Die meisten kennen den Nobelpreis als höchste Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche Leistungen. Der Ig-Nobelpreis ist die parodistische Antwort darauf. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden wie jedes Jahr zehn skurrile wissenschaftliche Errungenschaften ausgezeichnet.

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Der Ig-Nobelpreis (das "Ig" steht für "ignoble", zu Deutsch "unehrenhaft") wird von der Zeitschrift "Annals of Improbable Research" vergeben. Damit werden wissenschaftliche Leistungen geehrt, die "Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken" anregen sollen. Hinter den ungewöhnlichen Leistungen verbergen sich vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet wichtige Erkenntnisse, deren Nutzen sich zunächst nicht auf Anhieb erschliesst.

Medizin: Opernmusik lässt Mäuseherzen höher schlagen

Preisträger: Masateru Uchiyama, Xiangyuan Jin, Qi Zhang, Toshihito Hirai, Atsushi Amano, Hisashi Bashuda, Masanori Niimi

Musik wurde bisher bestenfalls eine beruhigende Wirkung nachgesagt. Mit dem Ig-Nobelpreis für Medizin könnte der Opernmusik zusätzlich ein heilender Effekt nachgewiesen werden. Ein Team aus Japan, China und Grossbritannien erforschte den Einfluss dieser Musikrichtung auf Mäuse nach einer Herztransplantation.

Das ausgezeichnete Experiment untersucht, inwiefern Musik – speziell Opernmusik – das Risiko einer Abstossung von transplantierten Organen verringern könnte. Den Nagetieren wurde für eine Dauer von sieben Tagen nach der Operation entweder Opernmusik aus La Traviata, klassische Musik von Mozart oder New Age-Musik von Enya vorgespielt. Testgruppen bekamen sechs verschiedene Tonfrequenzen zu hören.

Die Ergebnisse waren verblüffend: Die mittlere Überlebensdauer der Mäuse mit Opernmusik und klassischer Musik war mit 26,5 beziehungsweise 20 Tagen wesentlich länger als die der anderen Gruppen. Enya hielt die Mäuse immerhin elf Tage am Leben, während die verschiedenen Frequenzen bestenfalls 8,5 Tage Leben spendeten.

Diese Erkenntnisse können nun für weitere Tests an grösseren Tieren genutzt werden. Sollten diese ähnlich ausfallen, könnte sich daraus auch eine bessere Behandlung für den Menschen entwickeln lassen.

Psychologie: "Beauty is in the eye of the beer holder"

Preisträger: Laurent Bègue, Brad Bushman, Oulmann Zerhouni, Baptiste Subra, Medhi Ourabah

Alkoholisierte Menschen nehmen andere Menschen attraktiver wahr, als noch in nüchternem Zustand. Der Ig-Nobelpreis für Psychologie honoriert die Forscher um Laurent Bègue für die Erkenntnis, dass der Alkohol auch die Wahrnehmung der eigenen Attraktivität beeinflusst.

Die Analyse untersuchte die Selbstwahrnehmung von Probanden in alkoholisiertem und nüchternem Zustand. Die Teilnehmer wurden dabei teilweise falsch über den Alkoholgehalt ihrer Getränke informiert. Nach dem Konsum der Getränke füllten sie einen Fragebogen aus, auf dem sie ihre eigene Attraktivität, ihre Intelligenz und ihren Humor bewerten sollten. Anschliessend gab eine unabhängige Jury von 22 Personen eine Bewertung über die Probanden in denselben Kategorien ab.

Das überraschende Ergebnis zeigt nicht nur, dass sich alkoholisierte Probanden prinzipiell attraktiver einschätzen, als sie von anderen beurteilt werden. Auch die nüchternen Testpersonen, die glaubten, alkoholhaltige Getränke zu sich genommen zu haben, werteten sich selber attraktiver als unbeteiligte Aussenstehende.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Alkohol nicht nur das andere Geschlecht attraktiver erscheinen lässt, sondern auch sich selbst. Darüber hinaus führte allein die Annahme, alkoholisiert zu sein, zu erhöhter positiver Selbstwahrnehmung. Die Forscher geben an, diese Erkenntnis sei deshalb wichtig, da sich die Wertung der eigenen Attraktivität direkt auf das Sexualverhalten auswirke.

