Ganz ohne Treibstoff einmal um den Globus, 35.000 Kilometer: Das neue Projekt der Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg ist in vielerlei Hinsicht spektakulär. Dabei soll es aber um mehr gehen, als Rekorde aufzustellen.
Sein Grossvater hat es getan. Sein Vater auch. Und Bertrand Piccard kriegt nicht genug. Der Schweizer Psychiater entstammt einer Familie von Pionieren: Grossvater Auguste stieg 1932 mit einem Ballon bis in die Stratosphäre auf, Vater Jacques brach den Tiefseetauchweltrekord im Marianengraben. Bertrand Piccard selbst stellte im Jahr 1999 seinen ersten Rekord auf, als es ihm als erstem Mensch gelang, mit einem Ballon ohne Zwischenstopp die Welt zu umrunden.
Zusammen mit dem Ingenieur und Piloten André Borschberg geht es nun mit einem solarbetriebenen Flugzeug um die Welt: Die "Solar Impulse 2" soll bis August den gesamten Erdball umrunden. Mit dem Vorgängermodell "Solar Impulse" flog Borschberg 2010 für 26 Stunden - zwischen zwei Kontinenten und über die ganzen USA - und bewies damit, dass es auch mit einem Solarflugzeug möglich ist, Tag und Nacht zu fliegen.
Die Route
Für die 35.000 Kilometer um die Welt sind insgesamt 25 Flugtage innerhalb von fünf Monaten geplant. Die Flugpioniere Piccard und Borschberg werden sich auf den Strecken im Cockpit abwechseln – für beide zusammen ist es zu klein. Am 9. März ist das Team in Abu Dhabi gestartet, wo die klimatischen Bedingungen günstig sind. In zwölf Etappen geht es über Indien, China, die USA, Südeuropa und Nordafrika zurück auf die arabische Halbinsel.
Momentan sind die Piloten in Chongqing in China. Für die Teilstrecken über Pazifik und Atlantik sind jeweils fünf Tage und fünf Nächte geplant – eine Zeit, in der die Piloten immer nur kurz schlafen können. Diese Flüge werden die Piloten an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen: Fünf Tage und Nächte ohne Druckkabine und Heizung in eisiger Höhe über dem offenen Meer. Um diese Herausforderung zu meistern, haben Piccard und Borschberg sich mit speziellen Yogatechniken vorbereitet.
Die Technik
Die "Solar Impulse 2" wiegt nur so viel wie ein Auto und hat doch die Flügelspannbreite eines Airbus: Nach zwölf Jahren Planung, Tüftelei und Bau ist das Solarflugzeug fertig. Vier solarbetriebene Elektromotoren treiben es an, insgesamt ist es mit 17.000 Solarzellen bestückt. Es erlaubt nur eine Geschwindigkeit von maximal 140 Stundenkilometern und kann in einer Höhe von 8.500 Metern fliegen. Eine Gefahr sind Stürme oder Gewitter, denen die "Solar Impulse 2" hilflos ausgeliefert wäre. Deswegen werden die Flüge von einem Kontrollzentrum in Monaco überwacht, wo 40 Leute die Route überwachen und die Piloten an solchen Gefahren vorbeilenken.
Flugzeughersteller bezweifelten anfangs, dass es möglich sein könnte, nur mit Solarbetrieb diese Strecke zu meistern. 1980 gab es den ersten Langstreckenflug eines Solarflugzeugs, von Paris nach England in fünfeinhalb Stunden.
Passagierflüge mit dieser Technik liegen allerdings noch in weiter Ferne: Die eingebauten Hochleistungsakkus, die bei bewölktem Himmel oder nachts für den Antrieb sorgen, machen etwa ein Drittel des Gesamtgewichts aus. Unternehmen wie Schindler und ABB haben das Vorhaben dennoch gesponsert: Sie erhoffen sich von dem Flug die Erprobung technischer Innovationen. Schliesslich werden bei allen verwendeten Materialen - wie Baustoffe, Solarzellen und Batterien - die besten und leistungsfähigen verwendet. "Ein fliegendes Zukunftslabor", wie Bertrand Piccard sein Projekt in einem Interview bezeichnet.
Die Vision
Den Flugpionieren Piccard und Borschberg geht es um mehr als Rekorde. "Ich will zeigen, dass man unglaubliche Dinge schaffen kann, allein mit der Kraft der Sonne", sagt Piccard im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Der Schutz der Umwelt ist langweilig und teuer. Unser Solarflug ist aufregend - und weckt das Interesse für saubere Energien selbst bei Menschen, die damit bisher nichts am Hut haben."
Teuer ist allerdings auch dieses Experiment: Wahrscheinlich werden sich die Gesamtkosten auf 150 Millionen Franken belaufen.
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