Ein Forschungsteam hat in den USA das sogenannte Camp-Hill-Virus bei Spitzmäusen entdeckt. Der neuartige Erreger zählt zur Gruppe der Henipaviren, die auf Menschen übertragen werden können. Manche Gesundheitsexperten sehen Grund zur Sorge, andere warnen vor voreiligen Schlüssen und unbegründeter Panik.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben in den USA einen Erreger bei Spitzmäusen entdeckt, der davor nur bei Fledermäusen in Australien gefunden worden war: das Camp-Hill-Virus.
"Die Entdeckung eines Henipavirus in Nordamerika ist von grosser Bedeutung, da das darauf schliessen lässt, dass diese Viren möglicherweise globaler verbreitet sind als bisher angenommen", wird Studienleiter Rhys Parry von der Universität Queensland in Australien in einer Mitteilung der Universität zitiert.
Wie wurde das Virus entdeckt?
- Im Jahr 2021 fingen Forscher vier Nördliche Kurzschwanzspitzmäuse in freier Wildbahn in Alabama. Bei einer RNA-Metagenomanalyse von Gewebe entdeckten sie das neuartige Virus, bekannt als Camp-Hill-Virus.
- Darüber berichtet das Forschungsteam in einem Forschungsschreiben vom 2. Februar 2025, das im Fachmagazin "Emerging Infectious Diseases" veröffentlicht wurde.
Studienleiter: Übertragung des Camp-Hill-Virus von Spitzmäusen auf Menschen möglich
Das Camp-Hill-Virus zählt zur Gruppe der Henipaviren, es ist mit anderen gefährlichen Viren wie Nipah und Hendra verwandt. Henipaviren verbreiten sich speziesübergreifend, können also verschiedene Säugetiere, darunter auch Menschen, infizieren. Typische Symptome bei einer Infektion sind Fieber, Atemwegserkrankungen und Entzündungen des Gehirns. Die Erreger können unter Umständen auch zum Tod führen, berichtet "The Conversation".
"Henipaviren haben in anderen Regionen schwere Krankheiten und Todesfälle bei Menschen und Tieren verursacht", sagt Parry, und nennt als Beispiele eben das Hendra- und das Nipah-Virus.
Henipaviren Hendra und Nipah
- Das Hendra-Virus ist das erste bekannte Henipavirus. Es wurde 1994 in Australien entdeckt. Es weist laut Parry eine Sterblichkeitsrate von 70 Prozent auf.
- Das Nipah-Virus wurde 1998 in Malaysia entdeckt. Bei Ausbrüchen in Südostasien, unter anderem in Malaysia und Bangladesch, habe es eine Sterblichkeitsrate zwischen 40 und 75 Prozent aufgewiesen, sagt Parry.
- Weltweit sind bislang fast 20 Arten von Henipaviren entdeckt worden.
Parry schlussfolgert, dass eine Übertragung des Camp-Hill-Virus auf Menschen denkbar ist. Denn das dem Camp-Hill-Virus am nächsten kommende bekannte Henipavirus sei das Langya-Virus. Es verursache bei Menschen Krankheiten und sei in China von Spitzmäusen auf den Menschen übertragen worden. "Dies zeigt, dass eine Übertragung von der Spitzmaus auf den Menschen möglich ist."
In seiner Studie schreibt das Forschungsteam: "Angesichts der hohen Fallsterblichkeitsraten im Zusammenhang mit Henipaviren weckt die Entdeckung des Camp-Hill-Virus in Nordamerika Bedenken hinsichtlich vergangener und potenziell zukünftiger Übertragungseffekte." Allerdings betont Parry, dass weitere Forschung erforderlich sei, um zu verstehen, ob das Camp-Hill-Virus wirklich eine Gefahr für den Menschen darstelle.
Einschätzungen von Experten gehen auseinander
Besorgt über die Entdeckung äussert sich der US-Gesundheitsexperte Davic Dyjack von der National Environmental Health Association. Der britischen Zeitung "Daily Mail" sagte er, das Virus weise eine sehr hohe Sterblichkeitsrate auf: "Falls es mutieren und auf einen Menschen übergehen würde, insbesondere mit der Fähigkeit, die Nieren anzugreifen – wie wir es bereits bei einigen Tieren beobachtet haben –, könnte das eine ernsthafte Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellen."
Könnte das Camp-Hill-Virus also für die nächste Pandemie verantwortlich sein? So dramatisch wie Dyjack schätzen andere Experten die Lage nicht ein. Adam Hume, Virologe an der Boston University, beschwichtigt gegenüber der "Daily Mail", dass man noch nicht wisse, ob das Virus tatsächlich krankheitserregend sei oder nicht: "Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir noch nicht genug darüber."
"Im Augenblick, glaube ich, kann man eine gewisse Entwarnung geben."
Auch der deutsche Virologe Bodo Plachter von der Uniklinik Mainz gibt im Gespräch mit dem SWR zu bedenken, dass es sich um "eine ganze Familie von solchen Viren" handle. Es sei nichts Unerwartetes, dass ein Erreger nun auch bei Spitzmäusen gefunden wurde.
Man müsse zunächst einmal schauen, ob sich noch mehrere Fälle zeigen, sagte er weiter: "Aber im Augenblick, glaube ich, kann man eine gewisse Entwarnung geben." Derzeit gebe es schliesslich keine Hinweise, dass das Camp-Hill-Virus bereits auf Menschen übertragen worden sei oder sich Menschen infizieren könnten.
Verwendete Quellen
- Research Letter in "Emerging Infectious Diseases": "Henipavirus in Northern Short-Tailed Shrew, Alabama, USA"
- Pressemitteilung der University of Queensland, Australia: "UQ team finds relative of deadly Hendra virus in the US"
- theconversation.com: "Camp Hill virus explained: what are the risks of a henipavirus outbreak in America?"
- dailymail.co.uk: "New virus discovered in Alabama raises pandemic fears"
- SWR Kultur: "Camp-Hill-Virus hat Spitzmäuse in den USA infiziert"


"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.