Biologie/Astronomie: Mistkäfer orientieren sich an der Milchstrasse

Preisträger: Marie Dacke, Emily Baird, Marcus Byrne, Clarke Scholtz, Eric Warrant

Der Mensch nutzte bereits in früheren Zeiten die Sterne zur Navigation. In der Tierwelt wurde bisher nur Vögeln und Seelöwen eine ähnliche Orientierungsfähigkeit zugesprochen, wie das Forscherteam um Marie Dacke ausführt. Sie machten allerdings die Beobachtung, dass auch Käfer in mondlosen Nächten einen festen Pfad einhielten.

Sie untersuchten daraufhin in einem Planetarium das Verhalten afrikanischer Mistkäfer bei Nacht, indem sie verschiedene Sternenkonstellationen nachstellten. Was beim Leser zunächst Kopfschütteln verursachen dürfte, brachte den ersten Nachweis für eine Orientierung anhand der Sterne bei Insekten. Darüber hinaus ist es der erste Beleg dafür, dass die Milchstrasse in der Tierwelt als Hilfsmittel dient.

Sicherheitsingenieurswesen: Anti-Entführungssystem von Flugzeugen

Preisträger: Gustano Pizzo

Der Amerikaner Gustano Pizzo entwickelte 1972 ein Modell, das Schutz vor einer Flugzeugentführung bieten sollte. In diesem werden im Bereich zwischen Pilotenkabine und den Passagieren Falltüren eingebaut, die auf Knopfdruck geöffnet werden. Eine darunter liegende Kapsel sperrt den Flugzeugentführer ein und wird durch eine weitere Klappe im Bauch des Flugzeugs nach draussen befördert.

Durch einen Fallschirm gelangt die Kapsel sicher auf die Erde. Die vom Flugzeug aus benachrichtigte Polizei soll den unerwünschten Passagier daraufhin festnehmen.

Die Erfindung des im Jahr 2006 verstorbenen Gustano Pizzo wurde niemals realisiert, da die einzelnen Konstruktionen als zu teuer eingeschätzt wurden. Trotzdem war sein Modell nicht umsonst, sagt Marc Abrahams, Organisator des Ig-Nobelpreises. In der britischen Zeitung "The Guardian" erklärt er, dass 16 Patente zum Thema Flugsicherheit sich von Pizzos Modell inspirieren liessen.

Physik: Menschen können auf dem Mond übers Wasser laufen

Preisträger: Alberto Minetti, Yuri Ivanenko, Germana Cappellini, Nadia Dominici, Francesco Lacquaniti

Nur wenigen Spezies ist es möglich, die Oberflächenspannung auf dem Wasser zu nutzen, um auf selbigem zu laufen. Dem Menschen verschliesst sich diese Art der Fortbewegung durch die grosse Körpermasse, ungeeignete Gliedmasse und limitierte Muskelkraft. Ein Forscherteam um Alberto Minetti untersuchte, inwiefern verringertes Körpergewicht dies ändern könnte.

Dabei liessen die Forscher sechs Testpersonen mit Unterstützung von Schwimmflossen über das Wasser laufen. Das Körpergewicht reduzierten sie dabei mit einer Gurtkonstruktion, die an einer Schiene über den Testpersonen befestigt war und so einen Teil des Gewichts auffing. Dadurch konnten sie messen, um wie viel sich die Körpermasse eines Menschen verringern müsste, damit dieser auf der Wasseroberfläche laufen kann.

Die Ergebnisse zeigten, dass ein Mensch mit Schwimmflossen auf dem Wasser laufen könnte, wenn die zugrunde liegende Schwerkraft maximal 22 Prozent der Schwerkraft der Erde entspräche. Dementsprechend könnte man also auf dem Mond - der 16 Prozent der Erdschwerkraft hat - auf dem Wasser laufen. Sofern es dort eine ausreichende Ansammlung von Wasser gäbe.

Mit dieser Entdeckung lassen sich unter Umständen in Zukunft Verfahren und Hilfsmittel entwickeln, die den Menschen auch auf der Erde auf der Wasseroberfläche spazieren lassen.

