Dreimal war Ulf Merbold im Weltall - so oft wie kein anderer Deutscher. Trotz seines Alters ist er immer noch gefragter Experte und Berater der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

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Rekordhalter unter den deutschen Raumfahrern ist Ulf Merbold bis heute geblieben: Er ist nicht nur der einzige, der dreimal im Weltall war. Er war 1983 als Raumfahrer der Europäischen Weltraumorganisation ESA auch der erste Ausländer an Bord eines US-Shuttles. Merbold sieht die Raumfahrt vor den grossen Herausforderungen eines möglichen Flugs zum Mars. "Ich hoffe, dass auch in schwierigen Zeiten die Kooperation der ESA und der USA mit den Russen weiterläuft", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview.

Sie waren nach dem DDR-Bürger Sigmund Jähn als zweiter Deutscher, aber bisher als einziger dreimal im Weltall. Wie denken Sie an die Zeit zurück?

Merbold: Als meine Kollegen Claude Nicollier, Wubbo Ockels und ich am 1. Juli 1978 von der ESA als erste westeuropäische Astronauten unter Vertrag genommen wurden, waren wir erst einmal erleichtert und glücklich. Nach einer mehr als ein Jahr dauernden Auswahl hatten wir es aus 2000 Bewerbern geschafft.

Das Interkosmos-Programm der Russen, in dem Sigmund Jähn als dritter nichtrussischer Kosmonaut wenige Wochen später startete, nahmen wir nur am Rande wahr. Wir waren zu aufgeregt und zu sehr auf unser eigenes Training fokussiert, um mitzubekommen, was auf der Welt passierte.

Wären Sie nicht gern der erste Deutsche im All gewesen?

Ich denke, dass das Interkosmos-Programm der Sowjetunion dem Wesen nach politisch und nicht wissenschaftlich war. Das mindert nicht den Respekt, den ich meinem Freund Sigmund Jähn wegen seiner Leistung und seines Mutes zolle. Nach seinem Flug wurde er über Jahre als lebender Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus instrumentalisiert.

Wie ich ihn kenne, hätte er lieber für einen weiteren Flug trainiert, anstatt Reden zu halten, die andere geschrieben hatten. Wenn Sie mich heute fragen würden, ob ich lieber kurz mit der Sojus in die Umlaufbahn gelangen oder mich fünf Jahre lang auf eine Wissenschaftsmission à la Spacelab vorbereiten möchte, würde ich nicht zögern und letztere wählen.

Die Russen bauen einen neuen Weltraumbahnhof, sie sind momentan die einzigen, die Menschen zur Internationalen Raumstation ISS bringen können. Wo stehen die Europäer?

Ich staune darüber, wie wenig unsere Medien darüber berichten, dass gegenwärtig die Russen die einzigen sind, die Menschen zur ISS bringen und von dort zur Erde zurückholen können und dass sie das Monopol ausnutzen. Wir selbst haben zur Versorgung der ISS das "Automated Transfer Vehicle" - ATV - gebaut.

Es bringt Wasser, Sauerstoff, Ersatzteile, Verpflegung etc. zur Station und ist etwa dreimal grösser als die russische Progress, die dieselbe Funktion erfüllt. Anders als amerikanische Versorgungskapseln dockt es vollautomatisch an die ISS an.

Relativ schnell hätten wir das ATV zu einer Kapsel für bemannte Raumflüge weiterentwickeln können. Mit einem Hitzeschild hätten wir es rückkehrfähig machen müssen. Das noch fehlende Lebenserhaltungssystem hätten wir ähnlich wie bei Spacelab bauen können. Bei 500 Millionen EU-Bürgern mit einem grösseren Bruttosozialprodukt als das der USA könnten wir die Last eines solchen Programms locker stemmen. Auf dem internationalen Parkett wären wir damit zu einem Partner auf Augenhöhe geworden.

Was können die Europäer nun tun?

Wir haben im Moment eine Zeit des Verwaltens und nicht des Gestaltens. Wir drehen an kleinen Stellschrauben. Uns fehlen die Figuren für die grossen Entwürfe. Und es kann mir keiner erzählen, wir hätten das Geld nicht. Ich wollte, wir steckten mehr Geld in Zukunftsprojekte als in Agrarsubventionen.

Es wird viel über einen Flug zum Mars geredet - Wie lange müssen wir darauf warten?

Da bin ich überfragt. Vorher sollten wir erst zum Mond zurückkehren und dort eine Station bauen. Vor einer Reise zu den Nachbarplaneten brauchen wir die Erfahrung, wie Menschen in einer Station zuverlässig versorgt werden können und wie man sie bei guter Gesundheit und Laune halten kann.

Der seit einem Jahr amtierende Generaldirektor der ESA, Jan Wörner, wirbt dafür, in einer internationalen Kooperation ein "Lunar-Village" zu erbauen. Ein Dorf auf dem Mond – das gefällt mir.

Welche Rolle können bei einer Zusammenarbeit im All in Zeiten politischer Spannungen die Raumfahrtnationen Russland und China spielen?

Ich hoffe, dass auch in schwierigen Zeiten die Kooperation der ESA und der USA mit den Russen weiterläuft. Ich sehe die Russen weniger als Bedrohung in der Raumfahrt, sondern vielmehr als Chance, mit ihnen gemeinsam etwas zu machen. Ich habe auch nichts dagegen, dass die Chinesen Anstrengungen unternehmen, den Kosmos zu erobern.

Das sollte uns in der EU Ansporn sein, ebenfalls unseren Beitrag zu leisten. Und auch an einem Flug zum Mars könnten alle gemeinsam arbeiten.

Ulf Merbold, am 20. Juni 1941 im thüringischen Greiz geboren, war von 1977 bis 1998 aktiver ESA-Astronaut. Der frühere Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist der einzige Deutsche, der dreimal im Weltall war. Am 28. November 1983 flog er als erster ausländischer Raumfahrer mit einem US-Shuttle ins All, 1994 als erster ESA-Astronaut mit einer Sojus. Seit 2004 ist er im Ruhestand, bis heute aber weiter als Berater der ESA im Einsatz. Merbold ist verheiratet und hat zwei Kinder.

  © dpa

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