- Künstliche Intelligenz und Algorithmen haben in die Kriegsführung Einzug gehalten.
- Es gibt Drohnen mit Gesichtserkennung, autonome Kriegsschiffe und eigenständig patrouillierende Roboter. Die Gefahr für den Menschen: massiv.
- Ein Experte mahnt: Noch kann mit Sperrverträgen das Schlimmste verhindert werden.
Ein Knopf gedrückt und die Drohne steigt in den Himmel auf. Noch einige Sekunden ist sie als Punkt am Himmel zu sehen, dann verschwindet sie für das menschliche Auge. Sie fliegt in rasanter Geschwindigkeit über die Landesgrenze auf feindliches Gebiet und sucht ihr Opfer per Gesichtserkennung. Leise summend spürt die Mini-Drohne es auf, berechnet blitzschnell den Winkel und tötet ihr Opfer mit einer Mini-Explosion.
Bestimmen Szenarien wie dieses bald den Krieg? Technisch möglich sind sie bereits. Dass die Kriegsführung sich ändert, ist lange klar. Sie wird digitaler, Roboter ersetzen zunehmend menschliche Soldaten. Manche Maschinen sind winzig klein und identifizieren unbemerkt feindliche Stellungen, andere kommen als meterlange Unterwasser-Spione daher.
Roboter ersetzen den Menschen
Sie eint: Die Computer übernehmen das Entscheiden. Die Waffen werden autonom gesteuert, ohne Pilot. Selbstlernende Algorithmen berechnen die Flugbahn von Raketen und schicken sie auf den Weg, feuern Maschinengewehre ab oder lassen Roboter an Grenzen patrouillieren.
Schon 2016 sorgte ein Vorfall in der Region Bergkarabach für Schlagzeilen, als Aserbaidschan im "Vier-Tage-Krieg" Drohnen vom Typ Harop einsetzte. Diese unbemannten Kamikaze-Flugkörper kreisen erst über einem Gebiet und stürzen sich dann auf ein Ziel, um dort mitsamt ihres Splittergefechtskopfes zu explodieren. Hersteller ist die israelische Firma Israel Aerospace Industries.
Algorithmen treffen Entscheidung zum Töten
2016 tötete eine solche Drohne mehrere armenische Soldaten, die in einem Bus sassen. Das Gerät ist rund 135 Kilogramm schwer, misst etwa 2,5 Meter und kann neun Stunden in der Luft bleiben. Die Liste an Roboter-Waffen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, ist lang.
In der Demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea etwa überwacht der von Samsung entwickelte SGR-A1 die Grenze. Der erste vollautomatische Kampfroboter der Welt kann mit Kameras, Wärme- und Bewegungssensoren Eindringlinge identifizieren, ins Visier nehmen und töten.
Die US-Navy besitzt derweil mit dem Roboterschiff "Sea Hunter" ein Schiff, das ohne Besatzung in den Kampf ziehen kann. Der 140 Tonnen schwere und mehr als 40 Meter lange Trimaran kann autonom U-Boote und Torpedos aufspüren und ausschalten.
Im Krieg in Syrien und im Karabachkonflikt kam auch die türkische Drohne Bayraktar TB2 zum Einsatz. Sie kann Überwachung, Aufklärung und Angriffe autonom übernehmen. Dass ganze Schwärme solcher Drohnen ins Gefecht ziehen und den Gegner mit schierer Masse überwältigen, ist denkbar - etwa an der Seite von autonom operierenden Panzern.
Vorteile aus Sicht des Militärs
Aus Sicht der Militärs liegen die Vorteile solcher Geräte auf der Hand. Während die Bayraktar-Drohne nach Schätzungen rund 5,2 Millionen Euro kostet, muss man für einen aktuellen US-Kampfjet ein Vielfaches davon bezahlen: je nach Typ zwischen 25 und 50 Millionen Euro. Hinzu kommen Pilotenausbildung, Ersatzteile und sonstige Infrastruktur.