Chemie: Tränenfreie Zwiebel

Preisträger: Shinsuke Imai, Nobuaki Tsuge, Muneaki Tomotake, Yoshiaki Nagatome, Toshiyuki Nagata, Hidehiko Kumgai

Die japanischen Preisträger um Shinsuke Imai entdeckten das Enzym, das Menschen beim Zwiebelschneiden weinen lässt. Die Forscher hoffen nun, Zwiebeln züchten zu können, die die Aktivität des neu entdeckten Enzyms begrenzen, die restlichen Merkmale der Zwiebel aber erhalten. Die Hausfrauen und -männer dieser Welt dürften sich sehr darauf freuen.

Archäologie: Die Effekte menschlicher Verdauung auf die Knochen von Nagetieren

Preisträger: Brian Crandall, Peter Stahl

Bei diesem Experiment wurde eine Spitzmaus angekocht, ausgeweidet und anschliessend ohne Kauen heruntergeschluckt. In den folgenden Tagen wurden die Exkremente des Testessers auf die Überreste der Knochen untersucht.

Mit diesem Versuch wollten die Preisträger feststellen, welche Mäuseknochen vom menschlichen Verdauungstrakt aufgelöst werden und welche nicht. Der Preis dürfte den wenig beneidenswerten Testesser also für seine Mühen entschädigen.

Im Gegensatz zu den bisherigen Preisträgern ist der tiefergehende wissenschaftliche Sinn dieses Experiments auf den ersten Blick nicht zu erschliessen.

Friedenspreis: Applausverbot in der Öffentlichkeit

Preisträger: Alexander Lukaschenko, die Polizei von Weissrussland

Als Parodie auf den Friedensnobelpreis wird auch beim Ig-Nobelpreis ein nicht ganz ernstgemeinter Friedenspreis vergeben. Der Gewinner in diesem Jahr ist Alexander Lukaschenko, der autokratisch regierende Präsident Weissrusslands. Der Grund für die Auszeichnung für den von Guido Westerwelle als "letzten Diktator Europas" bezeichneten Lukaschenko ist ein von ihm erlassenes Gesetz aus dem Jahr 2011, das Applaudieren in der Öffentlichkeit verbietet.

Teilen muss sich Lukaschenko den Preis mit der Polizei seines Landes, die einen einarmigen Mann wegen eben dieses Delikts verhaftete. Weder der Präsident noch ein Vertreter der Polizei waren übrigens bei der Preisverleihung persönlich zugegen...

Wahrscheinlichkeitspreis: Je länger Kühe liegen, desto wahrscheinlicher stehen sie bald auf

Preisträger: Bert Tolkamp, Marie Haskell, Fritha Langford, David Roberts, Colin Morgan

Aus einer eigentlich dringenden Frage entstand die wohl sinnloseste Erkenntnis: Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung lag auf der Vermutung, das Liegeverhalten von Kühen hätte gesundheitliche Gründe. Um eventuelle Krankheiten schneller diagnostizieren zu können, untersuchten sie, wie oft sich Kühe in stehender oder liegender Position befanden.

Die Ergebnisse sind ernüchtern: Gesundheitliche Zusammenhänge wurden nicht erkannt. Dafür ergaben die Messwerte mit fortschreitender Dauer des Liegens eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass eine Kuh bald aufsteht. Wann sich Kühe nach dem Erheben allerdings wieder hinlegen würden, dafür lagen keine aussagekräftigen Ergebnisse vor.

Gesundheit: Methoden, um einen Penis wieder anzunähen

Kasian Bhanganada, Tu Chayavatana, Chumporn Pongnumkul, Anunt Tonmukayakul, Piyasakol Sakolsatayadorn, Krit Komaratal, Henry Wilde

Zwischen 1970 und 1980 war es nicht unüblich, dass Frauen ihrem Mann mit einem Küchenmesser den Penis abschnitten, wenn dieser fremdgegangen war. Im Jahr 1983 stellten die nun ausgezeichneten Mediziner Methoden vor, diesen wieder anzunähen. Sie modifizierten dabei Techniken, die bereits im Jahr 1968 vorgestellt wurden.

Die Forscher stellen allerdings klar, dass dies nur für die Fälle gilt, in denen der Penis des Mannes nicht bereits von Enten angebissen wurde. Diese ungewöhnliche Präzisierung ist nötig, denn für gewöhnlich warfen Frauen das abgetrennte Geschlechtsteil des Mannes aus dem Fenster, wo im Normalfall die Nutztiere der Thailänder gehalten wurden - darunter auch Enten.

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