"Es ist wie der Versuch, inmitten eines Hurrikans die Flügelschläge eines Kolibris zu hören." So beschreibt ein Forscher die Schwierigkeit, mit einer besonderen Methode die ersten Sterne nachzuweisen. Gelungen ist es seinem Team trotzdem.
Astronomen haben ein Signal der ersten Sterne im Universum aufgefangen. Die Messung zeigt, dass die ersten Sonnen bereits 180 Millionen Jahre nach dem Urknall leuchteten. Heute ist das Weltall mit 13.820 Millionen Jahren fast 77 Mal so alt.
Das Team um Judd Bowman von der Arizona State University in Tempe stellt seine Analysen im britischen Fachblatt "Nature" vor. Die Beobachtungen könnten einen Hinweis auf die rätselhafte Dunkle Materie enthalten, argumentiert Rennan Barkana von der Universität Tel Aviv in einem separaten Aufsatz in derselben "Nature"-Ausgabe.
Licht der Sterne liess kosmische Dämmerung heraufziehen
Nach dem Urknall war das Universum zunächst finster und angefüllt mit Gas, hauptsächlich Wasserstoff. In dem Gas bildeten sich im Laufe der folgenden Jahrmillionen Verdichtungen, die sich zu Klumpen auswuchsen, aus denen sich schliesslich die ersten Sterne formten.
Das Licht dieser ersten Sterne liess eine Art kosmischer Dämmerung heraufziehen. Wann dies geschah, liess sich bislang nur theoretisch bestimmen. Die Forscher um Bowman haben diese Vorhersagen nun mit Beobachtungen bestätigt. "Teleskope können nicht weit genug blicken, um solche urzeitlichen Sterne direkt abzubilden", erläutert Bowman. "Aber wir haben mit Hilfe von Radiowellen aus dem Weltall gesehen, wann sie angingen."
Dieser indirekte Nachweis war nicht ganz einfach: Die ultraviolette Strahlung der ersten Sonnen veränderte das allgegenwärtige Wasserstoffgas im Kosmos. Durch diese Veränderung begann der Wasserstoff schliesslich, die vom Urknall stammende sogenannte Hintergrundstrahlung zu schlucken - allerdings nur bei einer ganz bestimmten Wellenlänge im Bereich der Radiowellen. Genau diesen Wasserstoff-"Schatten" haben die Astronomen mit einer ausgeklügelten Analyse nun gefunden.
Das erforderte grossen Aufwand, denn in dem untersuchten Radiowellen-Längenbereich gibt es jede Menge störende Strahlung aus dem Kosmos, aber auch beispielsweise von UKW-Radiosendern auf der Erde. "Störquellen können tausendfach lauter sein als das Signal", berichtet Programmleiter Peter Kurczynski von der National Science Foundation der USA, die das Projekt finanziell unterstützt hat. "Es ist wie der Versuch, inmitten eines Hurrikans die Flügelschläge eines Kolibris zu hören."
Signale wurden in Australien abgefangen
Mit einer genau abgestimmten Antenne in der Wüste Australiens, wo weniger irdische Radiowellen stören, und einer akribischen Datenanalyse ist den Wissenschaftlern dies nun gelungen. "Man beginnt, das Wasserstoffgas als Silhouette bei bestimmten Radiofrequenzen zu sehen", erläutert Ko-Autor Alan Rogers vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). "Dies ist das erste echte Signal, dass Sterne anfangen, sich zu bilden und das Medium um sich herum zu beeinflussen."
Durch die fortwährende Ausdehnung des Weltalls wurde auch die Wellenlänge der Strahlung in die Länge gezogen, die das Wasserstoffgas im jungen Universum einst geschluckt hat. Die ursprüngliche Wellenlänge von 21 Zentimetern wuchs auf diese Weise auf knapp vier Meter. Aus der genauen Verlängerung der Wellen, der sogenannten Rotverschiebung, konnten die Forscher berechnen, dass der früheste "Schatten" rund 180 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden ist.
Hinweise auf Dunkle Materie
"Es ist unwahrscheinlich, dass wir in unserer Lebenszeit in der Lage sein werden, einen noch früheren Punkt in der Geschichte der Sterne zu sehen", meint Forschungsleiter Bowman. Der gelungene Nachweis der uralten Wasserstoff-Silhouette ermögliche verschiedene neue Untersuchungsmöglichkeiten des jungen Universums, betont er.
So erlebten die Astronomen bei ihrer Analyse bereits eine Überraschung: Die Silhouette ist deutlich stärker ausgeprägt als erwartet, der Wasserstoff hat also im jungen Universum deutlich mehr Strahlung geschluckt als angenommen. Das bedeutet wahrscheinlich, dass er deutlich kühler war als gedacht.
Diese Beobachtung können die Forscher noch nicht erklären. Eine Möglichkeit sei eine Wechselwirkung des Wasserstoffs im jungen Universum mit der rätselhaften Dunklen Materie, schreibt Barkana. Die unsichtbare Dunkle Materie verbirgt sich hartnäckig vor allen Messinstrumenten, macht sich aber durch ihre Schwerkraft bemerkbar.
Aus der Schwerkraftwirkung wissen Astronomen, dass die Dunkle Materie im Kosmos rund fünfmal häufiger sein muss als die uns vertraute Materie, aus der Sterne, Planeten und Menschen bestehen.
Die Wechselwirkung mit der Dunklen Materie könne nicht nur die beobachtete Abkühlung des Wasserstoffs erklären, erläutert Barkana, sondern auch das gemessene Profil der Wasserstoff-Silhouette.
"Wenn sich Barkanas Idee bestätigt, dann haben wir etwas Neues und Fundamentales über die mysteriöse Dunkle Materie in Erfahrung gebracht, die 85 Prozent der Materie im Universum stellt", betont Bowman. Das könnte ein erster Hinweis auf physikalische Phänomene sein, die sich jenseits der etablierten Theorien abspielen. © dpa
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