Beim Berühren einer Türklinke, beim Aussteigen aus dem Auto oder beim Händeschütteln mit einer anderen Person: In vielen Alltagssituationen kann es im Winter plötzlich passieren, dass man einen elektrischen Schlag bekommt. Wie kommt es dazu?
Gerade im Winter ein Phänomen, das viele Menschen nervt: Man berührt etwas Metallisches oder eine andere Person - und bekommt eine gewischt. Diese kleinen Stromschläge in Alltagssituationen kommen durch Elektrostatik zustande. Drei Dinge spielen dabei eine Rolle:
- die Materialien, die man trägt oder von denen man umgeben ist
- die Oberflächenspannung, die durch Reibung entsteht, zum Beispiel, wenn sich Menschen bewegen
- die Höhe der Luftfeuchtigkeit
"Durch Bewegung oder das Benutzen von synthetischen Oberflächen, die sich elektrostatisch aufladen können, entsteht Reibung. Dadurch lädt sich auch der menschliche Körper auf", erklärt Baubiologe Johannes Schmidt.
Normalerweise stellt diese Aufladung kein Problem dar, denn die Spannung wird unbemerkt über die Umgebungsluft abgebaut. Wenn die Luft im Winter aber trocken ist, leitet sie schlechter oder gar nicht und der Ladungsaustausch kann nicht stattfinden. Hat sich der Körper also durch Bewegung aufgeladen, sammelt sich die Ladung im Körper an und entlädt sich, sobald man eine leitfähige Oberfläche berührt. Bei dieser Entladungsreaktion verspürt man einen elektrischen Schlag, der sich durch Kribbeln in den Fingerspitzen bemerkbar macht und durchaus schmerzhaft sein kann.
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Schmidt beschreibt das Phänomen anhand eines Beispiels, das wohl jeder kennt: "Ich laufe mit synthetischen Schuhen, zum Beispiel mit Gummisohle, auf einem synthetischen Teppich. Durch das Laufen, also die Reibung, entsteht Elektrostatik. Komme ich dann zu einer Türe und berühre die Türklinke, bekomme nicht ich eine gewischt, wie es oft heisst, sondern ich entlade mich an der Türklinke."
Elektrische Schläge vor allem Winter wegen trockener Luft
Warum passiert es aber hauptsächlich im Winter, dass man diese Art von Stromschlägen im Alltag bekommt? Das liegt vor allem an den veränderten Luftverhältnissen im Winter. Denn in der kalten Jahreszeit ist die Luft trockener als im Sommer und Spannung kann sich schlechter beziehungsweise gar nicht abbauen.
"Die wesentlich geringere Feuchtigkeit und Wassermenge in der Luft sorgen dafür, dass dieses Phänomen nur im Winter auftritt. Im Sommer liegt eine höhere Feuchtigkeitsmenge und eine höhere relative Luftfeuchtigkeit vor als im Winter und Wasser ist gut leitfähig. Das heisst, je mehr Feuchtigkeit in der Luft ist oder sich auf Oberflächen befindet, desto besser wird die elektrostatische Spannung, die sich auch im Sommer aufbaut, abgeleitet und sammelt sich weniger im Körper an", bestätigt der Experte.
Wie stark das Phänomen bei einem selbst auftritt, hängt vor allem davon ab, welche Kleidung und Schuhe man trägt. Naturmaterialien etwa speichern die Spannung nicht oder kaum und leiten sie besser ab als synthetische Fasern. Der Aufladungseffekt fällt dann entsprechend geringer aus oder findet gar nicht statt. "Das ist auch der Grund, warum Schuhe mit Ledersohle verhindern, dass man einen Stromschlag bekommt. Denn auch dieses Naturmaterial leitet die Spannung, die durch das Gehen auf einer synthetischen Oberfläche entsteht, besser ab als Schuhe mit Gummisohle", so Schmidt.
Wer in einem Büro mit synthetischem Teppichboden arbeitet und mögliche elektrische Schläge im Winter vermeiden möchte, kann zum Beispiel Lederschuhe tragen. Auch wer barfuss läuft, ist besser geerdet, lädt sich beim Laufen also erst gar nicht so stark auf und kann Spannung leichter abgeben. Das ist aber meist nur zu Hause möglich.
Keine Gesundheitsgefahr durch kleine elektrische Schläge
Die elektrostatische Aufladung des Körpers ist zudem von den Baumaterialien abhängig, die uns umgeben. Unproblematisch in diesem Zusammenhang sind etwa Böden oder Möbel aus Massivholz, das nicht beschichtet oder lackiert ist. "Ein nur geölter Holzboden kann sich nicht elektrostatisch aufladen", sagt Schmidt. Auch könne eine Luftbefeuchtungsanlage dafür sorgen, dass die Raumluft sowie das Mobiliar während der Heizperiode nicht zu trocken werden. "Eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent ist für uns Menschen am angenehmsten und die Gefahr einer elektrostatischen Aufladung ist in diesem Bereich sehr gering."
Für gesunde Menschen geht durch die minimalen elektrischen Schläge im Übrigen in der Regel keine Gesundheitsgefahr aus, aber es ist trotzdem anzuraten, eine regelmässige elektrostatische Auf- und Entladung des Körpers zu vermeiden. Auch nachts, wenn man schläft, sollte eine elektrostatische Dauerladung vermieden werden, damit der Körper während des Schlafs die Möglichkeit hat, sich zu regenerieren. Schmidt empfiehlt daher, im Bett auf Naturprodukte zu achten und im Winter keine zusätzliche Decke aus synthetischen Fasern zu verwenden, sondern eher eine Wolldecke. Sonst würde man sich durch das häufige Drehen oder Bewegen während des Schlafes elektrostatisch aufladen.
Über den Gesprächspartner
- Johannes Schmidt ist Baubiologe und Messtechniker am Institut für Baubiologie und Nachhaltigkeit in Rosenheim.
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