auf dem Gebiet der Schleiereulenökologie, bevorzugt zu Themen wie Farbvariationen und Zusammenarbeit unter Geschwistern. Seit 2009 ist er an dem Projekt "Owls for Peace" beteiligt.

Verwendete Quellen

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