- Sie soll bis zu 70 Prozent ansteckender sein: Die Corona-Variante B.1.1.7, die in Grossbritannien grassiert.
- Sie ist aber nicht die einzige Mutation des Coronavirus. Auch in Südafrika und den USA beobachten Wissenschaftler Varianten des Virus mit neuen Eigenschaften.
- Warum mutiert SARS-CoV-2 überhaupt und wie gefährlich ist das?
- Gemeinsam mit dem Mediziner Roger Vogelmann beantworten wir die wichtigsten Fragen.
Neben den konstant hohen Fallzahlen gehen neue beunruhigende Nachrichten um die Welt: Das Coronavirus ist in mehrere Varianten mutiert. B.1.1.7, 501.V2, D614G und Cluster 5 lauten die Varianten, die unterschiedliche Eigenschaften haben und zum Teil noch ansteckender sein sollen als die bekannte Virusform.
Deutschland hat bereits reagiert und ein generelles Beförderungsverbot für Reisende aus Grossbritannien, Nordirland und Südafrika erlassen. Dort waren Mutationen aufgetreten. Noch ist nur wenig über die Corona-Varianten bekannt. Mediziner warnen jedoch vor Panikmache und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht keine unkontrollierbare Situation.
Warum mutieren Viren und sind Mutationen automatisch gefährlicher?
"Mutationen sind bei Viren völlig normal und kommen häufig vor", betont auch der Infektiologe Roger Vogelmann. Viren sind keine Lebewesen, sondern bestehen aus Molekülen, die das Erbgut mit Informationen zu ihrer Vermehrung erhalten. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können nicht selbst Energie gewinnen – deshalb benötigen sie zur Vermehrung Wirtszellen. Bei der Ansteckung mit Corona dringt das Virus in den menschlichen Körper ein und beginnt sich dort zu vermehren.
Dafür dockt das Corona an die Wirtszelle an und lässt seine benötigten Bausteine von ihr produzieren und zusammenbauen. Das Coronavirus nutzt vor allem Zellen im Rachenraum und der Lunge als Wirte. Dieser Vorgang läuft jedoch nicht immer reibungslos ab.
"Bei der Replikation des Virus wird ein Enzym verwendet, das bei der Verdoppelung der Erbinformation des Virus leicht Fehler macht, die nicht korrigiert werden", erklärt Experte Vogelmann. Auf diesem Wege entstehen ständig Mutationen, die allerdings nicht zielgerichtet sind – viele Varianten führen deshalb auch zu einer verminderten Verbreitung des Virus.
"Viele Mutationen haben in der Regel Nachteile", erklärt Vogelmann. Beispielsweise könnte die Mutation den Bauplan für ein Eiweiss so verändern, dass das betreffende Eiweiss nicht mehr richtig funktioniert.
Die Mutation könne für das Virus aber auch Vorteile bringen: "Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Interaktion mit dem Wirt, also dem Menschen, durch die Mutation verbessert wird. Mutationen können dazu führen, dass es leichter eindringen oder sich leichter vermehren kann."
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Wie schnell und wie oft mutieren Viren?
Manche Viren mutieren schneller als andere. Das Grippevirus und das HI-Virus ändern beispielsweise häufig ihre Eigenschaften. Der Influenza-Impfstoff schützt deshalb auch nur für einen begrenzten Zeitraum und wird jährlich angepasst. Bei dem Virus, das COVID-19 auslöst, verhält es sich anders.
"Das SARS-CoV-2-Virus mutiert nicht so häufig wie andere", sagt Dr. Vogelmann. Das liegt hauptsächlich daran, dass das Virus einen internen Kontrollmechanismus hat, mit dem es Fehler bei der Replikation korrigieren kann. Trotzdem kommt es auch bei diesem Coronavirus zu Mutationen.
"Pro Genom sind es zwei Mutationen pro Monat", sagt der Mediziner. Ein Genom ist das Erbgut eines Lebewesens oder eines Virus. Um Mutationen überhaupt nachweisen zu können, müssen die Erbinformationen eines Virus im Labor mit der ursprünglichen Form verglichen werden. In Grossbritannien werden in einem Genom-Sequenzierungs-Konsortium dafür rund 10.000 Positiv-Tests pro Woche sequenziert und in der weltweiten Datenbank GISAID geteilt.
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Was sind die Unterschiede der neuen Varianten?
Nach aktuellem Stand hat die in Grossbritannien auftretende Mutation B.1.1.7 eine 40 bis 70 Prozent höhere Infektionsrate im Vergleich zur Ursprungsform. Der Verlauf der Infektion sei aber wegen der höheren Ansteckungsrate nicht unbedingt schlimmer, sagt Vogelmann.
Die höhere Ansteckungsrate trifft wohl auch auf die Mutation D614G zu, die sich in Teilen Europas und der Ostküste der USA durchsetzt. In Südafrika soll die Variante 501.V2 für raschere Ausbreitung sorgen. Laut südafrikanischen Medizinern sind mehr jüngere Menschen als zuvor betroffen und leiden ausserdem häufiger unter einem schweren Verlauf. Das erklärte Gesundheitsminister Zwelini Mkhize.
In Dänemark wurde zuvor bei gezüchteten Nerzen die Mutation Cluster 5 entdeckt. Weil sie auf den Menschen übertragbar ist, hatte die dänische Regierung die Tötung des Nerzbestandes veranlasst. Dies geschah aus Furcht davor, die Variante könnte Impfungen unwirksam machen.
Was bedeuten Mutationen für die Impfung?
"Nach den bisherigen Daten scheint es wohl keinen Einfluss auf die Wirkung der Immunantwort beim Impfen zu haben", gibt Vogelmann Entwarnung. Um sicher zu sein, müsste dies aber in den nächsten Wochen erst getestet werden. "Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Einfluss hat, ist aber sehr gering", betont Vogelmann.
Auch die WHO schreibt: "Bislang ist SARS-CoV-2 nur in geringem Masse ohne Einfluss auf verfügbare Testverfahren, Behandlungsmethoden und Impfstoffe mutiert." Dennoch könnte eine Mutation "beeinflussen, wie gut Impfstoffe und diagnostische Testverfahren funktionieren", wenn das Virus sich sehr von der Ursprungsform unterscheide.
Die WHO überwacht daher gemeinsam mit einem Netzwerk aus Experten die Mutationen des Virus, "damit im Falle einer solchen Situation Massnahmen ergriffen werden können, um die Ausbreitung der Variante zu verhindern".
Verwendete Quellen:
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Infektionsschutz - Viren
- Weltgesundheitsorganisation (WHO): Coronavirus disease (COVID-19): SARS-CoV-2 Evolution
- "Ärzteblatt.de”: SARS-CoV-2: D614G-Mutation hat Infektiosität, nicht aber Pathogenität erhöht
- "Ärzteblatt.de": SARS-CoV-2: Unsicherheit durch Nerz-Varianten
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