Thomas Küchenmeister ist Politikwissenschaftler und setzt sich seit Jahren für ein Verbot autonomer Waffensysteme ein. Experten wie er warnen vor einer dunklen Zukunft der Kriegsführung; die vermehrte Nutzung autonomer Waffenplattformen könnte ähnlich einschneidend sein wie die Erfindung des Schiesspulvers oder der Atombombe. Noch sind die Ausgaben für autonome Systeme relativ gering: 2020 soll das weltweite Volumen etwa elf Milliarden Dollar betragen haben, bei einem insgesamt 2.000 Milliarden schweren Markt.
Drohnen mit Gesichtserkennungssoftware
Küchenmeister ist sich aber sicher, dass sich das zeitnah ändern könnte. "Durch solche Drohnen sinkt die Hemmschwelle, Kriege zu führen", sagt er. Aus Sicht der Militärs werde das Kriegführen einfacher und man habe mit weniger Verlusten zu rechnen, wenn man nur Maschinen in die Schlacht schicke.
Doch unter dem Strich überwiegen aus Sicht von Küchenmeister die Gefahren, die mit den "Lethal Autonomous Weapons" (LAW) verbunden sind, bei weitem: "Es kämpfen nicht Maschinen gegen Maschinen irgendwo in der Wüste, sondern autonome Waffensysteme werden in urbanen Kriegsszenarien eingesetzt, wo es auch um Zivilisten geht", sagt er.
Küchenmeister will verhindern, dass Tötungsentscheidungen im grossen Stil an Maschinen übertragen werden. "Es ist bereits bestätigt, dass in Libyen türkische Drohen mit Gesichtserkennungssoftware eingesetzt wurden. Teilweise geht es nur um die reine Überwachung und Identifizierung, man kann mit den Drohnen aber auch gezielt Menschen jagen", erklärt er.
Experte fordert Sperrvertrag
Die Sicherheitsbehörden würden schon seit Langem mit der Technik der Gesichtserkennung arbeiten, bislang sei dies aber nicht im Kontext des Waffeneinsatzes geschehen. "Die Fehleranfälligkeit ist hoch", schlägt Küchenmeister Alarm. Wenn eine Drohne mit Künstlicher Intelligenz arbeite, sei sie nur so gut, wie der Algorithmus, den ein Mensch programmiert hat. "Und wenn ein Mensch zum Beispiel ein Rassist ist, ist das eine Schwachstelle", sagt Küchenmeister.
Mehr als 20 Nationen seien bereits daran interessiert, solche Waffen zu besitzen. Und Küchenmeister weiss, dass die Uhr tickt: "Wenn die Technologie erst einmal verbreitet ist, wird es immer schwieriger, ein Verbot zu verabreden und durchzusetzen."
Drohnen seien bereits in fast allen Ländern verbreitet. Die Technologie der Drohnen mit autonomen Fähigkeiten würden aber vor allem Israel, Russland, der Iran, Korea und die USA vorantreiben. "Seit mehreren Jahren gibt es im Uno+-Rahmen unverbindliche Gespräche zu Sperrverträgen. Sie werden aber von hochgerüsteten Ländern blockiert", sagt der Experte.
Lesen Sie auch:
- Krieg in der Ukraine: So funktionieren Russlands Kamikazedrohnen
- Südkorea meldet Eindringen mutmasslicher Drohnen aus Nordkorea
Rolle im Ukraine-Krieg
Küchenmeister fordert deshalb, das Thema nicht im Rahmen der Genfer Abrüstungsverhandlungen zu behandeln, sondern in der UN-Vollversammlung. "Dort muss man nicht das Konsensprinzip beachten, Russland kann beispielsweise mit einem Veto nicht alles blockieren", erklärt er. So sei seiner Zeit auch der Verbotsvertrag für Atomwaffen entstanden.
Dass Killer-Drohnen mit künstlicher Intelligenz auch im Ukraine-Krieg eine Rolle spielen, ist für Küchenmeister ausgemacht. "Es ist schwierig zu bewerten, inwieweit autonome Systeme bereits jetzt zum Einsatz kommen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis diese Technologie umfassend eingesetzt werden wird", sagt er.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Thomas Küchenmeister
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.