In den 1970er-Jahren schickte die Nasa zwei Raumsonden zum Mars, um auf dem Roten Planeten nach Leben zu forschen. Die Ergebnisse damals waren verwirrend: Bei dem Experiment wurden zunächst Anzeichen für Stoffwechsel, also Leben, gefunden. Eine spätere Untersuchung brachte aber keine Hinweise auf organische Substanzen. Wie kann das sein?
Der Berliner Physiker Dirk Schulze-Makuch hat eine viel beachtete These aufgestellt: Er glaubt, dass die Nasa-Forscher zwar Leben gefunden haben könnten, dieses aber durch die Hinzugabe von Wasser ertränkt haben. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Schulze-Makuch seine Theorie - und plädiert für eine neue Marsmission.
Herr Schulze-Makuch, die Nasa startete in den 1970er-Jahren die sogenannten Viking-Missionen, bei denen Raumsonden auf den Mars geschickt wurden, um nach ausserirdischem Leben zu suchen. Die Ergebnisse dieser Missionen wurden damals als negativ für die Existenz von Leben auf dem Mars interpretiert. Wie kam es dazu?
Dirk Schulze-Makuch: Die Viking-Missionen führten drei Experimente durch, die teils widersprüchliche Ergebnisse lieferten. Ein Experiment ergab Anzeichen für mögliches Leben, ein weiteres war negativ, und ein drittes war leicht positiv, aber verwirrend. Das Gasspektrometer mass organische Verbindungen, jedoch nur in geringen Mengen. Damals wurde dieser Befund als Kontamination interpretiert, was zur Schlussfolgerung führte, dass es kein Leben auf dem Mars geben könne, wenn es keine Organik gebe.
In den letzten Jahren haben jedoch verschiedene Missionen wie Perseverance (2020), Curiosity (2011) und Phoenix (2008) Organik auf dem Mars nachgewiesen, insbesondere organische Verbindungen, die Chlor enthalten. Ähnliche Ergebnisse wurden damals ja auch von Viking gemessen. Heutzutage interpretieren wir diese Ergebnisse jedoch anders und deuten sie als mögliche indigene organische Materialien.
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Jedes äussere Hinzufügen von Wasser ist für diese Lebewesen schädlich
Sie haben zuletzt die These aufgestellt, dass bei den Viking-Missionen nicht nur Leben gefunden wurde, sondern dass dieses durch die Hinzugabe von Wasser auch unabsichtlich getötet wurde.
Ja, unsere Forschung in der extrem trockenen Atacama-Wüste in Chile spielte eine wichtige Rolle bei dieser These. Diese Wüste ist ähnlich trocken wie der Mars und es regnet dort nur etwa alle zehn Jahre. Trotzdem leben in dieser Wüstengegend Bakterien, weil das Salzgestein die bemerkenswerte Fähigkeit hat, Wasser aus der Atmosphäre anzuziehen. So können diese Mikroben überleben.
Bildlich können Sie sich das vorstellen wie ein Reiskorn in einem schlecht abgedichteten Salzstreuer: Aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaften nimmt das Reiskorn die Feuchtigkeit aus der Luft auf und sorgt dafür, dass das Salz nicht klumpt. Wenn das Reiskorn nicht da ist, nimmt das Salz die Feuchtigkeit aus der Luft heraus. Das ist die Feuchtigkeit, die auch die Mikroben benutzen.
Hinter der Idee, einzelne Proben mit Wasser zu überfluten, stand der Gedanke: Leben braucht Wasser und durch dieses Wasser könnte man organisches Leben anlocken. Sie vermuten aber, dass dieser Ansatz das Leben zerstört haben könnte?
Richtig, denn bei der Mission gingen die Forscher davon aus, dass die Organismen ähnlich wie auf der Erde reagieren. Man beachtete nicht, dass diese Lebenswesen ihr Wasser nur aus der Luftfeuchtigkeit gewinnen könnten und jedes äussere Hinzufügen von Wasser für sie schädlich ist. Dieses Phänomen von zu viel Wasser wird als "Hydratation" bezeichnet und ist in etwa vergleichbar mit der Vorstellung, einen dehydrierten Menschen mitten in den Ozean zu setzen, nur weil er Wasser benötigt. Er würde dann nicht verdursten, aber ertrinken.
Herausforderungen für Leben auf dem Mars sind ziemlich gross
Was können wir von trockenen Umgebungen auf der Erde, wie der Atacama-Wüste in Chile, über das mögliche Leben auf dem Mars lernen?
Die Atacama-Wüste in Chile ist bereits extrem trocken, aber auf dem Mars herrschen noch extremere Bedingungen. Tagsüber können die Temperaturen bis zu 25 Grad Celsius erreichen, während sie nachts auf minus Hundert Grad Celsius oder tiefer sinken können.
Die Atmosphäre auf dem Mars besteht wiederum aus nur etwa sechs bis acht Millibar Druck, was knapp ausreicht, um Wasser in flüssiger Form zu halten, bevor es verdampft. Auch die Strahlung ist auf dem Mars intensiv, wenngleich die Atmosphäre einen gewissen Schutz bietet. Kurzum: Die Herausforderungen für Leben sind dort schon ziemlich gross.
Trotzdem, und darauf weist unsere Forschung in der Wüste hin, könnte es auf dem Mars möglicherweise Gebiete wie im Untergrund, in Canyons oder Lavahöhlen geben, in denen flüssiges Wasser existieren kann, was entscheidend für das Überleben von Organismen ist. Dank der Forschung in der Atacama-Wüste können wir besser verstehen, wie trocken die Umgebung sein darf, damit Leben existieren kann.
