- Seit Kurzem gibt es erstaunlich zuverlässige Selbsttests, mit denen Menschen ihr biologisches Alter bestimmen können.
- Doch was bedeutet biologisches Alter eigentlich und wie wird es gemessen?
- Wir beantworten Ihnen die wichtigsten Fragen rund um das Thema.
Die epigenetische Uhr erfasst molekularbiologische Veränderungen an den Genen unserer Körperzellen und berechnet daraus, wie sehr ein Mensch bereits gealtert ist. Dieser neue Ansatz ist exakter als alle herkömmlichen Methoden zur Messung des biologischen Alters. Seit einiger Zeit sind erste Selbsttests auf dem Markt.
Was ist das biologische Alter?
Unser normales Alter ergibt sich aus der Zeit, die wir bereits am Leben sind. Man nennt es auch das kalendarische oder chronologische Alter. Aber Menschen sind verschieden: Wir haben unterschiedliche Gene geerbt, hatten eine unterschiedliche Kindheit, mussten mehr oder weniger viele schwere Krankheiten durchmachen und leben auf unterschiedliche Art und Weise. Wir ernähren uns verschieden, betreiben mehr oder weniger viel Sport, schlafen nicht alle gleich und haben unterschiedlich viel Stress. All diese Dinge haben Auswirkungen auf unseren Körper, die Organe, auf die gesamte Biologie. Das Leben hinterlässt Spuren in unseren Körpern.
Deshalb fühlen sich Menschen, die das gleiche kalendarische Alter haben, oft unterschiedlich alt. Und tatsächlich altern wir auch unterschiedlich schnell. Auch dadurch erklärt sich, warum manche sehr viel früher sterben als andere – obwohl sie keine Unfälle oder lebensbedrohliche Krankheiten hatten. Sie sind rascher gealtert als andere. Ihr biologisches Alter war höher als ihr kalendarisches. Umgekehrt haben Menschen, die für ihr kalendarisches Alter noch sehr fit sind und sich jung fühlen, meist ein biologisches Alter, das deutlich unter dem des Durchschnitts liegt.
Wie misst man das biologische Alter?
Im Grunde taugt jedes biologische Merkmal, das sich im Laufe des Lebens systematisch verändert, für die Messung des biologischen Alters. Man schaut dann einfach, wie zum Beispiel der durchschnittliche 50-jährige Mann oder die durchschnittliche 60-jährige Frau bei diesem Merkmal abschneiden, und das ergibt dann das jeweilige biologische Alter bezogen auf dieses Merkmal.
Wenn die durchschnittliche 60-Jährige zum Beispiel noch 30 Kniebeugen in zwei Minuten schafft oder der durchschnittliche 50-Jährige einen bestimmten maximalen Händedruck erzeugt, dann sind alle Frauen, die exakt so viele Kniebeugen schaffen oder alle Männer, die die Hände exakt so fest drücken können, biologisch sechzig beziehungsweise fünfzig Jahre alt. Es spielt dann keine Rolle, wie alt sie laut ihrem Pass sind. Das biologische Merkmal Kniebeugen oder Händedruck ist ausschlaggebend.
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Natürlich kann man auch ganz andere Merkmale nutzen, bestimmte Reaktionen des Stoffwechsels zum Beispiel oder die Länge der so genannten Telomeren. Das sind Ansammlungen von Molekülen, die unser Erbgut wie Schutzkappen vor Schäden bewahren und sich bei jeder Teilung unserer Zellen etwas verkürzen. Sie galten lange Zeit als eine Art Lebensuhr, doch verkürzen sie sich nicht immer gleich schnell und regelmässig, so dass die Beziehung zwischen ihrer Länge und dem Alter recht ungenau ist.
Wie überprüfe ich die Genauigkeit der Messung?
Es gibt einen einfachen Ansatz, um zu prüfen, wie gut eine Methode zur Messung des biologischen Alters geeignet ist: Man erfasst nach dieser Methode das biologische Alter sehr vieler Menschen und misst, wie weit es vom kalendarischen Alter abweicht. Der Mittelwert aller Abweichungen muss dann im Idealfall null sein, weil ja sehr viele Menschen zugleich in die Rechnung eingingen und das biologische Alter eines Durchschnittsmenschen per Definition mit seinem kalendarischen Alter übereinstimmt.
Ausserdem sollten das kalendarische und das biologische Alter bei den meisten Menschen nicht allzu stark voneinander abweichen. Sehr viele biologisch extrem zu alte oder zu junge Menschen sind bei einer guten Messmethode nicht zu erwarten. Die Zahl der Kniebeugen ist beispielsweise ein vergleichsweise schlechtes Mass, denn man kann insgesamt schon ziemlich alt und krank sein, aber trotzdem noch gezielt daraufhin trainieren, sehr viele Kniebeugen zu schaffen.
Welches Verfahren ist besonders genau?
