- Während der Vorstoss in den Weltraum seit langem einen Traum der Menschheit nachgeht, bleiben die Ozeane der Erde ein noch weitgehend unbekanntes Gebiet.
- Nun will der Taucher und Dokumentarfilmmacher Fabien Cousteau in der Karibik eine Unterwasserstation bauen, um die Erforschung unserer Meere voranzutreiben.
- Das als "ISS des Meeres" bezeichnete Projekt namens Proteus soll dabei auch helfen, Lösungen für aktuelle Probleme der Menschheit wie zu finden.
"Ich bin in einer Familie ungewöhnlicher Denker aufgewachsen", erklärt Fabien Cousteau gegenüber unserer Redaktion sein ausgeprägtes Interesse an der Welt unter Wasser. Sein Grossvater Jacques-Yves Cousteau war ein bedeutender Pionier der Meeresforschung und erlangte durch eine Reihe von Filmdokumentationen zu diesem Thema weltweiten Ruhm, auch sein Vater Jean-Michel Cousteau war als Taucher und Dokumentar tätig. Fabien hatte in seiner Jugend beide oft bei ihren Unternehmungen begleitet.
Hier hatte sich bei ihm der Traum herausgebildet, auch eines Tages unter Wasser leben und arbeiten zu können: "Als Schuljunge war eine meiner grössten Enttäuschungen beim Tauchen, dass es, sobald es anfing, interessant zu werden, immer hiess, die Zeit sei um und man müsse zurück an die Oberfläche."
Forscher verbrachten 31 Tage unter Wasser
2014 begab sich Cousteau mit einem Team im Rahmen des Unternehmens "Mission 31" zur Aquarius, dem letzten noch bestehenden Unterwasserhabitat der Welt, das sich mehrere Kilometer von der Südspitze Floridas entfernt im Meer befindet.
In früheren Jahrzehnten hatte es noch eine Reihe ähnlicher Einrichtungen gegeben, wo es möglich war, für einige Zeit unter Wasser zu leben und zu arbeiten, diese waren aber mit der Zeit aufgegeben worden. Cousteau und sein Team verbrachten ganze 31 Tage unter Wasser, um Experimente durchzuführen und Daten zu sammeln. Dieser Aufenthalt machte die Vorzüge einer solchen Station deutlich, zeigte aber auch deren Grenzen auf.
Aquarius war räumlich sehr beengt und sechs Personen stellten bereits die Obergrenze dar. Hieraus erwuchs der Gedanke, dass eine grössere und besser ausgestattete Station notwendig wäre, um die Arbeit unter Wasser effizienter zu gestalten. Bislang sind lediglich knapp fünf Prozent des Meeresbodens erforscht und nur 20 Prozent davon kartografiert.
Die Anlage Proteus: Labore, Schlafräume, Untersee-Treibhaus
Die vom Schweizer Industriedesigner Yves Béhar entworfenen Pläne sehen eine zweistöckige Anlage vor, die aus mehreren Laboren in Form anfügbarer Module besteht. Die Anlage wird deutlich grösser als Aquarius ausfallen, etwa um das Zehnfache, und soll bis zu zwölf Personen Raum bieten. Neben der wissenschaftlichen Einrichtung wird es auch Aufenthalts- und Schlafräume sowie eine medizinische Station geben.
Auch ist ein Unterwasser-Treibhaus geplant, das es ermöglicht, einen Teil der benötigten Nahrung selbst anzubauen. Als architektonische Vorbilder dienten neben der Internationalen Raumstation ISS auch minimalistische Hoteldesigns aus Japan. Errichtet werden soll die Anlage an der Küste der Karibik-Insel Curaçao in gut 20 Metern Tiefe.
Sie soll dabei auch weitestgehend autark bestehen können, Sonne, Wind und der Ozean selbst sollen Proteus mit zu 100 Prozent erneuerbaren Energien versorgen. Als Namen wählte Cousteau Proteus, eine Meeresgottheit aus der griechischen Mythologie.
Ozeane sind Grundlage unseres Daseins
Cousteau sieht Gemeinsamkeiten zwischen der Erforschung des Weltalls und der Ozeane, denn beide stellen für den Menschen extreme Umgebungen dar. Er hält den Ozean nicht nur für die an sich grössere Herausforderung, sondern betont auch den grösseren Nutzen: "Der Ozean ist unser Lebenserhaltungssystem. Kein Ozean, kein Leben – sehr einfach. Nimmt man den Ozean oder den Wasseranteil unseres Planetens weg, sind wir nur ein lebloser brauner Felsen im Weltall."
Durch Stationen wie Proteus soll es in Zukunft besser möglich sein, die Ozeane als Grundlage unseres Daseins besser zu verstehen und angesichts derzeitiger Probleme wie etwa den starken klimatischen Veränderungen in Zukunft bessere politische Entscheidungen zu treffen.
Schmerzmittel aus der Meerestiefe
Gewöhnlich gehen Menschen davon aus, dass es bei Forschungen dieser Art um die Entdeckung neuer Lebewesen in den Tiefen des Meeres geht. "Aber das ist nur ein kleiner Teil, das ist der sexy Teil", korrigiert Cousteau. "Die Wirklichkeit sieht so aus, dass wir die Erforschung der Ozeane durch die Linse der Biochemie betrachten."
Durch die Erforschung der Ozeane sollen auch neue Möglichkeiten etwa zur Bekämpfung von Krankheiten gefunden werden. "Vor einigen Jahren wurde die chemische Zusammensetzung des Gifts der Kegelschnecke ein wahrer Segen für die Behandlung von Schmerzen", ruft Cousteau ein anschauliches Beispiel hierfür in Erinnerung.
"Die chemische Zusammensetzung wurde dann künstlich hergestellt, um eine Behandlung zu ermöglichen, die tausendmal wirksamer als Morphium, aber ohne all dessen Nebenwirkungen ist." Vielleicht liefern die Tiefen des Meeres auf diese Weise eines Tages auch den Schlüssel zur Heilung von Krankheiten wie etwa Krebs.
Derzeit ist Cousteau damit beschäftigt, Sponsoren für sein grossangelegtes Projekt zu finden. Zu den Unterstützern zählen hierbei bisher die Northeastern University in Massachusetts und die Rutgers University in New Jersey sowie die gemeinnützige Caribbean Research and Management of Biodiversity Foundation in Curaçao.
Sobald das notwendige Geld dafür zusammengekommen ist, kann mit der Verwirklichung von Proteus begonnen werden. Für den Bau und die Installation wird dabei eine Dauer von 32 bis 36 Monaten angesetzt, also von gut drei Jahren.
Doch das soll erst der Anfang eines noch grösseren Ziels sein: "Ich möchte daran erinnern, dass Proteus das erste von zahlreichen weiteren strategisch platzierten Habitaten in verschiedenen Teilen der Erde sein wird."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Fabien Cousteau
- Homepage des Fabien Cousteau Ocean Learning Center
- Jacqui Palumbo: Ambitious designs for underwater 'space station' and habitat unveiled, CNN Style vom 16. Oktober 2020.
- Jeff Spry: Jacques Cousteau's grandson hopes to create an undersea International Space Station, Syfy.com vom 1. August 2020.
- Ralf Klostermann: Forscher planen Unterwasserstation im karibischen Meer, Bild.de vom 6. August 2020.
- Michael Förtsch: Der Enkel von Jacques Cousteau will eine Forschungsstation für die Weltmeere bauen, 1E9.community vom 23. Juli 2020.
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