Wie könnte die Entdeckung von Leben auf dem Mars unser Verständnis von Leben im Universum insgesamt verändern?
Die Auswirkungen hängen von der Art des Lebens ab, das auf dem Mars gefunden wird, und wie es sich von irdischem Leben unterscheidet. Es wäre zu erwarten, dass wir vor allem Organismen finden, die noch besser an die Trockenheit angepasst sind als das Leben auf der Erde. Dies könnte zu neuen biochemischen Erkenntnissen führen, die etwa in der Entwicklung von Medikamenten eine Rolle spielen. Aber es gibt auch eine zweite Betrachtung.
Nämlich?
Von einem philosophischen Standpunkt aus gesehen wäre es faszinierend, wenn das Leben auf dem Mars einen eigenen Ursprung hätte. Bisher nahmen wir an, dass Leben von der Erde auf den Mars oder umgekehrt durch Meteoriten oder Asteroiden übertragen wurde und daher verwandt ist. Wenn jedoch das Leben auf dem Mars einen unabhängigen Ursprung hätte, gäbe es im Sonnensystem mindestens zwei verschiedene Entstehungswege für das Leben. Das könnte unser Verständnis von Leben und seinem Ursprung im Universum grundlegend verändern und darauf hinweisen, dass Lebewesen auf vielen verschiedenen Planeten existieren könnten.
"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Leben nachzuweisen"
Wie wahrscheinlich ist es, dass wir in den nächsten Jahren Beweise für Leben auf dem Mars finden werden?
Die Wahrscheinlichkeit hängt stark von den geplanten Missionen ab. Um Leben direkt auf dem Mars nachzuweisen, wäre eine neue Life Detection Mission notwendig. Die bevorzugte Strategie wäre, mit Sonden auf dem Mars Experimente durchzuführen, anstatt Proben zur Erde zu bringen und sie erst dort zu untersuchen. Leider gab es nach der Viking-Mission keine solchen Experimente mehr.
Welche Art von Mission würden Sie konkret vorschlagen?
Wir müssten verschiedene Experimente durchführen. Meine Forschung konzentriert sich ja auf die Bewegung von Organismen, mit der Lebewesen beispielsweise von Staubkörnern unterschieden werden. Kollegen von mir arbeiten wiederum an der Sequenzierung von DNA, der Untersuchung von Biochemie oder dem Stoffwechsel von Lebewesen. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, Leben nachzuweisen.
Ein umfassendes Paket mit verschiedenen Methoden wäre daher notwendig, um sicherzustellen, dass nichts übersehen wird. Ansonsten wäre es vorstellbar, dass wir zum Beispiel Organismen über die Sequenzierung von DNA nachweisen wollen, diese aber mit RNA oder einem anderen organischen Molekül funktionieren und wir wieder ohne handfestes Ergebnis dastehen.
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Gibt es Interesse seitens der Nasa oder Esa an Experimenten auf dem Mars?
Es gibt Interesse, jedoch konzentriert sich die Nasa derzeit auf Sample Return Missionen, bei denen Proben auf dem Mars gesammelt und zur Erde gebracht werden. Ich bin skeptisch, ob diese Methode geeignet ist, um Leben nachzuweisen, da sich die Reaktivität der Proben vor und während des Transports zur Erde ändern kann. Es wäre wünschenswert, eine Mission durchzuführen, die mögliches aktives Leben vor Ort untersucht, bevor Proben zur Erde gebracht werden.
Wenn es nach mir ginge, würde ich eine neue Mission zum Mars schicken, um die Bodenproben vor Ort auf Leben zu untersuchen. Dies sollte meiner Meinung nach noch vor einer bemannten Marsmission erfolgen, um ein besseres Verständnis für die Umweltbedingungen auf dem Planeten zu erhalten.
Marsstation könnte "für die Menschheit von grosser Bedeutung sein"
Welche Rolle spielt die künftige Bewohnbarkeit des Mars in Ihrer Forschung?
Wenn wir in die Zukunft blicken, könnte eine Marsstation für die Menschheit von grosser Bedeutung sein. Die Erde ist anfällig für Katastrophen wie Asteroideneinschläge oder Supernova-Explosionen - wir leben auf einem verwundbaren Planeten, der irgendwann in der Zukunft verwüstet werden könnte. Um als Menschen und als Biosphäre zu überleben, sollten wir die Bewohnbarkeit anderer Planeten erforschen. Und wie genau wir das machen, hängt auch davon ab, ob es schon indigenes Leben auf dem Mars gibt.
Glauben Sie, dass private Raumfahrtunternehmen eine Rolle bei zukünftigen Marsmissionen zur Lebenssuche spielen könnten?
Ja, ich denke schon. Staatliche Institutionen wie die Nasa und die Esa sind oft vorsichtig, da sie hauptsächlich von Steuergeldern finanziert werden. Private Unternehmen können grössere Risiken eingehen und sind bereit, das Scheitern einer Mission zu akzeptieren. Wenn sie Erfolg haben, könnte der Ertrag wiederum enorm sein. Daher glaube ich schon, dass Milliardäre wie
Abschliessend gefragt: Elon Musk will bis 2029 Menschen zum Mars bringen, also zehn Jahre bevor die Nasa ihre erste bemannte Mars-Mission anpeilt. Finden wir Sie dann Ende des Jahrzehnts in einer von Musks Raumkapseln?
Das werde ich mir dann überlegen, wenn Herr Musk an mich herantritt.
Verwendete Quellen:
- bigthink.com: We might have accidentally killed the only life we ever found on Mars nearly 50 years ago
- twitter.com: Elon Musk
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