Die Länge der Telomere galt bis vor einigen Jahren als beste Methode zur Bestimmung des biologischen Alters. Sie ist indes nur auf ungefähr plus/minus zehn Jahre genau. Seit 2013 gibt es eine viel bessere biologische Altersuhr: Der Deutsch-Amerikaner Steve Horvath entdeckte einen Algorithmus, mit dessen Hilfe man aus bestimmten sogenannten epigenetischen Markern in Speichel- oder Blutzellen das biologische Alter eines Menschen auf plus/minus 3,6 Jahre genau berechnen konnte.
Epigenetische Marker bauen die Zellen an oder neben ihren Genen an und regulieren damit, welche ihrer Gene sie benutzen können und welche nicht. Horvath entdeckte einige solcher nebengenetischen Schalter, die sich systematisch mit dem Älterwerden verändern. Sein Test misst, welche dieser Schalter an- oder ausgeschaltet sind und ist damit die bislang genaueste Art, das biologische Alter zu erfassen.
Inzwischen gibt es solche epigenetische Uhren auch für viele Tierarten und für Menschen in unterschiedlichen Kulturkreisen. Steve Horvaths Uhr war allerdings die erste und ist deshalb bis heute die bekannteste. Sie wird auch in wissenschaftlichen Studien am häufigsten verwendet. An ihrer Präzision und Zuverlässigkeit bestehen nur noch geringe Zweifel.
Weil das biologische Alter bei gesunden Menschen natürlich immer auch in der Nähe des tatsächlichen Alters liegt, wird die Horvath‘sche Uhr inzwischen sogar kriminologisch eingesetzt, etwa wenn Flüchtlinge angeben, noch minderjährig zu sein, sie aber deutlich älter aussehen. Dann kann man mit der epigenetischen Uhr überprüfen, ob die Angaben der Flüchtlinge korrekt sind.
Wie gut sind die Selbsttest?
Seit dem Jahr 2018 gibt es in Deutschland einen ersten und seit 2021 einen weiteren Selbsttest zur Messung des biologischen Alters mit Hilfe der epigenetischen Uhr: Den Cerascreen Genetic Age Test und den EpiAge Test. Beide nutzen die gleiche Methode wie die Horvath‘sche Uhr, werten aber andere epigenetische Schalter aus. Angeblich sind sie sogar etwas genauer als ihr Vorbild. Sie sollen das biologische Alter auf plus/minus 2,5 beziehungsweise 2,8 Jahre genau erfassen. Diese Angaben lassen sich indes nicht überprüfen, da die zugrunde liegenden Daten nicht veröffentlicht wurden.
Ein klarer Nachteil dieser Tests für zu Hause ist ihr hoher Preis. Beide kosten knapp 200 Euro. Auch die Präsentation der Resultate ist mangelhaft: Beide Firmen suggerieren, ihr Ergebnis sei aussagekräftiger als es tatsächlich ist. Cerascreen verschweigt die Testungenauigkeit, EpiAge gibt diese zwar an, berechnet das biologische Alter aber trotzdem auf zwei Stellen hinter dem Komma genau, was angesichts der Ungenauigkeit keinen Sinn ergibt.
Für eine weitere Schwäche können die Tests hingegen wenig: Das biologische Alter ist ein so komplexes Merkmal, es unterliegt so vielen verschiedenen Einflüssen, dass konkrete individualisierte Hilfsangebote, die das biologische Alter verbessern könnten, unmöglich sind. Die Zusammenhänge zwischen Erbe, Umwelt, Lebensstil und Vergangenheit eines Menschen auf der einen Seite und seinem biologischen Alter auf der anderen, sind noch viel zu wenig erforscht, um zielgerichtete Aussagen zu treffen, wie einzelne Menschen ihr biologisches Alter individuell verringern oder das Tempo ihres Alterns bremsen könnten.
Letztlich laufen Empfehlungen für ein längeres Leben – wie sie auch in den Auswertungen der Selbsttests gegeben werden – auf die üblichen Verdächtigen hinaus: viel bewegen und entspannen, ausreichend schlafen, ausgewogen, gesund und nicht übermässig ernähren. Zudem auf Alkohol weitgehend und auf Zigaretten und andere Gifte völlig verzichten.
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Fazit:
Wenn Sie einen der Selbsttests auf das epigenetische Alter machen, erfahren Sie nicht viel mehr als eben dieses biologische Alter. Immerhin wissen Sie dann, ob Sie in Sachen gesunder Lebensstil auf einem guten Weg sind oder sich vielleicht noch etwas mehr anstrengen sollten. Wie ein solcher perfekter gesunder Lebensstil für Sie als Individuum aber genau aussieht, das kann Ihnen der Test nicht verraten.
Das kann für manche auch demotivierend sein. Deshalb sollten Sie sich vor der Entscheidung für einen solchen Test unbedingt die Frage stellen, ob es Ihnen gelingen wird, mit einem negativen Testergebnis – dass Sie biologisch deutlich älter sind als kalendarisch – positiv umzugehen.
Verwendete Quellen:
- Cerascreen: Genetic Age Test
- epiAge: Entdecken Sie Ihr wahres Alter
© RiffReporter
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