Berlin (dpa) - Das Essen der Zukunft ist gelblich und riecht ein bisschen nach Fischfutter. Tatsächlich enthält es mehr als zwei Dutzend Stoffe von Folsäure über Zink bis zu Vitamin B12.
So steht es zumindest auf der Verpackung von Compleat, einem Nahrungsersatz, den die Berliner Firma nu3 als "Astronauten-Nahrung für jedermann" bewirbt. Ein halber Liter aus Pulver und Wasser soll demnach eine Mahlzeit ersetzen und alle nötigen Nährstoffe liefern. Experten sind skeptisch - auch aus sozialen Gründen.
"Wir haben die Kalorienanzahl drin, die eine normale Mahlzeit ausmacht", erklärt Oecotrophologin Maja Siegert, die an der Zusammensetzung der Nährstoffe beteiligt war. 546 Kalorien hat eine Portion Compleat. Das aufgelöste Pulver schmeckt relativ neutral, ein wenig wie Getreide. Einen über den Durst - oder vielmehr über den Hunger - trinkt man damit eher nicht. Das Pulver sei vor allem für Menschen geeignet, die sehr wenig Zeit hätten und sich trotzdem "komplett" ernähren wollten - etwa junge Eltern, Outdoor-Sportler oder Menschen mit stressigem Job, erklärt Siegert.
Die Berliner sind nicht die einzigen, die feste Nahrung verzichtbar machen wollen. Soziologin und Ernährungswissenschaftlerin Eva Barlösisus von der Universität Hannover sieht darin gar "ein altes immer wiederkehrendes Motiv", wie sie erklärt. "Die Speise, das Pulver, die Tablette, die alles Essen ersetzt."
Ende 2014 sorgte ein Software-Ingenieur mit einem Essensersatz namens Soylent für Schlagzeilen. "Die nächsten Generationen können nicht organisch ernährt werden - wir müssen optimieren", sagte der Erfinder damals dem Magazin "Vice". Für ihn bedeutet das: keine klassischen Mahlzeiten mehr, keine Rezepte, nur noch einen Pulvershake.
Die Macher von Compleat sehen das nicht ganz so rigoros. Die Idee dahinter sei ähnlich, räumt Mitentwicklerin Siegert mit Blick auf Soylent ein. In Europa sei Compleat aber das einzige Produkt seiner Art. Und: "Wir sagen nicht: Ernährt euch nur noch von Compleat", betont sie. Theoretisch könne man seine Mahlzeiten jedoch dadurch ersetzen. Die enthaltenen Nährstoffe sind den Angaben zufolge auf den durchschnittlichen Bedarf eines Menschen abgestimmt.
Aber will man das? "Essen hat mit Kultur und Genuss zutun. Da kann es nicht nur ein Pülverchen sein", sagt Oecotrophologe Guido Ritter von der Fachhochschule Münster. Ritter forscht nicht nur an der Entwicklung von Lebensmitteln, sondern auch zu Genuss und Geschmack.
"Man kann schon austüfteln, dass in Nahrungsersatz die wichtigsten Nährstoffe drin sind", räumt er ein. Eine dauerhafte Alternative zu einer ausgewogenen Ernährung sei das aber nicht. "Das einzige vollwertige Lebensmittel ist eigentlich die Muttermilch." Und selbst die würde uns wohl irgendwann langweilig: "Wir sind eigentlich darauf getrimmt, uns abwechslungsreich zu ernähren", erklärt der Experte. Irgendwann könne man den immergleichen Shake nicht mehr sehen. Zudem habe das Sättigungsgefühl auch mit dem Kauen zutun.
Von Compleat gibt es derzeit keine Varianten. Geplant sind aber unterschiedliche Geschmacksrichtungen, wie das Unternehmen ankündigt. Die Astronauten-Nahrung ist erst seit Jahresbeginn auf dem Markt. Wie sie ankommt, kann der Hersteller nach eigenen Angaben noch nicht sagen. © dpa
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