Daniel Angerhausen ist Astrophysiker an der Universität Bern. An einem NASA-Workshop im Silicon Valley hat er mit Forschern im Bereich künstliche Intelligenz (KI) soeben neuartige Methoden entwickelt, um ferne Planeten aufzuspüren. Angerhausen sucht hauptberuflich nach Ausserirdischen, und er liebt es, dabei in neue Dimensionen vorzustossen.

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Daniel Angerhausen, Sie haben im Sommer zwei Monate in Kalifornien an einem NASA-Programm teilgenommen. Worum ging es da?

Daniel Angerhausen: Wir wurden quasi acht Wochen lang "eingesperrt" im SETI-Institut im Silicon Valley. Da waren rund drei Dutzend Forscher aus der ganzen Welt - Astrophysiker und Experten für künstliche Intelligenz. Und gemeinsam versuchten wir, Aufgaben zu lösen, die uns die NASA gestellt hatte. Unter anderem wollten wir herausfinden, wie uns Künstliche Intelligenz bei der Suche nach ausserirdischem Leben helfen könnte.

Sie beschäftigen sich vor allem mit der Suche nach Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, auf denen Leben möglich ist. Wie kann Ihnen Künstliche Intelligenz dabei helfen?

D.A.: Neuronale Netzwerke können helfen, die Daten von Weltraumteleskopen zu analysieren. Im April hat die NASA ein neues Weltraumteleskop, genannt TESS, ins All geschickt, das nach neuen Planeten in benachbarten Sonnensystemen sucht.

Also ein Satellit, der die Erde umkreist und dabei Bilder vom Weltraum schiesst?

D.A.: Genau. TESS liefert eine Vielzahl von Bildern, die wir analysieren können. Im Vergleich zum Vorgänger, dem Kepler-Teleskop, liefert TESS Bilder vom ganzen Himmel und findet Planeten, die viel näher zur Erde sind.

Ich nehme an, die Datenmenge ist gigantisch.

D.A.: Ein Mensch würde eine Ewigkeit benötigen, um die Bilder durchzusehen - neuronale Netzwerke schaffen das viel schneller. Sie können verschiedene Daten parallel verarbeiten, wodurch ungewöhnliche Planeten schneller auffallen. Computer machen zudem weniger Fehler, weil sie unvoreingenommen und emotionslos an die Sache herangehen.

Was können Sie aus diesen Daten herauslesen?

D.A.: TESS knipst alle zwei Minuten ein Bild, jeder Stern im Bild wird ein heller Punkt sein, dessen Helligkeit wir messen können. Wenn ein Planet sich auf seiner Umlaufbahn vor seinen Stern schiebt, lässt das Licht nach und die gemessene Helligkeit wird kleiner.

Dieser Transit, festgehalten in einer Sequenz von Bildern, liefert uns wichtige Daten. Wir können daraus eruieren, wie gross der Planet ungefähr ist und wie weit er von seinem Stern entfernt ist. Damit wiederum lässt sich sagen, welche Temperaturen auf dem Planeten herrschen. Wenn wir den Transit im Lichtspektrum anschauen, können wir zudem Aussagen über die Beschaffenheit der Atmosphäre treffen, etwa, ob sie Sauerstoff enthält.

Und welche Art von Planeten suchen Sie?

D.A.: Wir suchen generell nach allen Planeten. Am interessantes sind natürlich die, welche so gross wie die Erde sind und eine Temperatur aufweisen, die flüssiges Wasser erlaubt. Das wären Minimalvoraussetzungen für Leben. Doch diese Planeten sind meistens am schwersten zu finden, weil sie klein sind und vergleichsweise seltener Transits machen.

Doch bedeutet ein erdähnlicher Planet automatisch, dass dort Leben existiert?

D.A.: Nein, das bedeutet nur, dass er vielleicht habitabel ist, wie wir sagen. Die Grundvoraussetzungen wären gegeben. Ob es tatsächlich Lebensformen dort gibt, ist dann die nächste Frage. Und selbst wenn wir Zeichen von Leben finden, wird es immer einen Fehlerbalken geben. Wir müssten da schon eindeutige Zeichen sehen und nicht-biologische Quellen komplett ausschliessen können.

Alien-Behausungen?

D.A.: Zum Beispiel. Megastrukturen, welche das Licht beeinträchtigen, ein wiederkehrendes Signal, oder Stoffe in einer Atmosphäre, vor allem Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die eine Präsenz von Leben vermuten lassen. Bei der Suche nach Aliens wird eine Vielzahl von Methoden und Maschinen angewandt. Die Daten von TESS sind nur ein Puzzleteil.

Und Hinfliegen ist keine Option, oder?

D.A.: Nicht wirklich. Wenn Lichtgeschwindigkeit das ultimative Speedlimit ist - und so sieht es aus - dann würden wir noch immer mehrere Jahre unterwegs sein, um zu interessanten Exoplaneten zu gelangen. Um zum Sternbild Alpha Centauri zu reisen, wo erdähnliche Planeten vermutet werden, würden Raumschiffe mehrere Jahre benötigen - mit Lichtgeschwindigkeit. Mit dem schnellsten existierenden Raketen-Antrieb würde es mehrere zehntausend Jahre dauern.

Was ist mit nahen Planeten in unserem eigenen Sonnensystem? Auch dort wird ja immer noch Leben vermutet.

D.A.: Ja, etwa auf den Monden des Jupiters und des Saturns. Der Mond Europa ist mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Darunter wird ein gigantischer Ozean vermutet. Man denkt seit längerem darüber nach, Sonden hinzuschicken, welche sich durchs Eis ins Wasser bohren. Vielleicht leben dort irgendwelche Oktopus-ähnlichen Wassertiere. Ich würde auch den Mars keinesfalls abschreiben.

