(ibe) - Der Gefoulte sollte den Elfmeter nicht selbst schiessen. Die Heimmannschaft ist klar im Vorteil und der Ball ist rund. Zu WM-Zeiten haben Fussballmythen Hochkonjunktur. Ob an ihnen wirklich etwas dran ist oder nicht, beschäftigt auch die Wissenschaft.

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Der Volkssport Fussball begeistert zwar schon seit jeher die Massen - aber bis vor einigen Jahren nicht unbedingt die Wissenschaft. Doch das hat sich geändert. Mittlerweile gibt es fast keine wissenschaftliche Disziplin mehr, die sich diesem Sport nicht schon in irgendeiner Form gewidmet hätte. So konnte auch der eine oder andere Mythos um das runde Leder entzaubert werden.

Elfmeter: Selbstschiessen bringt Unglück

Hätte der Gefoulte mal lieber seinen Mannschaftskollegen den Elfer schiessen lassen – der hätte ihn sicher verwandelt. Diesen Mythos konnten Wissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg widerlegen. In einer empirischen Studie untersuchten sie alle Foulelfmeter der Ersten Bundesliga im Zeitraum von 1993 bis 2005. Das Ergebnis: Vorher gefoulte Schützen trafen mit 73 Prozent fast ebenso häufig wie andere Spieler (75 Prozent). Schiessen sollte also immer derjenige, der sich in dem Moment am besten fühlt.

Vorlegen ist ein Vorteil

Auch bei dieser WM wird es sie voraussichtlich wieder geben: die Elfmeterkrimis. Mannschaften die nachlegen, haben dabei laut dem Wirtschaftswissenschaftler Matthias Sutter von der Universität Innsbruck keine Nachteile zu befürchten. Dieses Ergebnis einer Analyse zum Elfmeterschiessen präsentierte er, wie "Spiegel Online" meldet, auf einer Tagung kurz vor der EM 2008. Entscheidend ist also vielmehr die psychologische Verfassung des Schützen, beziehungsweise des gegnerischen Torwarts.

"Der Ball ist rund"

Das behauptete zumindest der legendäre Trainer der deutschen Nationalmannschaft von 1954, Sepp Herberger. Aber ist er das auch wirklich? Der klassische Fussball besteht aus zwanzig Sechsecken und zwölf Fünfecken. In der Geometrie wird so ein Körper durch seine regelmässige Anordnung "abgestumpfter Ikosaeder" genannt.

Durch das Aufpumpen gleicht man zwar die eckigen Kanten etwas aus, doch rund macht das den Ball noch lange nicht.

Albrecht Beutelspacher, Professor für Geometrie und Diskrete Mathematik von der Universität Giessen sagte im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt": "Wenn man viele sehr kleine Teile benutzen würde, könnte man eine sehr runde Form erhalten. Aber wer soll diese vielen Teile zusammennähen? Der Fussball ist deshalb ein Kompromiss zwischen einer möglichst gleichmässigen Form und möglichst wenig Teilen."

Der aktuelle WM-Ball "Jabulani" soll dem runden Ideal laut Hersteller Adidas bedeutend näher kommen. Die Torhüter beklagen allerdings sein Flatterverhalten. Möglicherweise ein Grund für die häufigen Patzer der Keeper in den ersten Spielen der WM-Vorrunde.

"Das Spiel dauert 90 Minuten"

Noch so ein Gerücht, dass von Sepp Herberger in die Welt gesetzt wurde. So gesehen, hätten die Bayern das Champions League-Finale 1999 gegen Manchester United nach ihrem 1:0 Vorsprung bis zur 90. Minute niemals in der Nachspielzeit verlieren dürfen.

Die tatsächliche Netto-Spielzeit ist allerdings deutlich kürzer als 90 Minuten. Wissenschaftler der Universität Augsburg analysierten alle Spiele der Fussball-Weltmeisterschaft von 2006 in Deutschland und stellten fest, dass die reine Spielzeit durchschnittlich 55 Minuten betrug. Schuld waren die vielen Unterbrechungen aufgrund von absichtlichen Spielverzögerungen, Fouls, Verletzungen und Eck- oder Freistössen. Pro Spiel kam es laut der Studie im Schnitt zu 117 Unterbrechungen.

Vorteil für die Heimmannschaft

Sollte das Klischee vom Vorteil für die Heimmannschaft stimmen, hätte Gastgeber Südafrika bei dieser WM die besten Chancen weiterzukommen. Eine Studie der Technischen Universität Dortmund nimmt dieser These allerdings den Wind aus den Segeln. In ihrer Analyse aller Spiele der Fussball-Bundesliga, sowie der ersten spanischen, englischen und italienischen Ligen seit dem Jahr 1963 fanden die Forscher heraus, dass der Heimvorteil im Laufe der Jahre abgenommen hat. So gingen beispielsweise in der Bundesliga-Saison 2006/07 im Schnitt nur bei 43,8 Prozent der Spiele die Heimmannschaften als Sieger vom Platz. Von Heimvorteil kann nicht die Rede sein. Als Begründung sehen die Wissenschaftler die zunehmende Leistungsdichte im Profifussball, die diesen Vorteil kompensiert.

Auch Forscher der Universität Bonn und des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) widersprechen dem Klischee des Heimvorteils. Bei einer Untersuchung der Trefferquoten von Elfmetern in der Bundesliga kamen sie zu dem überraschenden Ergebnis, dass in den heimischen Stadien deutlich weniger Strafstösse verwandelt wurden – vor allem, wenn diese auf das Tor vor der gegnerischen Fankurve geschossen wurden. Gründe könnten Versagensängste vor dem eigenen Publikum, oder die direkte Konfrontation mit den gegnerischen Fans sein, wie IZA-Wissenschaftler Thomas Dohmen in einem Beitrag für die Fernsehsendung "Nano" mutmasste.

Andere Studien wiederum, wie die von Christian Unkelbach von der Universität Heidelberg und Daniel Memmert von der Deutschen Sporthochschule Köln, kamen zu etwas anderen Ergebnissen. Sie untersuchten den Einfluss der Geräuschkulisse im Stadion auf Schiedsrichterentscheidungen. Der Lärm im Stadion hat ihrer Analyse zufolge einen messbaren Einfluss auf die Häufigkeit von Gelben Karten gegen das Auswärtsteam und verschafft der Heimmannschaft also auf diese Weise Vorteile.

Den Vuvuzelas sei Dank hat Südafrika also vielleicht doch eine kleine Chance, die WM-Vorrunde zu überstehen.

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