Da hört man immer wieder Meldungen über Funde von Wasser.

D.A.: Dort gab es wahrscheinlich in der Vergangenheit viel Wasser, und heute gibt es Eis und vermutlich unterirdische Reservoirs mit flüssigem Wasser. Da bin ich doch optimistisch.

Auf dem Mars sind die Chancen für Leben vielleicht nicht so gross wie auf Europa, aber dafür sind die Chancen, es zu finden, grösser: Der Mars ist viel näher zur Erde als Europa und wir haben bereits Satelliten im Orbit und Rover auf der Oberfläche. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man dereinst Bakterien findet.

Wie sehen Sie die beiden Denkansätze in der Suche nach ausserirdischem Leben - das Fermi-Paradoxon und die Drake-Gleichung? Das Paradoxon sagt ja, dass wir längstens hätten Spuren von Aliens finden sollen, wenn es Aliens denn gäbe. Und die Drake-Gleichung besagt, dass die Zahl von ausserirdischen Zivilisationen gigantisch sein muss, weil es wahrscheinlich Unmengen von erdähnlichen Planeten gibt.

D.A.: Vielleicht sind die Alien-Zivilisationen alle paranoid und wollen nicht gefunden werden. Nein, im Ernst, wenn wir es statistisch anschauen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, intelligentes Leben zu finden, doch sehr klein.

Könnte es nicht auch sein, dass die Aliens schon viel weiter fortgeschritten sind als wir und wir sie deshalb nicht entdecken können?

D.A.: Ja, absolut. Vielleicht gibt es längstens Spuren von ausserirdischem Leben im All, aber wir detektieren sie mit unseren Instrumenten nicht. Oder wir sehen sie und denken, sie wären natürlich, ohne zu begreifen, dass sie einen Bezug zu Ausserirdischen haben. Es wäre wie bei den Ameisen und uns Menschen: Ameisen verstehen ja auch nicht, was wir sind und tun.

Und vielleicht ist Intelligenz, wie wir sie besitzen, auch eine absolute Ausnahme, quasi ein Fehler in der Evolution.

D.A.: Das kann tatsächlich nur ein Unfall sein. Dinosaurier haben ja Millionen von Jahre gelebt, haben aber keine Handys oder Autos entwickelt. Vielleicht ist es alles andere als normal, dass Evolution intelligentes Leben hervorbringt.

Aber wenn einmal ein Status wie bei uns Menschen erreicht wird, dann ist die künstliche Superintelligenz nicht mehr weit weg. Deshalb denke ich, dass wir im Weltall am ehesten auf sehr primitives Leben oder aber auf sehr, sehr fortgeschrittenes, hoch technologisiertes stossen werden.

Noch heute werden Menschen, die an Aliens glauben, belächelt. Haben eigentlich die jüngsten Erfolge in der Suche nach erdähnlichen Exoplaneten zu einem Meinungswandel geführt?

D.A.: Ich glaube schon, zumindest in der Wissenschaft. Gerade die NASA nimmt das Thema viel ernster als früher. Ich denke, das wird heute relativ offen diskutiert, es gibt kaum mehr Tabus hierzu.

Sind denn Ufos noch ein Tabuthema? Könnten das nicht Aliens sein, die uns besuchen?

D.A.: Ich finde jedenfalls, dass Ufos untersucht werden sollten. Egal, ob die Ursache nun Ausserirdische, Massen-Halluzinationen oder unbekannte Atmosphären-Effekte sind. Interessant ist das Phänomen auf jeden Fall, und ich finde, dass kein Wissenschaftler sagen sollte, dass hierzu nicht geforscht werden darf.

Die Alien-Frage wird uns also weiter beschäftigen. Was steht als nächstes für Sie an?

D.A.: Mehrere Konferenzen und Treffen, unter anderem in den USA. Wir wollen weiter aus dem vorhergehenden NASA-Workshop lernen und das Wissen an Kollegen weitergeben. Dann stehen natürlich Auswertungen von Bildern von Teleskopen an. Anfang 2019 werden die ersten offiziellen Daten von TESS erwartet. Dann fängt die eigentliche Arbeit an.

TESS und Cheops, eine perfekte Ergänzung?

Neue Teleskope machen die Arbeit von Planetenjägern einfacher. Vor allem vom Nasa-Weltraumteleskop TESS, dem Transiting Exoplanet Survey Satellite, erhoffen sich Astronomen viel. Der Satellit ist im vergangenen April ins All geschossen worden. TESS soll nun für mindestens zwei Jahre um die Erde kreisen und dabei mit vier Weitwinkelkameras Fotos von benachbarten Sonnensystemen schiessen.

Nicht nur die NASA, sondern auch die ESA, die europäische Weltraumagentur, bringt die Suche nach neuen Planeten voran. Im kommenden Frühling schickt sie den Cheops-Satelliten (Characterising Exoplanet Satellite) ins All, an dem Forscher der Universität Bern massgeblich beteiligt waren.

Wie TESS misst auch Cheops die Verdunkelung eines Sterns bei einem Planetentransit. Im Unterschied zu Tess wird Cheops aber nicht den ganzen Sternhimmel absuchen, sondern sich von Beginn weg nur auf lohnenswerte Ziele konzentrieren. Cheops soll vor allem bei der genaueren Charakterisierung relativ kleiner Planeten helfen. Somit ergänzen sich TESS und Cheops optimal.  © swissinfo.ch

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